Corona: Rekordzahlen und Streit um Kontaktverfolgung
In Tschechien wird man zunehmend nervös. Die Corona-Neuinfektionen steigen in immer kürzeren Zeitabschnitten auf neue Rekordwerte, und die Politik bereitet die Bevölkerung auf eine monatelange Maskenpflicht vor. Am Dienstag ist zudem ein Streit um die Einschränkung der Kontaktverfolgung entbrannt.
1164 Menschen haben sich am Dienstag in Tschechien neu mit dem Coronavirus infiziert. Das ist eine Zahl, die während der Sommermonate eher das Wochenwachstum bezifferte. Seit Beginn des Schuljahres übertreffen sich die Tagesmeldungen mit neuen Rekordwerten. Das wird wohl in nächster Zeit auch so bleiben, sagt Roman Prymula, der Regierungsbeauftragte für medizinische Forschung:
„So, wie die Kurve im Moment aussieht, wird es noch einige Wochen lang zu einem Anstieg kommen. Auch wenn wir jetzt Super-Maßnahmen ergreifen, wird der Anstieg erstmal weitergehen. Wir müssen jetzt zum einen die Kapazitäten in den Kliniken absichern und zum anderen den Anstieg eindämmen, damit er nicht exponentiell, sondern linear verläuft.“
Die Leiterin des Prager Gesundheitsamtes, Zdeňka Jágrová, analysiert die aktuelle Entwicklung in der Hauptstadt:
„Bei den zunehmenden Fällen überwiegen die jungen Menschen zwischen 20 und 30 Jahren, die offenbar vergessen haben, dass wir immer noch vom Coronavirus umgeben sind. Wir müssen uns weiterhin schützen und können uns nicht so verhalten wie in der Vor-Corona-Zeit.“
Die Bevölkerung wird nun darauf vorbereitet, den ganzen Herbst und Winter über einen Mund-Nasen-Schutz tragen zu müssen. Die Maskenpflicht wird ab Donnerstag im gesamten Land auf alle Innenräume ausgeweitet. Einer der Hotspots bleibt aber Prag, das als einzige Region auf der Corona-Karte Tschechiens gelb eingefärbt ist. Das bedeutet, dass die Verbreitung des Virus nicht mehr auf klar eingegrenzte Gruppen beschränkt ist. Die Einstufung in den roten Bereich würde eine Ausbreitung des Virus in der ganzen Bevölkerung kennzeichnen. Das drohe der Hauptstadt jedoch noch nicht, sagt Jágrová.
„Davon sind wir noch weit entfernt. Wir befinden uns in der Mitte des gelben Farbbereichs. Diese Bereiche haben immer zehn Punkte, und im gelben sind wir zurzeit bei fünf oder fünfeinhalb. Wir sind also noch weit entfernt von der Grenze zum roten Bereich. Wenn wir aber nichts unternehmen, gelangen wir sehr schnell dorthin.“
In Absprache mit Jágrová hatte Gesundheitsminister Adam Vojtěch (parteilos) am Montag eine Einschränkung der Kontaktverfolgung im Rahmen der smarten Quarantäne ins Spiel gebracht. Die personellen Kapazitäten der Gesundheitsämter seien erschöpft, hieß es. Deshalb sollten die persönlichen Kontakte von Menschen, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden, nur noch in den Fällen nachverfolgt werden, bei denen die Krankheit Covid-19 einen ernsteren Verlauf nimmt.
Das tschechische Landesbüro der Weltgesundheitsorganisation WHO veröffentlichte daraufhin einen Kommentar auf seiner Facebook-Seite. Darin wurde die Corona-Lage im Land als „beunruhigend“ bezeichnet. Die Kontaktverfolgung sei ohne Alternative, und die Kapazitäten dafür müssten aufgestockt werden, so die Forderung. Das rief wiederum eine scharfe Reaktion von Premier Andrej Babiš (Partei Ano) hervor. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks wiederholte er am Dienstag, was er bereits auf Twitter verbreitet hatte:
„Die WHO sollte einfach schweigen. Die Kontakte werden weiter verfolgt, darum haben wir ja die smarte Quarantäne eingerichtet. Die Gesundheitsämter wollen einfach die hygienischen Maßnahmen vereinheitlichen.“
Sachlicher äußerte sich danach Adam Vojtěch. Der Gesundheitsminister betonte, dass die Kontaktverfolgung in keinem Fall eingestellt, aber effektiver gestaltet werden soll. In seinem Haus sind nun Arbeitsgruppen mit dem Thema beschäftigt und werden bis Ende der Woche einen Lösungsvorschlag vorlegen.
Auch Zdeňka Jágrová ruderte am Mittwochmorgen im Tschechischen Rundfunk zurück. Der Vorschlag zur Einschränkung der Kontaktverfolgung sei nicht ausgearbeitet gewesen. Sie beschwichtigt:
„Wir sind gegenwärtig natürlich in der Lage, die smarte Quarantäne weiterzuführen. Wir müssen dafür aber deutlich mehr Unterstützung bekommen.“
Das WHO-Landesbüro hat am Dienstagnachmittag auf Facebook eine Entschuldigung dafür veröffentlicht, unrichtige Informationen aus den Medien übernommen und weiterverbreitet zu haben. An dem eigentlichen Problem ändert das freilich wenig. Zdeňka Jágrová selbst beziffert den Personalbedarf für die Kontaktverfolgung allein in ihrem Amt mit zehn bis zwanzig weiteren Hilfskräften.