Die bösen Journalisten - zur Affäre um die Wohnung des Premiers. Waffenstillstand im Nahen Osten - neue Atomwaffen im fernen Osten.

Stanislav Gross (Foto: CTK)
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Liebe Hörerinnen und Hörer, in der nun folgenden Ausgabe unserer Rubrik "Im Spiegel der Medien" hat Oliver Engelhardt verschiedene Themen für Sie ausgewählt, die in den tschechischen Medien momentan behandelt werden. Das Größte davon ist die Affäre um die ungeklärte Finanzierung der Privatwohnung von Premierminister Stanislav Gross.

Stanislav Gross  (Foto: CTK)
Die Wohnungsaffäre - so könnte man wohl ganz knapp das bezeichnen, was die tschechischen Politiker und mit ihnen die Medien in den letzten Tagen so intensiv beschäftigt, wie schon lange kein anderes Thema mehr. Obgleich Radio Prag bereits mehrfach von der Causa berichtet hat, noch einmal kurz worum es geht: Vor fünf Jahren, also lange bevor er Premierminister der Tschechischen Republik wurde, hat Stanislav Gross im Prager Stadtteil Barrandov eine Wohnung gekauft. 4,2 Millionen Kronen, also etwa 140 000 Euro hat sie gekostet. Das ist auch für tschechische Verhältnisse kein geringer Betrag und die Frage, um die sich die ganze Affäre momentan dreht ist schlicht: woher hatte er das Geld dazu? Alles Weitere sind Geschichten wie aus einem Märchenbuch, und sie werden immer obskurer: ein reicher Onkel, der in Wirklichkeit nichts besitzt, ein Journalist, der längst keiner mehr ist, ein politischer Gönner, der eher politischer Gegner ist. Und auch die Medien spielen ihre Rolle. Hören Sie dazu einen Ausschnitt aus der Tageszeitung Lidové noviny:

"Stanislav Gross ist gestern ein hervorragender Zug gelungen. Man hatte erwartet, dass ihn die oppositionelle ODS zwingen wird, vor dem ganzen Abgeordnetenhaus zu erklären, wie er das Geld für seinen Wohnungskauf bekommen hat. Der Premierminister kam dem zuvor und statt die ganze Affäre zu erklären, begann er sich zu beschweren, wie böse doch die Journalisten sind, die eine gezielte Kampagne gegen ihn führen und nicht die Wahrheit schreiben. Offensichtlich weiß Gross nicht, dass die Wahrheit zuvorderst er selbst sagen muss. Die Medien stellen einstweilen nur die Fragen, auf die er keine Antworten gibt. Als I-Tüpfelchen der Peinlichkeit drohte Gross den Zeitungen, die auf den zweifelhaften Wohnungskauf aufmerksam gemacht haben, mit einer Klage."

Stanislav Gross  (Foto: CTK)
In der genannten Parlamentssitzung trat dann auch Kulturminister Pavel Dostál auf und dachte laut über eine Verschärfung des Mediengesetzes nach. Auch wenn die Drohung des Regierungschefs vor allem gegen die Tageszeitung Mladá fronta DNES und die Wochenzeitung RESPEKT gerichtet war, wurden hier auch andere aufmerksam. Die Wirtschaftszeitung Hospodárske noviny reagierte am Mittwoch darauf so:

"Der Grund, warum der Premierminister der Tschechischen Republik gestern vor dem Mikrofon des Abgeordnetenhauses stand und erklärte, wie er den Kauf seiner Wohnung finanziert hat, ist keine 'Kampagne' der Medien. Es ist die eigene Unfähigkeit des Stanislav Gross, rechtzeitig und in einem Aufwasch vollständige, verlässliche und widerspruchsfreie Erklärungen zu liefern ohne Sarkasmus, Windungen und 'Wahrheiten', die sich bei genauerem Hinsehen bestenfalls als unvollständig herausstellen. Gross hat gestern versucht, den Spieß umzudrehen. Wenn er aber - und das betrifft nicht nur Gross selbst - den Verdacht, dass ein Spitzenpolitiker über nicht geringe Finanzmittel unbekannter Herkunft verfügt, für eine Spitzfindigkeit böser Journalisten hält, dann können wir hier gleich dicht machen und uns Richtung Weißrussland bewegen."

Wie die Fakten bezüglich der Wohnung nun richtig liegen, konnte auch eine parlamentarische Fragestunde im tschechischen Abgeordnetenhaus am Donnerstag nicht klären. Mehr zu Affäre um die Finanzierung der Wohnung von Stanislav Gross hören Sie auch am Sonntag in unserer Sendereihe 'Schauplatz'.


Am Dienstag traf sich im ägyptischen Scharm el Scheich der israelische Präsident Ariel Scharon mit dem einen Monat zuvor neu gewählten Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas. Das Treffen galt als Hoffnungszeichen für den Nahen Osten und das Bild vom Handschlag der beiden Schlüsselfiguren in dem Konflikt ging um die Welt. Das sechste Programm des tschechischen Rundfunks kommentierte das Treffen am Folgetag so:

Mahmúd Abbás  (rechts) und Ariel Scharon  (Foto: CTK)
"Wie auch immer das historische Treffen und sein Ergebnis wirken mag, es ging nur um einen ersten formalen und ausschließlich zeremoniellen Schritt zur Wiederaufnahme der gemeinsamen Verhandlungen. Die Begegnung von Scharon und Abbas verlief angeblich in einer hervorragenden Atmosphäre. Zu den weiteren guten Nachrichten des Gipfeltreffens gehört die Einladung Scharons an Mubarak und König Abdullah nach Israel, die beide angenommen und versprochen haben sollen, ihre Botschafter wieder nach Israel zu schicken, die sie vor zweieinhalb Jahren aus Protest gegen die Militäraktionen Israels abgezogen hatten. Das klingt alles sehr schön, aber die Realität ist nicht so rosig. Die Erklärungen spielten sich rein verbal ab und Abbas und Scharon haben kein offizielles Dokument über einen Waffenstillstand unterschrieben. Abbas' Gewaltverzicht heißt bei weitem nicht, dass sich die Terroristen über Nacht in Friedensstifter verwandeln. Die Reaktionen der israelischen Medien lassen sich in einem Satz zusammenfassen: 'Das haben wir alles schon viel zu oft gehört". Die heutige Situation ist in einem Punkt allerdings doch ganz anders: den Palästinensern sitzt nicht mehr der Meister des Umgehens und Brechens von Versprechen, Jassir Arafat, im Nacken. Und beide Seiten haben tausende überflüssige Opfer der Intifada zu beklagen."

Verständlich ist, dass das Treffen zwar einen hohen symbolischen Wert hatte, aber im Großen und Ganzen doch auf viel Misstrauen stieß. Viel zu oft hat es in der Vergangenheit ähnliche symbolische und vielleicht noch weit hoffnungsvollere, weil verbindlichere Verabredungen gegeben. Ein Frieden im nahen Osten ist daraus nicht erwachsen. Das Neue an der jetzigen Situation ist vor allem der neue Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Dazu ein Artikel aus der Freitagsausgabe der Mladá fronta DNES:

"Man sagt, dass jetzt doch etwas anders ist. Arafat ist gestorben. Aber dass könnte ein Trugschluss sein, denn der Arafatismus lebt weiter. Die Menschen haben ihn in ihren Köpfen und Herzen, sie kennen eigentlich nichts anderes. Sie sind in ihm geboren und in ihm aufgewachsen. Abbas verspricht für die Palästinenser Waffenstillstand, aber er spricht nur für diejenigen, die ohnehin keine Sprengsätze zünden. Aber die Bombenbauer von Hamas, dem Islamischen Dschihad und die Selbstmordattentäter der Al-Aksa-Brigaden erreicht er nicht. Er ist nicht ganz ihr Präsident. Das erste Hindernis für Abbas auf dem Weg zum Frieden mit Israel sind die Palästinenser. Er muss das Gestrüpp des Arafatismus ausmisten. Der Arafatismus, das sind auch das unendliche Warten in Flüchtlingslagern und ein provisorisches Leben ohne sichtbare Versuche, eine neue Existenz aufzubauen. Jetzt bewegt sich tatsächlich etwas. Glauben wir an das Beste, aber seien wir auf das Schlimmste vorbereitet."


Satellitenaufnahme einer Atomanlage in Nordkorea  (Foto: CTK)
Bleiben wir noch einen Moment bei Ereignissen des Weltgeschehens, die ihren Niederschlag in den tschechischen Medien gefunden haben. Am Donnerstag hat Nordkorea der Weltöffentlichkeit erklärt, dass es im Besitz von Atomwaffen ist. Überraschend war nicht so sehr der Inhalt dieser Nachricht, sondern eher ihr Zeitpunkt, rechnete man doch seit Monaten mit dieser Möglichkeit. Dennoch sieht die Welt nun etwas anders aus und besonders die Großmächte China und die USA sind dadurch in eine schwierige Lage gekommen. Die in weltpolitischen Fragen sensible Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny schreibt am Freitag:

"Erpressung oder echte Drohung? Kann man dem kommunistischen Nordkorea glauben, wenn es das proklamiert, wessen es seit geraumer Zeit verdächtigt wird - dass es eigene Atomwaffen besitzt. Oder ist es nur die Erhöhung des Einsatzes vor der erwarteten nächsten Runde von Verhandlungen. Viele Verdächtigungen und wenig Sicherheiten, das ist der Gesamteindruck des gestrigen nordkoreanischen Schachzuges. Fest steht, dass das hermetisch abgeschlossene kommunistische Regime Nuklearreaktoren und die Vorrichtungen zur Plutoniumanreicherung besitzt, dessen Kapazität zur Herstellung einiger Atombomben genügen könnte. Eine völlige Sicherheit gibt es nicht und kann es auch in der nächsten Zeit nicht geben, da ausländische Inspektoren in das Land nicht einreisen können und zu den geheimsten Anlagen keinen Zutritt haben. Auch wenn mit Nordkorea nun auch China seine Sorgen hat, im Atompoker sind nun die USA am Zug. In Washington muss überlegt werden, wie viel Zucker und wie viel Peitsche nötig ist, um den unberechenbaren Gegenspieler wieder an den Verhandlungstisch zu bekommen."