Die Kino-Oma: Das Kino Lucerna feiert seinen 100.

Photo: Štěpánka Budková

Nicht nur der ehemalige Präsident Václav Havel ist eine wichtige Figur in der tschechischen Geschichte. Auch seinem Vater und Großvater hat Tschechien viel zu verdanken. Der Großvater zum Beispiel ist Bauherr des Komplexes Lucerna gleich am Prager Wenzelsplatz, zu dem auch ein Kino gehörte. Eines der ersten Kinos in Europa überhaupt. Am 3. Dezember hat es seinen 100. Geburtstag gefeiert. Iris Riedel berichtet.

Foto: Štěpánka Budková
„Sehr geehrter Herr! Im Theatersaal meines neuen Hauses ‚Lucerna’ wird am Freitag, den 3. Dezember 1909 um acht Uhr abends die Eröffnungsvorstellung des kinematografischen Betriebs stattfinden.“

Dieser Satz ist der Anfang einer Einladung, mit der Václav Havel, der Großvater des ehemaligen Präsidenten, seine Gäste zur ersten Filmprojektion in das neue Kino Lucerna, zu Deutsch Laterne, einlud. Das Kino in der Prager Innenstadt war Teil eines riesigen Komplexes, der damals seinesgleichen suchte. Das Jugendstilgebäude war nämlich der erste Eisenbetonbau Prags. Wie alles begann, erzählt Dagmar Havlová, Miteigentümerin der Lucerna und Schwägerin Václav Havel juniors:

„Großvater Václav Havel war Architekt und Bauunternehmer Ende des letzten Jahrhunderts. Am Ende seiner beruflichen Laufbahn wollte er noch etwas Bedeutendes bauen. Er dachte an ein Kaufhaus in einer Großstadt. Für ihn waren also Kaufhäuser in Europa schon im Kommen.“

Realisiert wurde nicht nur ein Kaufhaus, sondern im selben Gebäude auch Wohnungen und eben ein Kino. Und das Kino Lucerna ist das erste ständige Kino in Tschechien. Das heißt, es war zwar nicht das erste Kino auf tschechischem Boden, aber das einzige von den allerersten, das bis heute überlebt hat. Konzipiert war es als Theatersaal, wo experimentelle Vorstellungen des Nationaltheaters ihr Zuhause bekommen sollten. Tatsächlich fand aber nur eine solche Vorstellung in diesem Raum statt. Später wurde der festliche Saal zu einem richtigen Kinosaal umgebaut, wobei viel der ursprünglichen Substanz verloren ging. Der letzte – kleinere - Umbau fand 2008 statt. Dazu der Leiter des Kinos Bedřich Němec:

„Wir haben die Kinosessel ausgetauscht. Jetzt sind hier 450 Plätze vorhanden. Früher sollen hier 1000 Menschen Platz gefunden haben. Uns ist ein Rätsel, wie hier so viele Menschen reingepasst haben sollen.“

Auch wenn das Kino diese Besucherzahlen aus seinen Anfängen nicht mehr erreicht, am Donnerstag anlässlich der Geburtstagsvorstellung war das Kino voll besetzt, nicht zuletzt weil der Eintritt frei war. Gezeigt wurden der diesjährige Verkaufsschlager „Mamma Mia!“ und der biographische Film „Edith Piaf“, der zum Teil in dem Jugendstilsaal gedreht wurde. Insgesamt werden 10 speziell ausgewählte Filme zum Jubiläum gezeigt. Bedřich Němec:

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„Wir sind 100 Jahre alt, das heißt 10 Dekaden. Das Filmarchiv hat uns deshalb geholfen, zu jeder Dekade einen Film herauszusuchen, der in irgendeiner Weise mit dem Kino Lucerna verbunden ist. Sei es dass er hier seine feierliche Premiere erlebt hat oder ein Teil des Filmes hier gedreht wurde. Oder er wurde von der Gesellschaft Lucerna-Film produziert, die auch dem Eigentümer der Lucerna gehörte.“

Das Kino Lucerna kann 2009 noch mit einem zweiten runden Jubiläum aufwarten. 1929, also genau vor 80 Jahren, zeigte das Kino Lucerna das erste Mal einen Tonfilm.