Clam-Gallas-Palais: Nicht nur Archivgebäude

Clam-Gallas-Palais

Der Prag-Besucher, der von der Karlsbrücke zum Altstädter Ring spaziert, kommt an dem prunkvollen Barockgebäude vorbei. Das Clam-Gallas-Palais in der Husova-Straße steht an einer Kreuzung alter mittelalterlicher Wege. Mehr über das Palais, das in den letzten Jahren zu einem wichtigen Kulturzentrum geworden ist, erfahren Sie von Martina Schneibergova und Lothar Martin im folgenden "Spaziergang durch Prag".

Dort, wo heute das Clam-Gallas-Palais steht, überquerte damals ein uralter, in Richtung Vysehrad führender Weg einen anderen Prager Hauptweg - den Weg, der seit dem Mittelalter die Prager Burg mit dem Zentrum der Altstadt verband. Von der Bedeutung dieses Ortes zeugt die Tatsache, dass hier einst ein romanischer Hof stand, dessen Überreste in den Kellerräumen des heutigen Barockgebäudes noch gut zu sehen sind. Das Palais wird für das wichtigste profane Bauwerk des Prager Hochbarocks gehalten.

Johann Wenzeslaus Graf von Gallas war ein erfolgreicher Diplomat und seit 1714 Vizekönig von Neapel. Er ließ diesen Herrensitz erbauen. Der Entwurf stammte vom namhaften Wiener Architekten Johann Bernhard Fischer von Erlach. Die Arbeiten begannen 1715 unter der Bauleitung von Domenico Canevalle. 1730 war der Bau mit der Errichtung des Treppenaufgangs praktisch vollendet, der gesamte Innenausbau dauerte jedoch weitaus länger. An der Ausschmückung des Palastes beteiligten sich Bildhauer Matthias Bernhard Braun und der italienische Maler Carlo Carlone, von dem unter anderen die Fresken des Treppenhauses stammen.

Das Palais war im 18. und 19. Jahrhundert ein wichtiger gesellschaftlicher Treffpunkt. Die Kulturmäzenen Clam-Gallas ließen das Gebäude sogar umbauen, um dort Theatervorstellungen und Konzerte veranstalten zu können. Viele namhafte Künstler waren bei den Clam-Gallas zu Gast - erwähnt seien nur Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven.

1945 wurde das Prager Stadtarchiv aus dem teilweise ausgebrannten Altstädter Rathaus ins Clam-Gallas-Palais überführt. Bis zum Jahr 2000 war der neue Aufenthaltsort des Archivs vornehmlich nur einem beschränkten Kreis von Archivaren, Historikern und anderen Forschern bekannt. Da dem Archiv inzwischen neue Räumlichkeiten in einem modernen Gebäudekomplex in der Prager Südstadt zur Verfügung stehen, hat man beschlossen, die Räumlichkeiten im Palais für die Öffentlichkeit zu öffnen und mit Ausstellungen zu beleben. Archivleiter Vaclav Ledvinka räumte ein, dass die Öffentlichkeit in einem Archiv zwar immer noch ein mit alten Dokumenten voll gestopftes Lager oder höchstens eine fast unzugängliche Forschungsinstitution sieht. Das Archiv sei aber bemüht, so Ledvinka, sich auch als eine Kulturinstitution zu präsentieren.

Archivleiter Vaclav Ledvinka  (Foto: Autorin)
"Das Prager Stadtarchiv hat das Glück, dass es über das herrliche Clam-Gallas-Palais verfügt und dass es gelungen ist, das Palais zu renovieren. Deswegen können wir uns auf verschiedene kulturelle Aktivitäten konzentrieren und dazu die Räumlichkeiten dieses Barockgebäudes nutzen. Dem eigentlichen Archivwesen dient inzwischen schon das moderne Archivgebäude in der Prager Südstadt."

Die Mitarbeiter des Archivs haben in diesen Tagen das Ausstellungsprogramm für dieses und für das kommende Jahr vorgestellt. Darin enthalten sind drei verschiedene Bereiche, auf die sich die Ausstellungstätigkeit konzentrieren wird. Magdalena Zivna, die bei den Vorbereitungen der Ausstellungen mit dem Stadtarchiv eng zusammenarbeitet, erläutert:

"Das Ausstellungskonzept, das hier in den letzten Jahren herauskristallisiert hat, betrifft drei Bereich: Im Allgemeinen sind es die kulturhistorischen und historischen Ausstellungen, die die Vergangenheit und Gegenwart der Hauptstadt Prag in breiten Zusammenhängen präsentieren sollen und im Rahmen dieses kulturhistorischen Bereichs gibt es dann spezielle Projekte, die auf die internationalen Zusammenhänge und vor allem den großen Stellenwert der Stadt Prag hinweisen. Und drittens werden im Ausstellungsprogramm rein künstlerische Themen aufgegriffen, die einer speziellen Auswahl unterliegen. In diesem Sinne soll die Ausstellungstätigkeit hier nicht die großen Galerien ersetzen, sondern bestimmte spezifische Themen hervorheben."

Nicht zu vergessen sind die Veranstaltungen, die anlässlich wichtiger Jubiläen organisiert werden. Dazu noch einmal Magdalena Zivna:

"Wir können bereits jetzt ein großes Ausstellungsprojekt erwähnen, das 2007 verwirklicht wird. Es wird eine Ausstellung sein, die in Zusammenarbeit mit österreichischen Partnern vorbereitet wird. In diesem Jahr, das vor allem im Zeichen des 250. Geburtstags von Wolfgang Amadeus Mozart steht, vergehen auch 250 Jahre seit der Geburt des erstklassigen Wiener Architekten Johann Bernhard Fischer von Erlach. Er wurde genauso wie Mozart 1756 geboren, aber wegen dieser Mozart-Euphorie wurde sein Jubiläumsjahr offiziell auf 2007 verlegt. Da Fischer von Erlach auch der Architekt des Clam-Gallas-Palais war, wird hier im Herbst 2007 eine große Ausstellung gezeigt, die auf diese Persönlichkeit aufmerksam machen soll."

Von den bevorstehenden Ausstellungen, die dieses Jahr im Clam-Gallas-Palais stattfinden werden, hebt der Archivdirektor die Ausstellung über das Luxemburgische Prag hervor:

"Als ein Pendant zur Ausstellung, die unter dem Titel ´Karl IV. - Kaiser von Gottes Gnaden´ auf der Prager Burg zu sehen ist, wird unsere Ausstellung zeigen, wie die Bürger unten in der Stadt gelebt haben. Sie wird dokumentieren, wie die Beziehungen zwischen der herrschenden Dynastie und der Residenzstadt waren, wie die Stadtbewohner die Hofkultur übernahmen und sie für ihren Bedarf nutzten. Und schließlich wird die Ausstellung beschreiben, wie sich das Luxemburgische Kulturmilieu im Alltagsleben der unterhalb der Prager Burg liegenden Stadt widerspiegelte."

Vaclav Ledvinka machte des Weiteren auf die Ausstellung "Kunst des Buchs und des Plakats" aufmerksam, die das hohe Niveau der angewandten Kunst im Bereich der Buchproduktion dokumentieren soll. Zu besichtigen sein werden Werke von tschechischen und deutschen Künstlern, die in den böhmischen Ländern lebten und wirkten. Unter dem Titel "Das vergessene Prag" wird ab Mitte April im Clam-Gallas-Palais eine Sammlung von alten Fotografien ausgestellt, die die Stadt Prag noch vor den tief greifenden baulichen Veränderungen zeigen, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts im Stadtzentrum durchgeführt wurden.

Für den Herbst plant das Stadtarchiv eine Ausstellung über das Prag aus der Zeit von Wolfgang Amadeus Mozart. Mozart wie auch Ludwig van Beethoven hatten während ihrer Prag-Besuche im Clam-Gallas-Palais Konzerte gegeben. Beethoven widmete damals der Comtesse Josephine de Clary, einer später verheirateten Clam-Gallas, sogar einige Kompositionen für Mandoline. Die Originalniederschrift der Kompositionen ist erhalten geblieben und wird im Stadtarchiv aufbewahrt.

Im heutigen Spaziergang durch Prag haben wir Sie über das Ausstellungsprogramm im Clam-Gallas-Palais informiert. Wenn Sie wissen, in welchem Prager Stadtteil das Palais liegt, können Sie es uns schreiben, denn so lautet die heutige Quizfrage, für deren richtige Beantwortung Sie eine CD gewinnen können.

In der Februarsendung über das Geheimnis der spanischen Wand des Thronfolgers Franz Ferdinand d´Este fragten wir Sie nach dem Datum des Attentats von Sarajewo, bei dem der Thronfolger und seine Frau ermordet wurden. Die richtige Antwort lautet: Am 28. Juni 1914.