"Die Kraft der Bilder und die Angst des Regimes"

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Der deutsche Fotograf Jürgen Ritter hat ein einmaliges Fotoarchiv über die deutsch-deutsche Grenze zusammengestellt, nun präsentiert er seine Arbeit zum erstmals in Prag. Bara Prochazkova für Sie die Ausstellung "Die Kraft der Bilder und die Angst des Regimes" in der Galerie Millennium besucht und mit dem Fotografen über sein Lebenswerk gesprochen.

Seit 1979 fährt Jürgen Ritter mit seiner Kamera an der mittlerweile ehemaligen deutsch-deutschen Grenze entlang. Bis heute sind rund 40.000 Bilder entstanden, die dieses besondere Bauwerk dokumentieren. Der Fotograf aus Niedersachsen beschäftigte sich schon früh mit der deutschen Geschichte, vor allem mit der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Die Nachrichten über tausende Mauertote erinnerten ihn an Bilder aus Auschwitz. Ritter hat sich entschieden, mit dem Medium Fotografie die Irrsinnigkeit dieser Grenze aufzuzeigen:

"Ich bin dann auf die Idee gekommen, einfach zu versuchen, andere Bilder von der Grenze zu machen. Ich wollte keine üblichen Bilder machen, sondern bin zum Beispiel in die Froschperspektive gegangen, fotografierte von unten oder versuchte, das Motiv heranzuholen. Ich habe auch versucht, an der Grenze schöne Aufnahmen zu machen. Aufnahmen, die fast in die Richtung Kunst gehen. Ich wollte bewusst die Leute mit einem schönen Bild anlocken, damit sie dann sagen `Mensch, das stimmt doch irgendwas nicht`. Ich wollte sie also zum Nachdenken zwingen. So eine Art Doppeldeutigkeit kommt fast in allen Bildern vor."

In den 80er Jahren wurde Ritter darauf aufmerksam gemacht, wie gefährlich seine Tätigkeit sein kann. Von der Stasi beschattet, brachte der Fotograf eine Fülle von Informationen und Fakten über die besondere Grenze. Immer wieder fotografiert er Kirchen - und das ganz bewusst. Wer lässt es zu, dass man nicht in eine Kirche gehen kann, die man sieht, fragte sich Ritter und ging weiter an der 1393 Kilometer langen Grenze und fotografierte:

"Für mich ist die Hauptaussage die Angst, dass die Menschen, die Freiheit überhaupt noch nicht begriffen haben, die wir gewonnen haben oder die wir haben."

Jürgen Ritter möchte mit seiner Arbeit, die deutsche Trennung für die nachfolgenden Generationen aufarbeiten, auch für Menschen in Tschechien. Denn die Ereignisse von 1989 in der Prager Botschaft der Bundesrepublik stellen für ihn wichtiges Kapitel in der deutsch-deutschen Geschichte dar. In der tschechischen Hauptstadt stellt Jürgen Ritter deshalb besonders gerne aus:

"Für mich ist es eine besondere Ehre, in Prag zu sein. Gerade weil die Stadt ein großer historischer Ort ist. Gerade in Prag, wenn man zum Beispiel an den Wenzelsplatz denkt, ist viel passiert. Und das nicht nur wegen der Botschaft, sondern auch weil das tschechische und damals das tschechoslowakische Volk ein ganz tolles Empfinden für Freiheit hat."