Dejvice: Stadtteil mit renommierten Theaterensembles

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Der Stadtteil Dejvice hat eigentlich keinen richtigen schönen Hauptplatz. Der Platz Vitezne namesti, den alle Prager "kulatak" nennen, ist eher eine Kreuzung als ein Platz. Das viel benutzte Wort "kulatak" stammt vom Adjektiv "kulaty" - rund, denn rund ist dieser wenig gelungene Platz schon. Nach Meinung des Bürgermeisters von Prag 6, Tomas Chalupa könnte die Rolle eines Hauptplatzes in Dejvice eher der Ort übernehmen, der heute "Zu den drei Ecken" genannt wird.

Diese Hausecken laufen alle in die Straße namens Dejvicka aus, und auf dieser Straße bei den drei Ecken spielten sich in den letzten zwei Jahren unter anderem auch die Feierlichkeiten ab, die verschiedenen Prager Stadtbezirke traditionell zum Jahrestag des Kriegsendes organisieren. Sehr oft geht es dabei nur um die üblichen höchst offiziellen Gedenkveranstaltungen und Kranzniederlegungen. Dies war in Dejvice nicht der Fall. Hier wurde der Feiertag am 8. Mai in den letzten Jahren als Anlass für ein buntes Stadtteilfest genommen. Bürgermeister Chalupa dazu:

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"Nach den ersten großen Feierlichkeiten, die anlässlich des runden Jubiläums des Kriegsendes vor zwei Jahren stattfanden und eher einen militärischen Charakter hatten, folgten voriges Jahr Feierlichkeiten, die im Zeichen der Wissenschaft standen. Die Veranstaltungen wurden in der Zusammenarbeit mit der Tschechischen Technischen Hochschule vorbereitet, die ihren Sitz teilweise eben in Dejvice hat. Die Festivitäten wurden auf den 300. Gründungstag der Technischen Hochschule orientiert."

Die Dejvicka-Straße, die von der U-Bahn-Haltestelle Hradcanska bis zur Endhaltestelle Dejvicka führt, soll als die Hauptstraße von Dejvice aufrechterhalten werden, meint der Bürgermeister. Die Straße soll den Bewohnern etwas anbieten und attraktiv bleiben. Aus diesem Grund wollte der Bürgermeister die Aufmerksamkeit der Bürger diesmal erneut auf diese Straße lenken:

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"In diesem Jahr bemühten wir uns, die Feierlichkeiten ein wenig anders auszurichten. Wir wollten dabei daran erinnern, dass Dejvice und der ganze sechste Stadtbezirk nicht nur ein Ort sind, wo man gut wohnen kann, sondern dass es hier auch einige Theater gibt. Unter ihnen sind auch renommierte Musikbühnen. Wir haben zu den Vorbereitungen alle Kulturinstitutionen eingeladen, die hier tätig sind. Zu ihnen gehören das Theater Semafor, das Theater Spejbl und Hurvinek, das Dejvice-Theater, das Theater der Gebrüder Forman, das Freilichttheater in der Sarka, aber auch beispielsweise die Garnisonskapelle der Tschechischen Armee. Wir haben außerdem einen Bewohner von Dejvice angesprochen, der zwar einst in den Übersee geflüchtet war, aber für eine Weile nun zurückgekehrt ist: Den Sänger Waldemar Matuska."

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Die Rückkehr des 75-jährigen Sängers nach Dejvice oder genauer gesagt auf das Podium in der Dejvicka hat vor allem die ältere Generation begeistert. Einige der Melodien sang aber auch der jüngere Teil des Publikums mit. Diese Lieder stammten aus der Feder von Jiri Slitr und Jiri Suchy, den Begründern des erwähnten Theaters Semafor. Der Komponist Jiri Slitr ist 1969 gestorben. Der Dichter und Schauspieler Jiri Suchy leitet das Theater Semafor bis heute. Suchy inzwischen schon ein lebender Klassiker - seine Texte tauchen bereits in tschechischen Schulbüchern auf. Das Theater Semafor ist in den sechziger Jahren zu einer Kultbühne geworden. Zumindest einige Lieder aus den Semafor-Stücken kennt heute auch die junge Generation, die die Gründung des Musiktheaters vor mehr als vierzig Jahren nicht miterlebt hat. Nach Dejvice zog Semafor jedoch erst nach der Hochwasserkatastrophe um, die im Sommer 2002 Prag heimsuchte. Bei den Feierlichkeiten in der Dejvicka stellte sich Suchy mit seinem Theaterensemble mit Liedern aus verschiedenen Zeitepochen von Semafor vor. Ich fragte Jiri Suchy bei dieser Gelegenheit nach seinen Erinnerungen an den Mai 1945.

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"Ich habe viele Erinnerungen an diese Zeit. Ich erinnere mich daran, wie ich damals im Stadtteil Sporilov aus dem Fenster geschaut und die Straße beobachtet habe. Plötzlich tauchten dort seltsam aussehende Fahrzeuge auf, auf denen sehr viele Soldaten saßen. Ich habe begriffen, dass das jetzt die Rote Armee war, von der man schon erzählt hatte, dass sie bald kommen soll. Ich war damals vierzehn, und es war für mich ein großes Erlebnis. Wir sind dann nach Pilsen gefahren, um zu sehen, wie die Armeetruppen aussehen, die dorthin gekommen sind. Denn dort waren wiederum die US-amerikanischen Soldaten. Damals entstand wahrscheinlich mein Interesse für die verschiedenen Helme, die ich etwas später zu sammeln begann. Ich erinnere mich beispielsweise an einen russischen Soldaten, der auf dem Gehsteig saß und nur für sich selbst Harmonika gespielt und gesungen hat. Ich habe nie vorher so etwas gesehen."

Eine Auswahl aus seiner Sammlung von verschiedenen historischen Helmen stellte Jiri Suchy übrigens dem Publikum in Dejvice vor. Diese einzigartigen Kopfbedeckungen haben die Damen aus Theater Semafor persönlich vorgeführt.

Jiri Suchy  (links,  Foto: Autorin)
Das Theater Semafor wurde auf dem Podium durch das Dejvice-Theater abgelöst. Nicht jeder Prager Stadtteil kann sich durch mehrere Bühnen rühmen, von denen einige gleich zu den populärsten Theatern in Tschechien überhaupt gehören. Die Vorstellungen im Dejvice-Theater sind ständig lange im Voraus ausverkauft. Im Theaterensemble spielen einige tschechischen Schauspielerstars der jüngeren Generation. Seit 1996 wurde das Theater von der Alfred-Radok-Stiftung dreimal mit dem Titel "Theater des Jahres" ausgezeichnet. Haben die die Bewohner von Dejvice einfach Glück, dass sich renommierte Kulturinstitutionen gerade in ihrem Stadtteil niedergelassen haben? Bürgermeister Chalupa dazu:

"Dies kommt nicht von selbst. Das Rathaus bemüht sich, die entsprechenden Bedingungen für diese Bühnen zu schaffen, weil es zum guten Ruf des Stadtviertels beiträgt. Andererseits behaupte ich, dass die Theater imstande sein müssen, auch sich selbst zu helfen. Und das können sie, und daher überleben sie."

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Unter den Theaterensembles, die an den Feierlichkeiten teilnahmen, war auch das so genannte Theater "Sarka", das nach dem gleichnamigen Naturschutzgebiet im sechsten Stadtbezirk benannt wurde. Was sich unter dieser Theatergruppe verbirgt, ließ ich mir von Renee Nachtigallova erklären:

Dieses Jahr bereiten die Musiker um Renee Nachtigallova eine Inszenierung von Dvoraks Oper Rusalka für das Freilichttheater Sarka vor.