Das Palais Myslbek: Shoppingzentrum am Rande der Prager Altstadt

Palais Myslbek

Jahrzehnte lang gab es am Rande der Altstadt und der Neustadt, zwischen der Straße Na Příkopech / Am Graben und dem Platz Ovocný trh / Obstmarkt, die größte Baulücke im Prager Stadtzentrum. Erst Ende der 1990er Jahre entstand dort ein modernes Gebäude – die Shopping Gallery Myslbek.

Die Passage der Shopping Gallery Myslbek verbindet zwei historisch unterschiedliche Stadtviertel miteinander: die Neustadt und die Altstadt. Das moderne Einkaufszentrum hat sechs oberirdische und zwei unterirdische Stockwerke. Mit dem Palais Myslbek wurde 1997 eines der ersten kommerziellen Gebäude eröffnet, die nach der Wende im Prager Stadtzentrum erbaut wurden. Das letzte Haus, das an diesem Ort stand, war das Gebäude der Unionbank. Dieser Bau sei 1926 abgerissen worden, erzählt die Architekturhistorikerin Radomíra Sedláková:

Palais Myslbek | Foto: Lenka Žižková,  Radio Prague International

„Es gab damals vermutlich Pläne, das abgerissene Bankgebäude durch einen Neubau zu ersetzen. Denn zu der Zeit wurden viele Häuser in der Straße Na Příkopě umgebaut. Sie sollten besser, größer, interessanter und auch moderner sein. Auf diesem Grundstück wurde jedoch kein Gebäude erbaut. Es wurde dort nur ein kleiner Ausstellungspavillon des Künstlervereins Myslbek errichtet. Und dieses stand dort bis in die 1950er Jahre.“

Nachdem der Pavillon abgerissen worden war, gab es verschiedene Pläne für die Nutzung des unbebauten Grundstücks. Es sollte dort sogar ein internationales Hotel mit einem speziellen Bereich stehen, in dem Staatsbesuche empfangen werden sollten. Jahrzehnte lang blieb dort jedoch die Baulücke. Dies änderte sich erst 1992. Damals siegte in einer Ausschreibung der Entwurf der Architekten Zdeněk Hölzel und Jan Kerel für den Bau des Palais Myslbek. Radomíra Sedláková:

„Die tschechischen Architekten arbeiteten mit dem französischen Architekten Claude Parent zusammen. Er entwarf die moderne Fassade des Palastes in der Straße Na Příkopě. Auf der anderen Seite – also auf dem Obstmarkt – sieht die Fassade völlig anders aus, weil sich dort kein Großstadtboulevard, sondern eine mittelalterliche Stadt befand. Dort stehen das Ständetheater, das Karolinum sowie andere weniger auffallende Häuser. Auf den ersten Blick kann die Fassade den Eindruck erwecken, dass sie schief sei. Dies ist angeblich ein versteckter Hinweis auf das Haus zur Schwarzen Mutter Gottes. Dieses steht ganz in der Nähe und wurde von Josef Gočár entworfen.“

Josef Václav Myslbek | Foto-Reproduktion: Zlatá Praha,  roč. 27,  č. 23,  1909-10

Sedláková zufolge erinnert auch das Interieur des Gebäudes daran, dass die Passage zwei historisch unterschiedliche Stadtteile miteinander verbindet. Der Besucher müsse jedoch aufmerksam sein, so die Architektin.

„Das Palais Myslbek ist eine Einkaufspassage. Die Menschen spazieren hin und her und gucken in die Schaufenster. Aber kaum jemand nimmt zur Kenntnis, wo er sich eigentlich befindet. Das Gebäude macht die Passanten unauffällig darauf aufmerksam, sich den Raum näher anzuschauen. Von der Straße Na Příkopě betritt man den Bau durch eine Passage, die dem Geist des Boulevards entspricht. Die Passage ist hoch, hell und offen. Dann kommt der Besucher auf einen kreisförmigen kleinen Platz, und weiter geht es durch einen anderen Teil der Passage, der niedriger ist. Seine Dimensionen bereiten den Passanten auf die Altstadt vor. Es ist ein Raumeffekt, der jedoch eine bestimmte Sensibilität fordert, um zu begreifen, dass man sich gerade zwischen zwei Stadtteilen bewegt.“

Porträts von Architekten als Mosaik

Tor vom Bildhauer Karel Nepraš | Foto: Katarína Brezovská,  Radio Prague International

Die Grenze zwischen der Neustadt und der Altstadt symbolisiert laut Sedláková auch das große Eingangstor in der Straße Na Příkopě. Es ist aus Stahl gefertigt und wiegt mehr als acht Tonnen. Interessant ist jedoch auch die Pforte, hinter der sich der technische Teil des Gebäudes verbirgt. Das imposante Tor, ist mit kleinen Köpfen aus Bronze verziert, die die einkaufenden Massen symbolisieren. Das Tor von 1996 ist ein Werk des Bildhauers Karel Nepraš. Von Anfang an sollte mit dem Palais Myslbek den Besitzern der Einkaufsgalerie zufolge Kunst in den öffentlichen Raum gebracht werden. In der kreisförmigen Zentralhalle befindet sich beispielsweise die Glasplastik „Vortex“, die die Firma Lasvit nach einem Entwurf von Maxim Velčovský kreierte.

Porträts von namhaften Künstlern sind als Mosaik im Marmorboden im ersten Stock des Gebäudes zu sehen. Radomíra Sedláková dazu:

Mosaiken auf Marmorboden | Foto: Katarína Brezovská,  Radio Prague International

„Bis auf Mozart sind es Porträts von Architekten – von Peter Parler bis zu Jan Kotěra. Auf einem Stadtplan wird gezeigt, welche Bauten sie in der Umgebung bauten. Damit wird an die Geschichte dieses Ortes erinnert.“

Die Besitzer der Mall versuchen, das Einkaufen mit einem Kulturerlebnis zu verbinden. In einem Teil der Räumlichkeiten werden regelmäßig Ausstellungen organisiert. Die Architektin würdigt die Tatsache, dass in dem Palais Kunstwerke gezeigt werden.

„Für einen der Läden wurde vermutlich noch kein Mieter gefunden. In dem Raum werden deshalb derzeit Fotografien gezeigt. Ich finde gut, dass der Palast nicht nur ein reines Shoppingzentrum ist.“

In der Einkaufsgalerie gibt es inzwischen auch ein großes Restaurant. Im Vergleich mit anderen Prager Palästen vermisst Sedláková im Palais Myslbek dann aber doch noch etwas:

Palais Myslbek | Foto: Lenka Žižková,  Radio Prague International

„Unweit dieses Gebäudes gab es schon in den 1920er Jahren schöne Stadtpaläste. Im Erdgeschoss und manchmal im ersten Stock gab es Geschäfte, in den oberen Etagen Büroräume und ganz oben Wohnungen. In diesen Palästen befand sich im Souterrain immer entweder ein Theater, ein Kino oder ein Varieté. Im Myslbek gibt es im Unterschied zu den anderen Palästen im Untergeschoss keine Kultureinrichtung, denn dort befinden sich derzeit Garagen. Vielleicht wird da in Zukunft ja doch noch eine Kulturinstitution untergebracht.“

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Autoren: Martina Schneibergová , Katarína Brezovská
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