Mit der Dreschflegel für den Glauben: Neue Ausstellung im Hussitenmuseum in Tábor (II)

Foto: Martina Schneibergová

Die Hussitenbewegung beeinflusste die Geschichte von ganz Mitteleuropa. In der Ausstellung „Hussiten“ wird der Einfluss der religiösen Reformbewegung vor allem auf die Nachbarländer dargestellt, erzählt Zdeněk Vybíral.

Zdeněk Vybíral
Er ist stellvertretender Leiter des Hussitenmuseums. Die neue Ausstellung stellte er mit einem Mitarbeiterteam zusammen.

„Die Hussiten zogen bei ihren Ritten oft über die Grenze des Königreichs Böhmen hinaus. Am meisten waren von den Hussitenritten die Grenzregionen betroffen wie die Lausitz, Sachsen, Franken oder Bayern. Für viele Gemeinden in diesen Regionen ist die Erinnerung an die Hussitenvisiten immer noch sehr lebendig. Bis heute werden in einigen der Gemeinden Volksfeste veranstaltet, bei denen Historien-Spiele vorgeführt werden. Die Darsteller sind Laien - Bewohner der Gemeinde, die eine Geschichte über den Kampf gegen die Hussiten aufführen.“

Hussitische Wagenburg | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International
Hussitische Kämpfer bewährten sich aber auch bei Schlachten, die sich weit entfernt von ihrem Lebensmittelpunkt abspielten. Kardinal Cesarini, der 1444 einen Kreuzzug gegen die Osmanen organisierte, war auch der Initiator des letzten Kreuzzugs gegen die Hussiten. Er konnte sich persönlich davon überzeugen, dass die böhmischen Kämpfer auf den Schlachtfeldern sehr mutig und erfolgreich waren, und darum hatte er sie gern in seine Dienste angeworben, vor allem für Kämpfe gegen die Türken auf dem Balkan. Am Kriegszug gegen die Türken bei Warna nahm eine Gruppe von Tschechen teil. Sie hatten dort auch die hussitische Wagenburg verwendet, hinter der sie sich versteckten. Aber alle tschechischen Kämpfer seien dort gefallen, sagt Vybíral.

Jan Žižka von Trocnov | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International
In der neuen Ausstellung über die Hussiten darf auch der bekannteste Heerführer der Hussiten, Jan Žižka z Trocnova, nicht fehlen. Warum war gerade er ein so erfolgreicher Krieger, woher schöpfte er seine Kenntnisse der Militärstrategie – diese Fragen können die Historiker bis heute nicht genau beantworten, erzählt Zdeněk Vybíral.

„Žižka stammte aus bescheidenen Verhältnissen – aus einer Landadelsfamilie. Es gab damals Hunderte von ähnlichen Landadeligen. Er hatte viele Erfahrungen in verschiedenen Kämpfen gesammelt. Zuerst diente er in Söldnertruppen, die von Adeligen gemietet wurden. 1410 kämpfte Žižka im Dienste des polnischen Königs Wladislaw Jagiello. Es gibt sogar Spekulationen darüber, dass er an den Kämpfen des Hundertjährigen Kriegs teilnahm. Dies sind aber eher Legenden. Žižka war ein erfahrener Krieger, ein Profi, würde man heutzutage sagen. Er beherrschte nicht nur die Waffen gut, sondern kannte sich eben auch in der Militärstrategie aus.“

Foto: Martina Schneibergová
Der spätere hussitische Heerführer soll auch auf dem Gemälde abgebildet sein, das die Schlacht bei Grunwald darstellt, in der der polnische König gegen den Deutschen Ritterorden kämpfte. Auf den beiden Seiten kämpften damals tschechische Söldner, was wenig bekannt ist. Den Legenden zufolge habe Žižka bei Grunwald gekämpft, aber historische Quellen bestätigen es nicht, sagt der Historiker.

„Wir bemühten uns, Žižka nicht nur als einen Heerführer vorzustellen, sondern auch als einen Menschen, der übliche Alltagssorgen hatte. Er war zweimal verheiratet und musste für seine Familie sorgen. Berühmt geworden ist Žižka erst in den letzten Jahren seines Lebens. Seine Person ist mit vielen Rätseln und Legenden verbunden. Beispielsweise die Frage, wo er wirklich begraben wurde, beschäftigt die Historiker Jahrzehnte lang. Ein Rätsel bleibt, woher Žižka die innere Kraft schöpfte, die ihn zu einer Autorität gemacht hatte, sodass er in den ersten Jahren der Hussitenbewegung zu deren bedeutendsten Persönlichkeit wurde. Schließlich sind viele Orte in Tschechien mit Legenden über den angeblichen Aufenthalt des Heerführers und seiner heldenhaften Tat umwoben.“

Schädel Žižkas  (Foto: Martina Schneibergová)
In der Ausstellung kann man nicht nur zahlreiche Portraits des populären hussitischen Heerführers besichtigen, sondern es ist dort auch dessen angeblicher Schädel ausgestellt. Dieser stamme aus dem Museum in Čáslav, sagt Vybíral:

„Meine Kollegen aus Čáslav meinen, dass sie wirklich die sterblichen Überreste Žižkas im Museum haben. Ich persönlich zweifele daran. Aber wahrscheinlich wird kein Beweis mehr gefunden, der es widerlegen oder bestätigen könnte, dass der Heerführer in der Dekanskirche in Čáslav bestattet wurde.“

Jan Hus
Im katholischen Europa wurden die Hussiten für Ketzer und Rebellen gehalten. Darum war das hussitische Böhmen vom Rest Europas einigermaßen isoliert. Diese Haltung habe sich, so der Historiker, erst am Anfang des 16. Jahrhunderts im Zusammenhang mit Martin Luthers Lehren geändert.

„Martin Luther hielt sich selbst für einen Nachfolger von Jan Hus. Deutsche Lutheraner hatten sehr intensive Kontakte zu den böhmischen Hussiten und fühlten sich als deren Glaubensbrüder. Die protestantischen deutschen Regionen setzten sich für die Hussiten ein und hatten sie auch ein wenig bewundert.“

Nach der Besichtigung der Ausstellung kann man sich in einem nachgestellten Sakralraum ausruhen und besinnen. Aus der kleinen Kapelle erklingen mittelalterliche Gesänge:

„Wir befinden uns in einer hussitischen Kapelle. Eine Kopie des Altars aus der Gemeinde Roudníky dominiert den kleinen Raum. Auf dem Altargemälde befindet sich eine der ältesten Darstellungen des Todes von Magister Jan Hus. Zudem kann man sich eine Kopie des Gebetbuches aus Leitmeritz anschauen, in dem sich eines der bekanntesten Bilder von Jan Hus befindet. Zu hören sind hier einige utraquistische Lieder, darunter auch der bekannte Choral Ktož sú boží bojovníci. In einem Faksimile des berühmten Gesangbuchs von Jistebnice kann man die ursprüngliche Fassung dieses Lieds sehen. Eines der Lieder, die das so genannte ´Kancionál´ von Jistebnice enthält, soll Jan Hus selbst geschrieben haben.“

Foto: Martina Schneibergová
Nach einer Pause für Besinnung und Nachdenken in der hussitischen Kapelle betritt der Besucher den Ausstellungssaal, dessen Thema die geschichtliche Rezeption des Hussitentums ist. Zdeněk Vybíral dazu:

„Wir bemühten uns die Folgen des Missbrauchs der Hussitenbewegung in der kommunistischen Ideologie zu zeigen. Die Rezeptionsforschungen wollten wir bis in die Gegenwart führen. Darum bereiteten wir hier einige Kostproben aus einigen Volksstücken vor, die bis heute in den deutschen Grenzregionen aufgeführt werden.“

Mehr über das Hussitenmuseum erfahren Sie unter www.husmuzeum.cz.

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