Die Frage der Identität – Auslandstschechen beraten bei Konferenz in Prag

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag

Wer lange im Ausland lebt, wird sich irgendwann vielleicht die Frage stellen: Als was fühle ich mich nun? Bin ich zum Beispiel Deutscher, oder bin ich Tscheche? Über dieses Problem der Identität debattieren in diesen Tagen tschechische Exulanten bei einer Konferenz in Prag.

Milena Štráfeldová  (links). Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Sie kommen aus Schweden, aus Kroatien oder etwa aus der Schweiz. Bereits zum neunten Mal treffen sich die sogenannten Auslandstschechen. Milena Štráfeldová aus der tschechischen Redaktion von Radio Prag hat die Konferenz mitorganisiert:

„Zur Konferenz in diesem Jahr sind mehr als einhundert Tschechen aus dem Ausland gekommen, die meisten aus Europa. Aber auch Auslandstschechen aus Australien sind dabei. Meiner Schätzung nach sind mehr als zehn Länder vertreten.“

Georg Kraus ist aus der Schweiz angereist. 1969 emigrierte er aus der damaligen Tschechoslowakei – damals schon als Vater zweier schulpflichtiger Söhne. Das war nach der Niederschlagung des Prager Frühlings durch die Truppen des Warschauer Paktes.

Karel Pokorný  (Foto: Barbora Kmentová)
„Ich fühle mich natürlich zuerst als Tscheche, aber auch als Schweizer. Einige Leute sagen, sie seien Tschechen und die Schweizer würden sie nicht interessieren. Das halte ich nicht für richtig. Die Schweizer haben für uns sehr viel gemacht, besonders in den Jahren 1968 und 1969“, so Georg Kraus.

Auch Karel Pokorný ist damals „vor den russischen Panzern abgehauen“. Er bestätigt, dass man als Exiltscheche eigentlich zwei Identitäten habe. Allerdings differenziert er:

„Welche Identität stärker ist, ist sehr individuell. Es gibt Tschechen, die kaum deutsche Nachrichten hören. Und es gibt Leute, die schon fast total integriert sind.“

Gänzlich verlieren allerdings würde praktisch niemand sein Tschechischsein. Zumindest nicht in Deutschland und schon gar nicht in Bayern, von wo aus man problemlos immer wieder in seine ursprünglich Heimat fahren könne. Oder wie Karel Pokorný sagt:

Konferenz  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
„München ist heute praktisch ein Vorort von Prag und umgekehrt.“

In vielen Ländern haben sich die Tschechen selbst organisiert, um ihre Kultur und Sprache zu pflegen. In der Schweiz etwa besteht ein gemeinsamer Verband von Tschechen und Slowaken. Dem sind zehn bis zwölf Vereine angeschlossen, die größten sind die Beseda Svatopluka Čecha in Wiezikon im Thurgau und die Beseda Slovan in Genf. Und es bestehen auch Vereine für den Nachwuchs. Deswegen bleibe bei einigen die tschechische Herkunft der Familie auch in zweiter und dritter Generation in Erinnerung. Georg Kraus:

„Sie fühlen sich als Schweizer, vergessen aber nicht, dass sie auch Tschechen sind.“

Allerdings: Wie überall kämpfen auch in der Schweiz die tschechischen Vereine damit, dass ihre Mitglieder immer älter werden. Dieser Umstand ist auch augenfällig bei der Konferenz in Prag, die noch bis Freitag dauert.