Bus oder Zug? Wem gehört die Zukunft des deutsch-tschechischen Bahn-Fernverkehrs?

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Der europäische Eisenbahnverkehr steht vor einem seiner größten Umbrüche seit Jahrzehnten: Im kommenden Jahr fällt mit der Liberalisierung des grenzüberschreitenden Personen-Fernverkehrs nämlich ein weiteres Monopol der ehemaligen Staatsbahnen. Mit neuen Zügen, schnelleren Verbindungen und besserem Service wollen die Bahnen auf den steigenden Konkurrenzdruck reagieren. Doch nicht immer macht bei der Attraktivierung von Verbindungen der Zug das Rennen, wie das folgende Beispiel zeigt.

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Prag und Nürnberg sind nicht nur Partnerstädte, sie liegen mit 350 Kilometern auch in nahezu idealer Bahn-Entfernung zueinander. Theoretisch zumindest. Denn in der Praxis bedeutet die Bahnfahrt zwischen den beiden Städten eine kleine Weltreise: Ganze fünf Stunden und drei Minuten braucht der direkte Schnellzug zwischen den beiden Städten. Schwere Dieselloks ziehen die Waggons durch die Hügel des Böhmerwaldes, wie in den Anfangszeiten des Eisenbahnbetriebs wird in der Grenzstation Furth im Wald die Lok gewechselt. 80 Kilometer weiter, im Hauptbahnhof von Pilsen / Plzeň ist ein neuerlicher Lokwechsel angesagt. Das kostet natürlich mächtig Zeit. Zeit, die man in Waggons verbringt, an denen der Zahn der Zeit schon kräftig genagt hat und in denen man im Sommer mangels Klimaanlage wohliges Sauna-Feeling genießen darf. Dass man mit einem derartigen Angebot und nur zwei direkten Zügen pro Tag und Richtung keine Reisenden zum Umsteigen vom Auto auf die Bahn bewegt, ist auch den Tschechischen Bahnen (ČD) und ihrem Gegenüber, der Deutschen Bahn (DB Bahn) klar.

Seit einer Woche verbindet der SC Bus, wie er auf Tschechisch heißt beziehungsweise der DB-Expressbus, wie er in Deutschland vermarktet wird, die fränkische Metropole mit der tschechischen Hauptstadt. Und das deutlich schneller als der Zug, wie Norbert Giersdorff von der Deutschen Bahn im Gespräch mit Radio Prag erläutert:

„Wir verbinden sechsmal pro Tag Nürnberg mit Prag und Prag mit Nürnberg. Das ist ein Bus, der die Strecke in 3 Stunde 45 Minuten bewältigt. Alle zwei Stunden fährt so ein Bus zwischen den beiden Städten.“

Benützt werden können die Busse zum internationalen Eisenbahntarif, wie Hannah Page von den Tschechischen Bahnen erklärt:

„Wir haben zum Einen ein Online-Angebot, das über den E-Shop der ČD erhältlich ist. Dabei kostet die einfache Fahrt in der zweiten Klasse 26 Euro. Der Normalpreis liegt bei 48 Euro, wobei da noch eine kostenpflichtige Reservierung hinzukommt, die 110 Kronen (4 Euro) kostet. Die Erste-Klasse-Fahrkarte liegt bei 78 Euro.“

Noch billiger geht es, wenn man seine Fahrkarte in Deutschland kauft, so DB-Sprecher Giersdorff:

„Für Kunden auf der deutschen Seite haben wir ein Angebot speziell für diesen Bus: Mit dem so genannten ‚Europa-Spezial’ können Sie ab 19 Euro mit dem Bus von Nürnberg nach Prag fahren.“

Angesichts der Einkommens- und Preisunterschiede zwischen Tschechien und Deutschland eine Preisgestaltung, die zumindest das Attribut „interessant“ verdient.

In punkto Ausstattung können die im weiß-roten DB-Fernverkehrs-Design gehaltenen Busse also mit den Zügen mithalten. Dennoch: erste Klasse im Bus klingt doch einigermaßen ungewöhnlich. ČD-Sprecherin Page klärt auf:

„Zum Einen haben wir in der ersten Klasse ICE-Ledersitze eingebaut. Außerdem können Fahrgäste der ersten Klasse zwischen tschechischen und deutschen Zeitungen auswählen und bekommen während der Fahrt ein Freigetränk.“

Ebenfalls an Bord ist natürlich eine Toilette, die bei der Non-Stop-Fahrt sicher gute Dienste leistet, und selbstverständlich sind die Busse – im Gegensatz zum Zug – auch voll klimatisiert.

Es scheint also, als sei der Bus dem Zug tatsächlich überlegen, zumindest auf der Strecke Prag-Nürnberg. Doch einen entscheidenden Nachteil hat der Zugverkehr auf der Autobahn: Er ist vom Straßenverkehr abhängig. In Prag und in Nürnberg fahren die Busse direkt vor dem Hauptbahnhof ab. Dies bedeutet natürlich einen entscheidenden Vorteil für Fahrgäste, die umsteigen und erscheint auch logisch für einen Bus, der mit dem Anspruch antritt, die bessere Alternative zum Zug zu sein. Doch gerade in Prag kann der Weg vom Bahnhof zur Autobahn Richtung Nürnberg und umgekehrt schnell zum Spießrutenlauf werden. Die Stadtautobahn „Magistrála“ ist gerade zu den Stoßzeiten regelmäßig völlig verstopft. Droht also bei einigen Verbindungen eine Dauer-Verspätung und werden die Fahrgäste am Ende nur mehr die Schlusslichter ihres Anschlusszuges sehen? Hannah Page von den Tschechischen Bahnen beruhigt:

„Wir haben vorsorglich in unserer Fahrzeit einen Puffer eingebaut, der genau diese Verkehrslage auch berücksichtigt. Bevor wir die Verbindung aufgenommen haben, haben wir zu allen Verkehrslagen das Ein- und Ausfahren in den Städten geübt. Selbst aktuell mit den Baustellen wie etwa auf der Letná-Höhe schafft es der Bus innerhalb der 3 Stunden 45 Minuten von einem Bahnhof zum anderen zu kommen; trotz der verschiedenen Verkehrslagen.“

Und sollte es doch einmal ein unvorhergesehenes Ereignis zu einer Verspätung führen, sei man natürlich auch darauf vorbereitet, denn die Busse seien voll in das Netz der Eisenbahnverbindungen integriert

„Das bedeutet nicht nur, dass die Fahrzeiten aufeinander abgestimmt sind, sondern das bedeutet auch, dass unsere Busfahrer mit den Transportleitungen in Tschechien und Deutschland in Verbindung stehen. Sollte der Bus eine signifikante Verspätung einfahren, was bisher noch nicht passiert ist, dann werden die Transportleitungen beider Länder informiert und dann warten die Züge auch.“

Gleiches gilt auch umgekehrt für Fahrgäste, die vom Zug auf den Bus umsteigen:

Die Partner ČD und DB haben sich also sichtlich Mühe gegeben, die Busverbindung voll in das Eisenbahnsystem der beiden Länder zu integrieren. Bleibt die Frage: Warum fährt man also nicht gleich mit dem Zug? Nürnberg und Prag sind ja auf direktem Schienenweg miteinander verbunden. Dazu DB-Sprecher Giersdorff:

„Es gab ja bis zum Dezember 2004 einen IC-Verkehr zwischen Nürnberg und Prag, der war aber sehr schlecht ausgelastet, weil einfach die Reisezeit zu lange war.“

Zur Verkürzung der Reisezeit wäre ein umfassender Ausbau der Bahnstrecke nötig. Und über den ist man sich auch grundsätzlich einig, wie im Frühjahr dieses Jahres der bayerische Wirtschafts- und Verkehrsminister Martin Zeil anlässlich des Besuchs bei seinem damaligen tschechischen Amtskollegen Petr Bendl betonte:

„Wir haben konkret eine Reihe von Schienenprojekten angesprochen, vor allem die Verbindung Prag - Nürnberg und Prag - München und wollen uns dafür einsetzen, dass die Dinge auf EU-Ebene aber auch auf nationaler Ebene angeschoben werden.“

Zwar baut Tschechien gerade die Bahnstrecke Prag-Pilsen auf Hochleistungs-Standard aus, doch um die Modernisierung der weiteren Strecke Richtung Furth im Wald und Nürnberg beziehungsweise Regensburg ist es wieder still geworden. Die beteiligten Bahnen betonen, sie hätten keine konkreten Vorstellungen davon, wann die zuständigen Regierungen an einen Ausbau dieser Strecke denken.

Auf der Strecke Prag – Nürnberg hat also der Bus den Vorzug bekommen. Angesichts der deutlich kürzeren Fahrzeit, die auf der bestehenden Bahn-Infrastruktur nicht zu erreichen ist, wohl zum Vorteil der Fahrgäste. Das neue Angebot scheint von diesen auch gut angenommen zu werden: ČD und DB sprechen jedenfalls von sehr erfreulichen Buchungszahlen. Bereits nach etwas weniger als einer Woche konnte der 1000 Fahrgast im „SC Bus“ begrüßt werden. Wird es also in Zukunft vermehrt „Bus statt Zug“ heißen? Dazu sagt der Leiter der Presseabteilung der Tschechischen Bahnen, Aleš Ondrůj im Gespräch mit Radio-Prag

„Unser Ziel ist es sicher nicht, den Bus als Konkurrenz zum Zug zu etablieren. Wir sind ein Eisenbahnverkehrs-Unternehmen und unsere primäre Aufgabe ist es, Züge zu führen.“

Der Bus komme höchstens dann ins Spiel, wenn es auf einer Strecke zwar eine gewisse Nachfrage nach einer schnellen Verbindung bestehe, die Eisenbahninfrastruktur dies aber nicht ermögliche, wie etwa im Fall Prag – Nürnberg. Aber auch hier gilt als erklärtes Ziel der Politik – zumindest auf tschechischer Seite – in Zukunft wieder eine konkurrenzfähige Bahnverbindung zu haben.