„Das ist einfach spannende Musik“ – Der Dirigent Robert Jindra über den „Sturm“ von Vítězslav Novák

Robert Jindra

Nach 73 Jahren erklingt im Prager Nationaltheater erneut die sinfonische Dichtung „Bouře“ („Der Sturm“) von Vítězslav Novák (1870–1949). Das Orchester des Nationaltheaters leitet bei dem Konzert, das am Samstag, 11. November, stattfindet, der Musikdirektor des Theaters, Robert Jindra.

Herr Jindra, im Nationaltheater wird die sinfonische Dichtung „Der Sturm“ von Vítězslav Novák aufgeführt. Im Ausland ist die Komposition weniger bekannt, hierzulande schon eher. Sie wurde aber lange nicht mehr gespielt…

Robert Jindra | Foto: Nationaltheater Prag

„Das ist eigentlich schade. Vítězslav Novák ist ein Komponist, der schöne und interessante Musik geschrieben hat. Ich finde seine Werke großartig. ,Der Sturm‘ hat Ähnlichkeiten mit der Alpensinfonie von Richard Strauss. Die Form ist jedoch eine ganz andere. Zuletzt erklang das Werk vor mehr als 70 Jahren im Nationaltheater. Novák schrieb auch vier Opern. Sie sind auch nicht sehr bekannt. Es ist mein Traum, seine Oper ,Karlštejn‘ aufzuführen, denn ich finde die Musik sehr spannend. Eigentlich ist es nichts Neues, man hört da Musik wie von Strauss, Inspiration von Bruckner und von Debussy. Es ist also einfach alles drin und deshalb mag ich diese Musik. Das Werk läuft irgendwie nach vorne, und am Ende gibt es die Apotheose, nach der sehr lauten Musik ist es ganz leise, es kommen die Pianissimi, die ich ganz cool finde. Ich mag das Stück. Es ist schon seit langen Jahren mein Traum, die Oper irgendwo zu spielen.“

Haben Sie persönlich durchgesetzt, dass nun Nováks „Sturm“ aufgeführt wird?

„Ja, das war von Anfang an meine Idee. Ich finde es auch für das Ensemble wichtig, ein Konzert zu haben. Sonst spielen wir fast jeden Tag das Repertoire – ,Die verkaufte Braut‘, ,Rusalka‘ und zahlreiche andere Stücke. Es ist jedoch etwas ganz anderes, wenn das Orchester auf der Bühne spielt. Die Musiker reagieren darauf sehr schnell und frisch. Es ist ein völlig anderes Gefühl, als wenn sie im Orchestergraben sitzen. Sie sind Profis, sie spielen perfekt. Wenn sie jedoch auf die Bühne kommen, fühle ich, dass es etwas ganz anderes ist. Das Wichtigste bei diesem Stück ist das Orchester. Ich würde da übrigens eine Parallele zu ,Peter Grimes‘ von Benjamin Britten ziehen. Denn auch in Nováks Werk spielen Wellen und der Sturm eine Rolle. Die Musik ist sehr effektvoll. Deshalb denke ich, dass sie für das Publikum sehr interessant sein könnte. Denn sie ist voll von starker Energie. Ich bin wirklich begeistert, dass wir das Stück nun aufführen können.“

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass es sich um Shakespeares „Sturm“ handelt. Das ist jedoch nicht der Fall. Novák hat sich vom tschechischen Dichter Svatopluk Čech inspirieren lassen. Seine sinfonische Dichtung war damals ein Auftragswerk, das der Komponist für den Chor „Brünner beseda“ schrieb…

Vítězslav Novák | Foto: Jindřich Vaněk,  Tschechischer Rundfunk

„Ich muss zugeben, bevor ich die Partitur in die Hand nahm, habe ich zuerst auch gedacht, dass es vielleicht von Shakespeare inspiriert wurde. Ich war dann schockiert, als ich den Text gelesen habe. Denn da habe ich gemerkt, dass das Ganze gar nichts mit Shakespeare zu tun hat. Ich habe gelesen, dass das Stück bei der Uraufführung in Brünn einen sehr großen Erfolg gefeiert hat. Das Publikum sowie die Kritiker waren absolut begeistert. Es mag sein, dass es vielleicht keine Komposition für jedermann ist. Aber ich halte sie für interessant für ein Publikum, das etwas Neues, was sonst nicht auf dem Repertoire steht, erwartet.“

Kann man sagen, dass das Meer oder die Naturelemente die Hauptrolle spielen?

„Ja, von Anfang an. Wenn die Musik beginnt, hört man Wellen, Meer und Sturm. Aber es gibt auch leichte, leise Melodien drin. Der Bariton singt eine ganz ruhige Melodie – zwei, drei Seiten. Das Stück hat eine besondere Form: Jede Sängerin und jeder Sänger singt ein Lied, das aus drei Strophen besteht. Danach folgt ein großes Zwischenspiel mit dem Orchester. Diese Form ist ganz klar, es ist nichts Modernes.“

War das Werk auch für die Solisten neu?

„Die Solisten kannten das Stück eigentlich durchweg nicht. Als ich mit ihnen am Klavier saß und probte, waren alle überrascht, wie schön die Musik ist. Zu Beginn fragte mich eine Kollegin, ob es wirklich nötig wäre, das Stück zu singen, denn sie habe in dieser Saison sehr viel zu tun. Aber jetzt hat sie mir gesagt, dass es für sie so toll ist, ihre Partie zu singen. Und die Orchestermitglieder meinten, das sei das Schwerste, was sie in den letzten Jahren gespielt hätten.“

Vítězslav Novák war ein Schüler von Antonín Dvořák. Ist das an seinem Werk zu erkennen?

„Ich habe nicht das Gefühl, dass seine Arbeiten mit Dvořák etwas zu tun hätte. Es ist etwas ganz Besonderes. An ein paar Stellen höre ich etwa Debussy darin und auch die Musik von Wagner. Etwas spezifisch Tschechisches höre ich in seinen Werken aber nicht. Aber das ist meine Meinung, das muss nicht jeder so fühlen.“

Das Konzert im Prager Nationaltheater, bei der die sinfonische Dichtung „Der Sturm“ von Vítězslav Novák erklingt, findet am Samstag, 11. November, um 19 Uhr statt. Es gibt noch Restkarten.

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