Diag-Human-Streit: Kunst darf nicht als Geisel genommen werden

Bild von Emil Filla

Kunst darf nicht als Geisel genommen werden. Ein Bezirksgericht in Wien hat am Freitag der Berufung des tschechischen Staates stattgegeben und entschieden, dass die Exekution von drei tschechischen Kunstgegenständen nicht gültig ist, da diese eine Immunität des Kultureigentums genießen. Die Kunstwerke wurden im Mai im Rahmen eines langjährigen internationalen Rechtsstreits zwischen der Tschechischen Republik und Blutplasmafirma Diag Human konfisziert.

Bild von Emil Filla
Je ein Bild von Emil Filla und Vincenc Beneš sowie eine Plastik von Otto Gutfreund – das sind die Kunstgegenstände, die Ende Mai ein Wiener Gericht auf Antrag des Unternehmens Diag Human konfisziert hatte. Hintergrund ist ein Geschäft mit Blutplasma, das in den 90ern nicht zustande gekommen war. Später legte ein Schiedsgericht in Paris der Tschechischen Republik eine Milliardenstrafe in Kronen auf, die das Land allerdings nicht zahlte. Während Diag Human mit dem Urteil von 2008 den Rechtsstreit zu seinen Gunsten entschieden sieht, lehnt der tschechische Staat die Entschädigungszahlungen weiter ab. Seiner Ansicht nach dauert der Rechtsstreit an. Diag Human verlangt mehr als 10 Milliarden Kronen und will diese durch die Pfändung und anschließenden Verkauf von tschechischem Staatsbesitz einstreichen. Die gerichtliche Pfändung vom Mai in Wien, die der Anfang sein sollte, wurde allerdings nun aufgehoben. Der tschechische Kulturminister Jiří Besser:

Jiří Besser  (Foto: Kristýna Maková)
„Es ist eine tolle Nachricht. Wir müssen aber sehr vorsichtig sein. In jedem Land können die Gerichte anders an den Fall herangehen. Die Juristen, die den tschechischen Staat vertreten, raten weiterhin zu Vorsicht.“

Den Standpunkt des Ministers bestätigt auch der Experte für internationale Schiedsverfahren, Vladimír Balaš:

„Ob tschechisches Eigentum in anderen Staaten beschlagnahmt werden kann, darüber entscheiden die Gerichte in den jeweiligen Staaten. Und sie können die Sache unterschiedlich auslegen. Dennoch, sie werden mit großer Wahrscheinlichkeit genauso wie in Wien vorgehen.“

Vladimír Balaš
Vladimír Balaš erklärt, warum das Wiener Gericht nun der Berufung der Tschechischen Republik stattgegeben hat:

„Das Gericht gab der Argumentation der Tschechischen Republik recht, dass sich nicht jeder staatlicher Besitz konfiszieren lässt. Dazu gehören sicher Gegenstände aus Sammlungen, die von Wert für den betroffenen Staat sind, zum Beispiel etwa die Krönungskleinodien. Oder es sind Gegenstände, die von wissenschaftlicher, geschichtlicher und kultureller Bedeutung sind. Und auch weiteres Eigentum, das zur Herrschaftsausübung dient, darf nicht gepfändet werden. Des Weiteren gehört dazu Eigentum, das zu diplomatischen Zwecken dient.“

Nach der Konfiszierung der drei Kunstgegenstände in Wien hat Tschechien alle seine Kunstwerke, die sich im Ausland befanden, aber auch wertvolle Musikinstrumente, die an bedeutende tschechische Virtuosen verliehen waren, ins Land zurückgeholt. Als bedroht galt auch das Gebäude des Tschechischen Zentrums in Paris. Ist mit dem neuesten Gerichtsurteil von Wien die Gefahr gebannt? Fachmann Balaš:

„Das ist schwer zu sagen. Das Außenministerium hat eine Bestätigung seitens der französischen Regierung angestrebt, dass dieser Besitz eben den Zwecken einer Konsularmission der Tschechischen Republik diene. Man müsste individuell beurteilen, ob das Gebäude auch kommerziellen Zwecken dient. Die Räumlichkeiten und Archive der Konsularmission dürften zweifelsohne nicht betroffen sein, die Frage ist allerdings, welchen Status das ganze Gebäude hat.“

Wann die in Wien beschlagnahmten Werke nach Tschechien zurückkehren, ist noch nicht klar. Die Gegenseite hat noch die Möglichkeit, in Berufung zu gehen.