Das leuchtende Grab von Doudleby

Heiliges Grab von Doudleby (Foto: Archiv von Jan Šimánek)
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In der Karwoche werden hierzulande in vielen Kirchen sogenannte Heilige Gräber aufgestellt. Meist handelt es sich um schlichte Nachbildungen des Felsengrabs, in dem Jesus bestattet wurde. Diese Werke werden in der Regel am Karfreitag vor einem der Seitenaltäre oder in einer Ecke der Kirche installiert. Das Heilige Grab, das jedes Jahr schon vor Ostern in der Kirche in der südböhmischen Gemeinde Doudleby / Teindles zu sehen ist, ist jedoch alles andere als schlicht. Mehr über das prunkvolle Glas-Mosaik-Werk sowie darüber, wie das Osterfest in Doudleby gefeiert wird, erfahren Sie in den folgenden Minuten.

Doudleby liegt etwa zehn Kilometer südlich von České Budějovice / Budweis. Das bekannteste Kunstwerk aus der dortigen Kirche St. Vinzenz ist zweifelsohne das gotische Bild „Madonna von Doudleby“ aus dem 15. Jahrhundert. Das Originalgemälde wird heutzutage allerdings in der Prager Nationalgalerie gezeigt. In St. Vinzenz befindet sich nur eine Kopie der wertvollen Madonna.

Derzeit wird die Aufmerksamkeit der Kirchen-Besucher aber auf ein anderes Artefakt gelenkt. Es ist ein buntes Heiliges Grab aus Glas-Mosaik. Bereits vor Beginn der Karwoche sei es aufgestellt worden, erzählt Jan Šimánek. Der Historiker von der Südböhmischen Universität in Budweis ist auch Chronist des Ortes Doudleby.

Foto: Tschechisches Fernsehen

„Wir haben das Heilige Grab schon mehrere Tage vor Ostern aufgestellt. Denn die gesamte Konstruktion ist nicht einfach. Mindestens vier Männer arbeiten einige Stunden lang daran. Das Grab ist eine Nachbildung des Felsengrabs, in dem der tote Jesus bis zur Auferstehung lag. Heilige Gräber gab es schon im 16. Jahrhundert in den Kirchen. Am meisten verbreitet waren sie in der Barockzeit, als sie üppig verziert waren. Aufgrund der Josephinischen Reformen durften sie zu Ende des 18. Jahrhunderts aber in den Kirchen nicht mehr aufgestellt werden. Im Laufe des 19. Jahrhunderts kehrte die Tradition aber mancherorts wieder zurück. Unser Heiliges Grab wurde 1883 von der Firma Zbitek in Olmütz (Olomouc, Anm. d. Red.) angefertigt. Über dem nachgebildeten Felsengrab befinden sich ein kleines Tabernakel und darüber ein leuchtendes Kreuz aus Glasmosaik. An beiden Seiten des Tabernakels kniet jeweils ein Engel. Bewacht wird das Grab von zwei Ritterfiguren. Diese stellen jene Soldaten dar, die von Pontius Pilatus zum Grab Christi entsandt wurden.“

Foto: Tschechisches Fernsehen

Die Teile des monumentalen Artefakts müssen dem Historiker zufolge rechtzeitig zusammenmontiert werden. Das Kunstwerk wird anstelle eines der Seitenaltäre in der Kirche aufgestellt. Das ganze Grab sei etwa vier Meter hoch und fünf Meter breit und müsse gut befestigt werden, erzählt Jan Šimánek.

„Deswegen wird es lieber schon mehrere Tage vor Ostern aufgebaut. Es bleibt dann die ganze Osterzeit über in der Kirche. Nach dem Karsamstag wird das eigentliche Grab mit einem violetten Überwurf verdeckt. Über das Tabernakel wird eine Plastik des auferstandenen Christus platziert. Früher wurde das Grab erst in der Karwoche aufgestellt. Wir haben es mit Erlaubnis des Pfarrers schon vor dem fünften Fastensonntag zusammenmontiert, unter anderem auch weil das Tschechische Fernsehen das Grab und seine Installation dokumentieren wollte.“

Aus Olmütz nach Südamerika

Heiliges Grab von Rapšach  (Foto: Archiv von Jan Šimánek)

In Tschechien gibt es dem Historiker zufolge rund zehn derartige im frühen Jugendstil gestaltete Heilige Gräber aus Glasmosaik. Zwei befinden sich nicht weit von Doudleby entfernt: und zwar in Kaplice / Kaplitz und in Rapšach / Rottenschachen. Zudem sind in Österreich vermutlich fünf und in Deutschland drei solcher Kunstwerke erhalten. Aber auch im Vatikan und anderswo seien die Produkte der Olmützer Firma Zbitek bekannt, erzählt der Historiker:

„Die Firma Zbitek hat mehrere Hundert derartige Heilige Gräber angefertigt. Die Produktion lief bis in die 1920er Jahre. Exportiert wurden sie vor allem in traditionell katholische Länder, besonders nach Südamerika.“

Aus historischen Dokumenten geht hervor, dass die Glashändler Eduard und Conrad Zbitek 1860 das Privileg für die Anfertigung von Mosaikbildern aus geschliffenen Glassteinen erwarben. Dieses Verfahren war ihre eigene Erfindung. Die Glassteine ließen sie sich vor allem aus dem nordböhmischen Jablonec nad Nisou / Gablonz liefern. Die sakralen Kunstwerke der Firma Zbitek waren fast alle gleich aufgebaut. Dünner Karton wurde in einen Holzrahmen gespannt. Darauf kamen farbige handgeschliffene Glassteine, die mit Fäden an der Rückseite befestigt wurden. Das Glasmosaik wurde dann von hinten beleuchtet – ursprünglich mit Petroleumlampen, später mit elektrischem Licht. Zbiteks kunsthandwerkliche Arbeiten sind gut zu erkennen, auch wenn sie sich in einigen Elementen voneinander unterscheiden. Jan Šimánek:

Heiliges Grab von Kaplice  (Foto: Archiv von Jan Šimánek)

„Sie unterscheiden sich in der Größe und bis zu einem gewissen Maß auch in der Gestaltung. Das Grab von Doudleby hat zwei Engel und zwei Ritterfiguren, darüber steht ein großes Kreuz. In Kaplice fehlen die Ritter. Im bayerischen Iffeldorf stehen an beiden Seiten des Grabs zwei mächtige Säulen. Es kommt immer darauf an, was die Pfarrei damals bei der Firma bestellt hat. Aber die Zbitek-Arbeiten sind unverwechselbar. Zudem steht der Name der Firma auf der Rückseite des Kartons.“

Judaskuchen und Hufeisen von Římov

Jan Šimánek ist nicht nur Historiker, sondern auch Chronist von Doudleby. Die Gemeinde hat heute knapp 500 Einwohner. Einige alte Osterbräuche werden dort immer noch eingehalten. Dazu gehören die Umzüge mit den sogenannten Kleppern oder Ratschen. Denn der Legende zufolge fliegen die Glocken am Gründonnerstag nach Rom und erklingen erst nach der Auferstehung Jesu wieder. Und die Ratschen haben in der Kirche für kurze Zeit die Glocken ersetzt.

Jan Šimánek  (Foto: Tschechisches Fernsehen)

„Hier in der Region von Doudleby ziehen die Kinder mit den Ratschen zum ersten Mal am Gründonnerstagabend durch das Dorf, am Karfreitag ziehen sie dreimal durch die Gemeinde und zum letzten Mal am Karsamstag. Sie bekommen für das Klappern von den Bewohnern eine Bescherung. Dafür gibt es bei uns keine Umzüge mit der Osterroute am Ostermontag. Früher zogen nur die Jungs mit den Ratschen durch das Dorf. Das hat sich vor etwa 60 Jahren geändert, als sich auch erstmals Mädchen anschließen konnten.“

In der Kirche wird dem Chronisten zufolge eine große historische Ratsche aufbewahrt, mit der früher der Küster vor der Kirche feierlich den Umzug eröffnete.

Auch kulinarisch hat sich Doudleby etwas Eigenes bewahrt: und zwar eine spezielle Form des sogenannten Judaskuchens. Das Gebäck soll mit seiner geflochtenen Form an den Strang erinnern, an dem sich Judas erhängte, erzählt der Historiker:

„Římovská podkova“  (Foto aus dem Buch „Kuchařka II. české a moravské vesnice,  MAS Sdruženi Růže,  o.s.,  MAS Pomalší,  o.p.s.,  MAS Krajina srdce,  o.s.,  MAS NAD ORLICÍ,  o.p.s.,  a MAS Stražnicko,  o.s.“)

„Im Unterschied zu anderen Regionen wurde der Judaskuchen bei uns nicht nur zu Ostern, sondern während des ganzen Jahres gebacken. Immer wenn die Bauern Brot buken, machten sie auch einen Judaskuchen. Dieser wurde mit Mohn oder Kümmel bestreut. Nie wurde er mit Honig bestrichen, wie es anderswo üblich ist.“

Eine weitere Spezialität aus der Region ist der sogenannte Hufeisen von Římov / Rimau (tschechisch „římovská podkova“). Dieser Lebkuchen hänge mit den hiesigen Wallfahrten zusammen, erklärt der Experte.

„Das ist ein großer Lebkuchen mit kleinen Fenstern. Er sieht ein bisschen aus wie die biblischen Tafeln mit den zehn Geboten. Der Lebkuchen wurde mit weißem Zuckerguss übergossen. Früher kauften die Väter bei der Pilgerfahrt solch ein Hufeisen von Římov. Wenn sie viele Kinder hatten, bekam jedes nur ein Stück davon. Das heißt, man musste nicht für jedes Kind ein eigenes Lebkuchenherz kaufen.“

Berichte über Wunder

Madonna von Doudleby  (Foto: Kristýna Maková)

Die Wallfahrtstradition hängt dem Historiker zufolge mit der „Madonna von Doudleby“ zusammen. Heute befindet sich eine Kopie des gotischen Werks von 1420 auf dem Hauptaltar der Vinzenz-Kirche. Vor allem in der Barockzeit lockte das Madonnenbild viele Pilger nach Doudleby. Jan Šimánek hat mehrere Notizen darüber in den alten Chroniken gefunden…

„Doudleby liegt sehr nahe bei Římov, einem berühmten Wallfahrtsort. Die Pilger machten jedoch in der Regel auf dem Rückweg von dort eine Zwischenstation in unserer Gemeinde. In unserer Chronik finden sich Berichte über sogenannte ,Wunder‘. Diese müssen normalerweise von der katholischen Kirche überprüft und bestätigt werden. Hier handelte es sich um Bitten, die erhört wurden. Der Gläubige erzählte dem Pfarrer davon, und dieser nahm die Geschichte in die Chronik auf. Insgesamt gibt es rund 40 derartige Einträge über Bitten, die erfüllt wurden. Ein Andenken an die Wunder sind drei Krücken, die in Doudleby aufbewahrt werden und die wir Besuchern zeigen. Diese sollen geheilte Pilger hier hinterlassen haben. Eine Krücke stammt von 1782. Der Chronik zufolge gehörte sie einem kranken Menschen, der aus dem etwa 15 Kilometer entfernten Dorf Šalmanovice bei Třeboň stammte. Nach einem Gebet in der Kirche von Doudleby fühlte er sich so wohl, dass er seine Krücke hier zurückließ.“

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