Der slowakische Filmemacher Dušan Hanák wird 70 Jahre alt

Dušan Hanák (Foto: ČTK)

Am Mittwoch stand im Prager Kino Ponrepo der Film „Ich liebe, du liebst“ auf dem Programm. Ein Werk des slowakischen Regisseurs und Drehbuchautors Dušan Hanák aus dem Jahre 1980. Am selben Tag wurde in der Galerie des Slowakischen Instituts in Prag eine Ausstellung eröffnet, in der sich der renommierte Filmemacher als Fotograph vorstellt. Beide Veranstaltungen haben einen besonderen Anlass: Am 27. April begeht Dušan Hanák seinen 70. Geburtstag.

Dušan Hanák  (Foto: ČTK)
Der Filmemacher Dušan Hanák gilt eigentlich als Film-Visionär. Das blieb auch so in der Zeit der so genannten „Normalisierung“, die mit dem Einmarsch der Sowjetpanzer im August 1968 Einzug ins Land hielt.

Doch bevor sich Hanák der Filmbranche zuwandte, arbeitete er zunächst als technischer Beamter und Bergarbeiter. Seinen Abschluss als Regisseur hat er 1965 an der Prager Filmakademie der musischen Künste, kurz FAMU, gemacht - beim legendären Regisseur des tschechischen Kinderfilms Bořivoj Zeman. An sein Studium hier in Prag erinnert sich Hanák sehr gern:

„Ich habe mein Studium im Fach ´Spielfilmregie´ an der famosen Filmakademie in Prag abgeschlossen. Damals, wie Sie wissen, war es eine Zeit der Liberalisierung in der Tschechoslowakei. Viele junge Filmemacher sehnten sich danach, das reale Leben zu reflektieren. Doch ein Bild der Wahrheit konnte man nicht am Schreibtisch kreieren.“

In welcher Hinsicht war damals die FAMU so hervorragend?

„Diese Hochschule hat wie jede andere gute Hochschule ihren Stundenten das selbständige Denken beigebracht. Außerdem hat sie ihnen ermöglicht, in jedem Studienjahr eigene Filmübungen oder Filmstreifen zu realisieren. Die besten von ihnen konnten sich bereits im zweiten dritten Studienjahr so etwas wie professionellen Mut aneignen. Die FAMU ist aber auch heute hervorragend. Sie ist eine moderne europäische Lehrstätte, so wie sie es bereits Ende der 60er Jahre war, als dort zum Beispiel die besten jugoslawischen Filmregisseure ihrer Generation studierten. Damals wie heute wurde diese Hochschule von hervorragenden Pädagogen und Fachleuten geleitet.“

Dušan Hanák  (Foto: ČTK)
War es also auch die Atmosphäre, die an der FAMU herrschte und Sie angesprochen hat?

„Es war für mich große Freude, nicht nur mit den Pädagogen zu kommunizieren, zum Beispiel mit meinem Professor und späteren Freund Ivo Pondělíček, oder mit Milan Kundera und anderen. Sehr bereichernd waren für mich auch der Gedankenaustausch und die Kontakte mit meinen Kommilitonen. Alle waren süchtig danach, Substantielles zu dem zu sagen, was um uns herum vorging. Offen gesagt, das vermisse ich manchmal besonders an slowakischen Filmen, aber das wird sich bestimmt irgendwann ändern.“

Dušan Hanák bekennt sich zu seiner lebenslangen Vorliebe, sich mit Menschen zu treffen, besonders mit solchen, die ihn durch ihre Erlebnisse und ihr Handeln angezogen haben. Bei seinen Begegnungen mit Menschen konnte er nämlich viel Material für seine Filme sammeln. Inspirationen fand er aber auch in der Literatur. Das war eben der Fall bei seinem ersten Spielfilm aus dem Jahr 1969 mit dem Titel „322“. Sein Drehbuch baute er auf der existentialistischen Erzählung von Ján Johanides auf „Quellen des Meeres ziehen den Taucher an“. Ihren Rahmen hat er aber erweitert. Die Hauptfigur ist ein Funktionär, der sich in den vom kommunistischen Regime stark geprägten 50er Jahre politisch engagiert hat.

„Ich denke, es war ein ziemlich gelungener Film. Er wurde - wie auch viele andere tschechoslowakische Filme - mit dem Grand Prix in Mannheim ausgezeichnet. Damals war es für uns Filmemacher mehr als ein ´Oscar´, denn auf dem Mannheimer Festival wurden die besten Streifen junger europäischer Filmemacher präsentiert.“

Es folgten weitere Streifen, denen unterschiedliche Inspirationen zugrunde lagen. Für den Film „Bilder der alten Welt“ waren es zum Beispiel Fotografien des slowakischen Künstlers Martin Martinček. Er lebte in der Gegend von Liptov und richtete sein Objektiv auf Menschen am Rande der Gesellschaft, die innerlich sehr starke und interessante Persönlichkeiten waren. Gerade diese Menschen haben auch Dušan Hanák immer angesprochen:

„Es waren zwar Menschen am Rande der Zivilisation, aber in der Zeit der Normalisierung hat mich ihr Verhalten fasziniert. Wie harmonisch sie waren und wie sie die Probleme lösen konnten, die viele von uns modernen Menschen nicht so einfach zu meistern wissen. Der Film blieb in der Tschechoslowakei 17 Jahre in einem Tresor verschlossen, wurde aber trotzdem weltweit gezeigt und hat eine ganze Reihe von Preisen erhalten.“

Sonden in die menschliche Seele – so kann man Hanáks Filme bezeichnen, wobei sein Hauptaugenmerk eben Menschen an der Peripherie der Gesellschaft gilt. Um sie besser kennen zu lernen, haben der Regisseur und sein Filmstab nicht davor zurückgeschreckt, sich direkt vor Ort mit dem Ambiente ihrer Helden vertraut zu machen. So war es zum Beispiel vor und während der Dreharbeiten zum Film „Rosige Träume“ (Ružové sny, 1976):

'Papierköpfe'
„Wir lebten in den dortigen Zigeunersiedlungen und waren auch in Kontakt mit Menschen in einem westslowakischen Dorf, die in den Film eine Art mährisch-slowakischen Humor eingebracht haben. Der Film spielt im slowakisch-mährischen Grenzgebiet. So ähnlich sind auch andere meiner Filme entstanden, wie zum Beispiel „Ich liebe, du liebst“, der leider auch im Tresor gelandet ist, für acht Jahre insgesamt. Danach wurde er in Westberlin mit einem Preis bedacht.“

Mit einem Silberbären für Regie nämlich. Das Schicksal eines Tresorfilms war eigentlich mehreren Streifen Dušan Hanáks beschieden, weil sie als ideologisch nicht akzeptabel eingestuft wurden. Seit 1990 wurde Hanáks Filmschaffen weltweit bei vielen Retrospektiven gezeigt und auch - sozusagen im Nachhinein – preisgekrönt. In den 90er Jahren wandte er sich im Film „Papierköpfe“ (Papierove hlavy) thematisch noch einmal der Periode des Kommunismus zu und produzierte eine gefühlvolle Collage über die Verletzung der Menschenrechte in totalitären Regimen.

Für eine kürzere Zeit ist Hanák in den 90er Jahren als Dozent an die Prager FAMU zurückgekehrt. Er fühlt sich bis heute tief in der tschechoslowakischen Kultur verwurzelt und seine Spielfilme kann man ohne weiteres als tschechoslowakisch bezeichnen. Nicht zuletzt auch in Bezug auf die Rollenbesetzung mit bekannten tschechischen Schauspielern. Diese Tradition ist jedoch, zumindest einseitig, unterbrochen worden. Während slowakische Schauspieler seit mehreren Jahren oft in tschechischen Spiel- und Fernsehfilmen zu sehen sind, gilt es umgekehrt so gut wie gar nicht. Anders als in Tschechien werden heutzutage in der Slowakei nur zwei drei Filme jährlich gedreht. Nach der aktuellen Situation in der slowakischen Kinematografie gefragt, sagte Hanák abschließend gegenüber Radio Prag:

Dušan Hanák  (Foto: ČTK)
„Die Teilung des tschechoslowakischen Staates hatte für uns im Kulturbereich, glaube ich, negative Folgen. Die Kinematographie sowie audiovisuelles Schaffen überhaupt haben in den letzten Jahren große Reserven, die ungenutzt bleiben. Das sage ich sehr rücksichtsvoll. Ich glaube, dass mit der Teilung im gewissen Sinne auch die Kontinuität der Kultur unterbrochen wurde.“

Vor ungefähr zwei Jahren ist in Tschechien ein Buch mit Drehbuchtexten zu drei bekannten Filmen von Dušan Hanák erschienen. Dieses Buch könnte die jungen Filmemacher, die am Anfang ihres Schaffens stehen, an die Kontinuität des Besten in der tschechoslowakischen Kultur erinnern, sagte uns einer der renommiertesten slowakischen Filmemacher.

Beim bevorstehenden Internationalen Filmfestival in Karlovy Vary / Karlsbad wird er für sein Lebenswerk mit einem Kristallglobus ausgezeichnet werden - als slowakischer und tschechoslowakischer Filmregisseur. Denn als solcher fühlt er sich bis heute.