Das stalinistische Barock in Ostrava-Poruba

Ostrava - Poruba, 'Torrecillas', foto: autora

Im heutigen Regionaljournal lädt Sie Dagmar Keberlova ein, sich in das nordmährische Ostrava (Ostrau) auf die Spuren der stalinistischen Architektur zu begeben. Denn die dortige Siedlung Poruba, die Anfang der 50er Jahre gebaut wurde, ist im Herbst zur Denkmalschutzzone erklärt worden.

Ostrava
Ostrava ist eine architektonisch ungeordnete Stadt, sagen viele Tschechen. Man fährt und fährt und die eigentliche Stadt kommt nicht. Das ist jetzt eine einfachere Beschreibung, wie Ostrava hierzulande wahrgenommen wird. Tatsache ist, dass es eine aus zusammenhanglosen Teilen bestehende Stadt ist. Aber wir wollen uns nicht der ganzen Stadt widmen, sondern nur einem ihrer selbständigen Teile, der Siedlung Ostrava-Poruba. Am Rande der Siedlung erwartet uns unser heutiger Stadtführer durch die Architektur der Jahre des totalitären Stalinismus, der Denkmalschützer Martin Strakos. Bevor er aber mit der Führung beginnt, zeigt er mir einen alten Plan, wie das damals neue sozialistische Ostrava gebaut werden sollte. Auf dem Plan ist es sehr großzügig angelegt, mit einem neuen Bahnhof, von dem aus eine breite majestätische Allee zum Zentrum des neuen sozialistischen Ostrava führt, dass die neue Siedlung sein sollte. Von dem ganzen Plan, dessen Realisierung Anfang der 50er Jahre vorgesehen war, wurde nur ein kleiner Teil gebaut. Es gibt den Bahnhof und einen Teil der Siedlung.

Eine der Visionen war, beginnt Martin Strakos seine Erzählung, das neue Ostrava zu bauen und das alte nicht mehr zu renovieren, sondern praktisch verkommen zu lassen, um sich dann die sich darunter befindende Kohle zu holen. Dieses Vorhaben war nach 1948 sehr aktuell, aber Mitte der 50er Jahre hatte es an Aktualität verloren. Unterhalb des historischen Zentrums war es nämlich verboten, Kohle zu fördern. Die Schutzlinie des alten Zentrums wurde nur während der Zeit der Nazi-Okkupation und zum Teil auch in der kommunistischen Zeit angegriffen.

Das alte Zentrum wurde nicht abgerissen und das neue nicht ganz ausgebaut.

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Das Projekt wurde Anfang der 50er Jahre entworfen und mit dem Bau hatte man im Frühjahr 1952 begonnen. Es wurde beschlossen, dass die Siedlung in der Form von halboffenen Hausblöcken bestehen wird, das heißt aus Häusern, die geschlossene Höfe bilden werden, in denen sich dann auch Versorgungseinrichtungen befinden sollten. Der Weg zum Lebensmittelladen sollte nicht länger als fünf bis zehn Minuten dauern. Genauso waren auch die Ausmaße einer Wohnung bestimmt, obwohl es hier Ausnahmen gegeben hätte, z.B. für eine Familie mit mehreren Kindern. Näheres dazu erklärt Martin Strakos:

"Von der urbanistischen Seite her könnte man sagen, dass hier qualitativ hochwertige Bauten entstanden sind, die im architektonischen Detail an der Grenze von Kitsch und Banalität stehen. Gleichzeitig aber haben sie auch etwas Merkwürdiges an sich. Aus einer Mischung von traditioneller Stadt mit menschlichem Ausmaß und etwas Historischem sind hier zwei Bezirke einer neuen Stadt entstanden. Diese wurden dann im September unter den Denkmalschutz genommen."

Wovon haben sich die damaligen Architekten seinerzeit inspirieren lassen? Die Bauten aus dieser Zeit sind unter dem Namen "das stalinistische Barock" bekannt, Barock war es aber nicht:

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"Weder der romanische noch der gotische Baustil waren günstig. Im romanischen wurden vorrangig keine Wohneinheiten gebaut, sondern er war überwiegend der Stil von kirchlichen Bauten. So auch die Gotik. Daher waren diese beiden Baustile für die Kommunisten nicht akzeptabel. Dasselbe gilt für den Barock, der aufgrund der Re-Katholisierung und antitschechischen Stimmungen seinerzeit auch ausgeschlossen war. Eher gefiel ihnen die Renaissance als ein Stil, in dem sich ihrer pseudomarxistischen Interpretation nach der Staat von der Kirche trennte. Hier diente aber auch nicht alles aus der Epoche zur Inspiration, diese fanden die Architekten vielmehr in den Bauten der Epoche in Russland, konkret in Leningrad (jetzt Sankt Petersburg)."

Die Stadt Sankt Petersburg war auch ausschlaggebend für den Hauptbau der Siedlung Ostrava-Poruba gewesen. Beim Hauptbau, dem sog. Bogen, hätten sich die Architekten beim Generalstab der Kommunisten in Sankt Petersburg inspirieren lassen, heißt es. Im Vergleich zum Klassizismus vom Ende des 18. Jahrhunderts, der verschiedene Machtsymbole verwendet hat, haben die kommunistischen Architekten stattdessen Statuen mit zivilen Symbolen verwendet. Auf einer dieser Statuen zeigt mir Denkmalschützer Strakos einen Arbeiter, der auf einem Fahrrad fährt, ein anderer geht mit dem Hund spazieren. Auf der einen Seite ist das Gebäude riesig, auf der anderen Seite zeigt sich aber schon ein Unwillen zum Größenwahnsinn, die Gebäude sind menschlich. In der tschechischen Kunst hat es nie eine Tradition von Imperialbauten gegeben, sagt Herr Strakos weiter, und so hätten sich die Architekten an etwas gehalten, was ihnen nahe lag.

Und was gibt es sonst noch an bedeutenden Bauten in Poruba? Es gibt zum Beispiel ein bekanntes Wohnhaus, das den Namen "Türmchen" trägt. Dieses Haus wurde nach der Vorlage eines Prager Renaissancebaus gebaut, den es heute nicht mehr gibt. Des Weiteren gibt es ein Kulturhaus, das man als eine Variante zwischen dem stalinistischen Realismus und der Rückkehr des Modernismus in die tschechische Architektur bezeichnen könnte. Ansonsten seien die meisten Bauten Wohnbauten. Was wurde zu ihrer Zierde am meisten verwendet?

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"In bedeutendem Maße wurde Sgraffiti angewendet, das von den Architekten vorgeschlagen wurde. Oft Blumenmotive. Auch Statuen und Plastiken, die allerdings nach der Kritik aus der Sowjetunion von Seiten Chruschtschows in den späteren Jahren abgenommen haben. So verließen die Autoren das stalinistische Barock und kamen zum Modernismus zurück."

Ein Merkmal der Siedlung aus den 50er Jahren, das sie von den anderen Siedlungen aus späterer Zeit unterscheidet, ist, dass die Häuser entlang der Hauptstraßen mit einem Erdgeschoß gebaut wurden, in dem kleine Läden platziert waren:

"Dadurch wurde zum Teil das Leben in den Straßen aufrechterhalten. Obwohl, wie Sie hier bei diesem Bogen sehen, die Hälfte der Geschäfte geschlossen ist, weil sie den großen Supermärkten nicht konkurrieren können. Eine weitere Schwierigkeit, die hier entstanden ist, ist die, dass in den 50er Jahren die Stadtplaner gar nicht damit gerechnet hatten, dass einmal fast jede Familie ein Auto haben wird. Die Bewohner von Poruba sollten vor allem mit öffentlichen Verkehrsmitteln befördert werden. Nur die wenigsten besaßen ein Auto - lediglich die höchsten kommunistischen Funktionäre oder Einige wenige, die viel gespart hatten. Heutzutage, wo nahezu jede Familie ein Auto hat, entsteht dadurch ein großes Problem, da es hier zu wenige Parkplätze gibt."

Ein großer Vorteil hingegen sei es, dass es sehr viele Grünflächen gebe. Die Siedlung sehe aus wie ein großer Stadtpark, so Strakos. Und das kann ich bestätigen. An diesem frostigen Morgen laufen wir nicht gerade kurze Strecken zwischen den Häusern hindurch und auf den Wegen liegen überall die gefallenen Blätter. Der Nachteil der vielen Bäume sei es, dass sich jemand um sie kümmern muss.

Warum wurde die Siedlung zum Denkmalschutz erklärt?

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"Einerseits deshalb, weil sie einen einzigartigen, urbanistischen Komplex darstellt, mit einer Architektur, die die entsprechende Zeit sehr gut charakterisiert. Es wäre notwendig, diese Architektur mit einer gewissen Konzeption zu behandeln. Diese Siedlung wurde als ein Komplex entworfen und jegliche teilweisen oder amateurhaften Eingriffe deformieren ihn. Es entsteht hier die Frage: Wir haben eine totalitäre Architektur - wie wird sie die Demokratie zu behandeln wissen? Durch falsche Eingriffe sicher nicht. Aus diesen Gründen wurde eine städtische Denkmalzone entworfen."

Und wir haben schon ein paar "freie" Eingriffe gesehen: Den Wärmeschutz an der Fassade, die Holzfenster, die modernen Plastikfenstern weichen mussten, oder die ausgebauten Dachbodenwohnungen. Derzeit gebe es ein allgemeines Dilemma: Soll man Werte schützen, die angezweifelt werden, oder dem Individuum, das Geldmittel oder Macht besitzt, den Vorrang geben? Ostrava-Poruba würde einen schonenden Umgang verdienen, meint Denkmalschützer Strakos. Denn die Häuser seien dafür, dass sie in der ersten Hälfte der 50er Jahre gebaut wurden und bis heute praktisch ohne Renovierung geblieben sind, in gutem Zustand. Da es sich um Ziegelbauten handelt, auf jeden Fall in einem besserem als die Plattenbauten, die danach kamen.