Christliche Werte in die EU-Verfassung? Tschechien bezieht Stellung
Ende vergangener Woche haben sich sieben EU-Staaten - darunter auch Tschechien - in einem Brief an die EU-Präsidentschaft für eine Erwähnung christlicher Werte in der europäischen Verfassung ausgesprochen. Über die innenpolitische Bedeutung dieses Schrittes hören sie mehr von Gerald Schubert:
Der christdemokratische Außenminister Cyril Svoboda hatte bereits im Vorfeld des EU-Verfassungsgipfels vom Dezember das Thema aufgegriffen: Auf die Frage, welche Punkte die Tschechische Republik bei den Verfassungsverhandlungen konkret durchsetzen wolle, kam er gegenüber Radio Prag etwa auf das Prinzip "Ein Land - ein Kommissar" oder auf Fragen der Stimmgewichtung im Europäischen Rat zu sprechen. Und noch einen Punkt nannte der Außenminister:
"Eine spezifische Frage ist natürlich auch die Verankerung der christlichen Kultur und Tradition in der Präambel", so Svoboda damals.
Diese "spezifische Frage" sorgt nun wieder einmal für Gesprächsstoff. Grund: Sieben EU-Staaten haben einen Brief an die irische Ratspräsidentschaft unterzeichnet, in der für die Erwähnung christlicher Werte in der Verfassungspräambel plädiert wird. Bei traditionell stärker katholisch geprägten Ländern wie Polen oder Italien mag das nicht besonders verwundern. Mit von der Partie ist aber auch Tschechien. Für den sozialdemokratischen Premierminister Spidla haben religiöse Bezüge in der Verfassung jedoch nur untergeordnete Wichtigkeit. Ein innenpolitischer Schachzug also? Dazu der Politologe Jan Bures von der Prager Karlsuniversität:
"Meiner Meinung nach versucht Spidla hier eher den christdemokratischen Koalitionspartnern entgegenzukommen. Denn die Beziehungen in der Regierungskoalition sind ja recht angespannt. Und die Christdemokraten versuchen innerhalb der Regierung ihren Einfluss zu stärken. Sie wissen, dass sie das tun können, denn sie können die Regierung jederzeit zerschlagen, wenn sie das wollen."Welche Auswirkungen aber hat eine eher symbolische Formulierung in der Europäischen Verfassung auf die tschechische Politik? Die Regierung ist ja prinzipiell für einen baldigen Abschluss der EU-Verfassung. Ist das Zugeständnis an die Christdemokraten daher nicht ohnehin weitgehend folgenlos? Laut Bures stimmt das nur zum Teil:
"Insofern Spidla ja weiß, dass er nicht derjenige sein wird, der die Verfassung wegen dieser Frage blockieren wird, kann er sich zwar erlauben, die christdemokratische Forderung zunächst einmal zu akzeptieren - denn es ist ohnehin noch nicht klar, ob sich alle EU-Staaten in dieser Sache einig werden. Dennoch würde ich nicht sagen, dass das dem Premierminister nicht schaden kann. Denn ich habe schon den Eindruck, dass der typische sozialdemokratische Wähler diese Debatte um solche Formulierungen in der Verfassung nicht besonders gern sieht."
Und nicht nur in der Wählerschaft könnte es Probleme geben: Auch aus den Reihen sozialdemokratischer Abgeordneter wurde bereits Kritik am christlichen Einlenken der tschechischen Regierung laut.