Der Dichter und die Prager Burg in der Jagiellonen-Zeit
Einige Kostbarkeiten aus dem Domschatz vom St. Veit, wertvolle Bücher und Gemälde, darunter auch ein Werk von Albrecht Dürer. Dies und viel mehr kann man in einer Ausstellung sehen, die den namhaften tschechischen Humanisten Bohuslav Hasistejnsky z Lobkovic und damit die Zeit der Jagiellonen auf der Prager Burg vorstellt. Sie wurde diese Woche in den Ausstellungsräumen eröffnet, die in den ehemaligen Kaiserlichen Stallungen auf dem zweiten Burghof errichtet wurden.
In Böhmen hatte sich die Lage nach den hussitischen Kriegen stabilisiert. Böhmen bemühte sich bereits unter König Georg von Podebrad und dann vor allem unter Vladislav Jagiello um eine Aussöhnung mit Rom, um nicht mehr für ein außen stehendes ketzerisches Land in Europa gehalten zu werden. Wie sah es damals vor etwa 500 Jahren auf der Prager Burg aus? In wie weit war die Gesellschaft in Böhmen damals vom Humanismus beeinflusst? Diesen Fragen geht unter anderem die Ausstellung nach, die diese Woche auf der Prager Burg eröffnet wurde und in deren Mittelpunkt die Persönlichkeit des namhaften Dichters und Humanisten, Bohuslav Hasistejnsky von Lobkovic steht. Seinen Namen findet man jedoch in verschiedenen Varianten - wie beispielsweise auch Bohuslaus Lobkowicz von Hassenstein. Über die Ausstellung sagte Kuratorin Ivana Kyzourova:
"Die Ausstellung hat eine Handlungslinie, und zwar dank dessen, dass wir uns auf das Schicksal von Bohuslav Hasistejnsky von Lobkovic konzentrierten. Die Ausstellung beschreibt Peripetien seines Lebens sowie Aspekte der Zeit, mit der diese Peripetien eng zusammenhingen. In der Ausstellung erfährt man beispielsweise mehr darüber, woraus die Liturgie in Böhmen unter der Jagiellonen-Herrschaft aussah, was sich auf der Prager Burg abspielte, wie sich die Burg architektonisch änderte oder aber auch wie die hohen Kirchenämter besetzt wurden. Der Besucher kann sich des Weiteren ein Bild davon machen, wie ein Intellektueller am Ende des 15. Jahrhunderts lebte. Bohuslav Hasistejnsky war ein hoch gebildeter Mann und hervorragender Dichter. Dabei war er imstande, sich sehr gut um seine Güter zu kümmern. Er war bestimmt kein unpraktischer Gelehrter, denn er konnte sehr gut alle Angelegenheiten des Alltagslebens erledigen."
Bohuslav Hasistejnsky wurde 1461 geboren und starb im Jahre 1510. Er war der jüngste von vier Brüdern und es erwartete ihn eine Karriere innerhalb der Kirche. 1482 wurde ihm in Ferrara der Doktortitel im Fach kanonisches Recht verliehen. Dies war eine Voraussetzung dafür, um sich um Kirchenämter zu bewerben. Er versuchte es einige Male, aber nie war er erfolgreich. Von seinem literarischen Werk sind seine Gedichte am bedeutendsten. Er schrieb Prosa, aber wertvoll sind auch die Briefe, die er seinen Freunden schrieb. Diese sind erhalten geblieben und wurden bereits im 16. Jahrhundert herausgegeben, sagt die Kuratorin:
"Seine Gedichte haben verschiedene Themen - kirchliche sowie allgemein aktuelle Themen. Oft kommentierte er kritisch beispielsweise die Politik von König Vladislav Jagiello. Er besang in seinen Versen auch den Buchdruck oder die Erfindung des Schießpulvers. Es gibt von ihm Gedichte, die die schöne Natur bei Hasistejn besangen, sowie Liebesgedichte. Der Humanist kannte sehr literarische Werke der Antike sehr gut und inspirierte sich oft in der Antike oder zitierte aus dieser Literatur. Für uns sind manchmal die Gedichte des Humanisten unverständlich, weil wir die antike Literatur heute nicht so gut wie er kennen."
Die Burg Hasistejn - zu Deutsch Hassenstein beziehungsweise Hasenstein - steht immer noch, jedoch der Burgflügel, in dem Bohuslav seine private humanistische Schule errichtete, ist nicht erhalten geblieben. Es scheint, dass er sich sehr bemühte, seine gute Bildung weiter zu geben. Für die Schule bestellte er Lehrmittel sogar im Ausland. Der hoch gebildete Adelige besaß eine große Bibliothek. Sie umfasste mehr als 620 Bände und war damals mit den bedeutendsten Bibliotheken in Mitteleuropa vergleichbar. Jahrelang galt sie als verloren. Fast die ganze Bibliothek wurde jedoch in den Sammlungen der Familie Lobkovic auf ihrem Schloss in Roudnice nad Labem / Raudnitz gefunden. Warum entschied sich die Kuratorin eben für die Persönlichkeit von Bohuslav Hasistejnsky, um die Epoche der Jagiellonen auf der Prager Burg vorzustellen?
"Wir haben uns für Bohuslav Hasistejnsky aus dem Grund entschieden, weil er eine enge Beziehung zur Prager Burg hatte. Er war Angehöriger einer alten böhmischen Adelsfamilie, die sich an der Verwaltung des Königtums beteiligte. Bohuslav Hasistejnsky selbst war ein hoher Beamter in der königlichen Kanzlei. Er wirkte auf der Prager Burg in einer Zeit, in der die Burg wichtige Änderungen erlebte. Mit König Vladislav und seinen Beamten war er auch später in Kontakt, als er für ihn nicht mehr arbeitete. Diese Tatsachen bewegten mich dazu, eine solche Ausstellung auf der Burg zu installieren. Und nicht zuletzt konnten wir viele Exponate aus den hiesigen Sammlungen für die Ausstellung nutzen."
Einige der Exponate können jedoch nicht bis zum 1. Juli ausgestellt werden, da sie durch eine länger andauernde Beleuchtung beschädigt werden könnten. Zu ihnen gehören die Urkunden aus dem Nationalarchiv sowie Albrecht Dürers Radierung "Große Kanone" oder die Zehn Bücher über Architektur - eine wertvolle Handschrift von Leon Battista Alberti. Alle diese Exponate müssen in vier bis sechs Wochen ausgetauscht oder durch Fotos ersetzt werden. In der Ausstellung werden auch einige Gegenstände aus dem St. Veit-Domschatz gezeigt, sagt die Kuratorin:
"Zu den wertvollsten Gegenständen gehören zweifelsohne die Reliquienbüsten des heiligen Wenzel, Veit und Adalbert. Diese Büsten schenkte König Vladislav dem Metropolitenkapitel bei St. Veit. Beachtenswert ist auch der Reliquienschrein in der Form der Hand des heiligen Wenzel."
Bohuslav Hasistejnsky war der Kuratorin zufolge ein großer Skeptiker. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er auf seiner Burg, weit vom Hofleben entfernt. Er war enttäuscht, da es ihm nicht gelang, eine solche gesellschaftliche Karriere zu machen, wie er sich gewünscht hätte. Die Ausstellung trägt den Untertitel "Dialog mit dem Tod", der von einem der Gedichte von Bohuslav Hasistejnsky stammt. Der letzte abschließende Teil der Ausstellung befasst sich mit dem Tod, nicht nur dem Tod von Bohuslav Hasistejnsky und seiner Verwandten, sondern damit, wie man am Ende des 15. Jahrhunderts den Tod wahrgenommen hat, sagt Ivana Kyzourova:
"Die Beziehung der Menschen zum Tod war näher und intensiver als heute. Die Menschen lebten mit dem Tod damals jeden Tag. Sie lasen Bücher, die sie darüber belehrten, wie sie sich während ihres Lebens benehmen sollen, um einen ruhigen Tod zu haben."
Bohuslav Hasistejnsky von Lobkovic im Alter von knapp 50 Jahren im Jahre 1510. Er wurde bei der St. Nikolauskirche im nordböhmischen Prisecnice / Preßnitz bestattet. Die Kirche wurde in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts abgerissen und einige Jahre später fiel die Gemeinde einer Talsperre zum Opfer. Das Grab des großen Humanisten ist damit für immer verloren.
Die Ausstellung über den namhaften Dichter der Jagiellonen-Zeit, Bohuslav Hasistejnsky von Lobkovic, ist in den Kaiserlichen Stallungen auf dem zweiten Burghof bis zum 1. Juli zu sehen.