Die aufgelöste Technoparty in Westböhmen und das Internet als Plattform für parteinahe Rundfunksender

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Eigentlich sind ja die heißen Sommermonate Juli und August gerade für die Medien oft die schlimmste Zeit des Jahres. Auf Grund der Urlaubszeit scheinen sich nämlich nicht nur die Politiker in die Ferien begeben zu haben, sondern mit ihnen auch gleichzeitig die großen Probleme des Landes, die sonst das Jahr über die Seiten der Zeitungen füllen. Für diesen Sommer scheint nun aber die tschechische Medienzunft, was etwaige Themen angeht, ausgesorgt zu haben. Den Anlass dazu lieferte eine Technoparty unweit des westböhmischen Tachau/Tachov, die von der Polizei unter Einsatz von Spezialeinheiten auseinander getrieben wurde.

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In den Redaktionskommentaren wird das Vorgehen der Polizei fast ausschließlich kritisiert, wobei aber auch versucht wird, auf breitere Zusammenhänge zu verweisen.

So ging Martin Komarek in seinem Kommentar in der auflagenstarken Tageszeitung Mlada fronta Dnes insbesondere auf die Rolle von Tschechiens sozialdemokratischem Regierungschef Jiri Paroubek ein, der zufälligerweise in den Tagen rund um die Technoparty gerade hundert Tage im Amt war. Der Autor zog somit auch gleichzeitig eine erste Bilanz über Paroubeks bisheriger Regierungstätigkeit:

"Wäre es nicht zum Auseinanderjagen dieser massenhaften Tanzparty gekommen, wäre die bisherige Bilanz Paroubeks ein angenehmer Lesestoff gewesen. Nach seinem tragischen Vorgänger Stanislav Gross hat Paroubek den Sozialdemokraten in den Umfragen wieder bessere Zahlen und vor allem ein Mehr an Selbstvertrauen verschafft. Er hat niemanden von seinen Wählern verstoßen, hat versucht, alle zu umarmen und erhielt somit den Ruf eines dynamischen Machers. Doch der 97.Tag im Amt änderte alles und der Premier ist nun mit einer ersten großen Herausforderung konfrontiert. Die 97 Tage relativen Erfolgs sind vorbei, jetzt muss er zeigen, dass er mehr ist als nur ein Meister des Kompromisses. Erst jetzt wird sich zeigen, ob er ein wirkliches politisches Schwergewicht ist."

Petr Zidek hat sich in seinem Kommentar in der Tageszeitung Lidove noviny Gedanken über die öffentliche Resonanz gemacht, welche der Polizeieinsatz bei Tachau in der Bevölkerung hervorrief. Dabei fühlte er sich an die Atmosphäre der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts erinnert, wie er im Folgenden ausführte:

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"Oft wurden in diesen Tagen nach dem Polizeieinsatz gegen die Teilnehmer der Technoparty Vergleiche zum brutalen Vorgehen der kommunistischen Polizei während der friedlichen Studenten-Demonstrationen vom Herbst 1989 gezogen. Diese Parallele hinkt jedoch. Weitaus stärker eröffnet sich aber der Vergleich mit der ersten Hälfte der 30er Jahre, als die damalige Regierung eine so genannte autoritative Demokratie aufzubauen versuchte. Das damalige Vorgehen der Polizei gegen demonstrierende Arbeitslose rief eine ähnliche Reaktion hervor wie während der jüngsten Technoparty. Dennoch gibt es einen gravierenden Unterschied: Paroubeks und Bublans Extempore ist nämlich lediglich ein zynisches Vorwahlkalkül. In diesem Land gab es immer schon den Ruf nach der starken Hand und ebenso gab es immer schon eine Atmosphäre der Intoleranz gegenüber Menschen mit einem abweichenden Lebensstil. Durch seine skrupellose Haltung versuchte sich Paroubek eine politische Karte anzueignen, die bislang von der konservativen Rechten gespielt wurde."


Doch nun wollen wir Ihnen ein weiteres medienrelevantes Thema näher bringen, das in den vergangenen Tagen kaum oder nur wenig Beachtung fand. Die tschechische Rundfunklandschaft ist, wenn man das so bezeichnen darf, wieder um eine Station reicher geworden. Das wäre an sich nichts Ungewöhnliches, wenn deren Betreiberin nicht die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens (KSCM) wäre. Ermöglicht wurde das durch die Verabschiedung einer Gesetzesnovelle des Parteiengesetzes im Frühjahr dieses Jahres, wonach politische Parteien auch eigene Rundfunk- und Fernsehsender betreiben dürfen. Bislang war so etwas vom Gesetzgeber untersagt und eigentlich auch unvorstellbar. Schließlich hat es nach der Wende eine gewisse Zeit gedauert, bis die heimischen Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen sich zu unabhängigen Medien entwickelten und sich dadurch das Vertrauen des Publikums erwarben.

Seit Anfang Juli versorgt nun also das Radio Halo Futura, wie die kommunistische Station heißt, im Internet die Hörer mit ideologisch einwandfreien Nachrichten, spricht laut Eigendefinition Themen oder Fragen an, die ansonsten von den Main-Stream-Medien verschwiegen werden und bringt regelmäßig Interviews mit den Spitzen der kommunistischen Partei. Das alles wird mit patriotischen Liedern und Musik untermalt, die an die nicht allzu ferne Zeit des real existierenden Sozialismus erinnern.

Wird dieses Modell Schule machen? Werden nun auch die übrigen tschechischen Parteien versuchen, eigene Fernseh- oder Rundfunkstationen im Internet zu gründen? Das fragten wir den Publizisten und Science-Fiction-Autor Ondrej Neff, der zu den Internet-Pionieren in Tschechien gehört:

"Also, die Kommunisten geben schon jetzt als einzige Partei eine eigene Tageszeitung heraus. Das stellt sicherlich eine Rarität dar und ähnlich verläuft es auch mit der kürzlich gestarteten kommunistischen Rundfunkstation. Ich glaube aber nicht, dass das von jemandem nachgeahmt werden könnte. Ebenso glaube ich nicht, dass die Kommunisten mit ihrer Station die Geschichte des Landes auf den Kopf stellen könnten."

Foto: Lenka Zizkova
Das Internet ist im wahrsten Sinn des Wortes ein junges Medium, was vor allem auf das Alter der häufigsten Internet-Nutzer zutrifft. Die Wähler der Kommunisten rekrutieren sich aber bekannter weise eher aus gesellschaftlichern Gruppen - z.B. älteren Menschen -, welche dieses Medium nicht nutzen. Ist das nicht ein Widerspruch, oder wollen die Kommunisten dadurch gezielt jüngere potenzielle Wähler ansprechen?

"Ich meine, dass die Kommunisten dem treu geblieben sind, was sie schon immer getan haben, das heißt mit allen Mitteln die Köpfe der Menschen zu erreichen. Das Internet ist natürlich ein sehr flexibles Medium, was bedeutet, dass die Errichtung einer solchen Station keine allzu kostspielige Angelegenheit ist und auch die Reichweite ist universell. Wenn die Partei eine konventionelle Radiostation gegründet hätten, würde das riesengroße Investitionen erfordern, aber ein Internet-Radio kann, wenn ich jetzt ein wenig übertreibe, praktisch im Stehen hergestellt werden."

Generell sieht Ondrej Neff im Zusammenhang nicht nur mit diesem konkreten Projekt noch eine weitere wichtige Frage im Raum stehen, nämlich jene nach den technischen Möglichkeiten nicht nur der Betreiber, sondern vor allem der potentiellen Hörer von Radio-Stationen im Internet, wenn er abschließend meint:

"Man muss wissen, dass diese Form auch große technische Limits hat. Wenn Sie nämlich wirklich eine hohe Qualität beim Empfang haben wollen, dann müssen Sie Breitband-Internet haben, was in Tschechien immer noch viel zu viel kostet und ich würde nicht gerade sagen, dass die Anhänger der Kommunisten typische Breitband-Nutzer sind. Ich sehe darin also eher ein ergänzendes Instrument der kommunistischen Propaganda und ich glaube nicht, dass das irgendwelche große Konsequenzen haben könnte."