Die letzten Zisterzienser in Böhmen: Kloster Vyšší Brod

Kloster Vyšší Brod

 Das Kloster in Vyšší Brod / Hohenfurth sei eine Perle, die von der Moldau angeschwemmt wurde. So beschreibt Justýn Berka, der Prior der letzten männlichen Zisterzienser-Gemeinschaft in Tschechien, das Stift. Es liegt am Moldau-Ufer zu Füßen des Böhmerwaldes, nahe der Grenze zu Deutschland und zu Österreich.

Eingangstor  (Foto: Vít Pohanka)

Das Kloster wurde im 13. Jahrhundert gegründet und ist seitdem eines der geistlichen und kulturellen Zentren in Südböhmen. 1259 lud der böhmische Oberstmarschall Wok von Rosenberg die Mönche des Zisterzienserordens nach Südböhmen ein. Warum sich der Adlige entschied, gerade in Hohenfurth ein Kloster zu gründen, dazu bestehen mindestens zwei Legenden. Der einen zufolge war Wok von Rosenberg dankbar dafür, dass er von einem misslungenen Einfall der böhmischen Truppen in Bayern gesund zurückgekehrt war. Einer anderen Historie nach soll der Oberstmarschall in der Nähe von Hohenfurth beinahe in der Moldau ertrunken sein. Und als er in den stürmischen Fluten um sein Leben kämpfte, soll er Gott versprochen haben, ein Kloster an eben diesem Ort zu stiften.

Mit Quellen belegen lässt sich aber nur die Tatsache, dass es tatsächlich Wok von Rosenberg war, der die Patres nach Südböhmen einlud. Die Zisterzienser waren für ihren Arbeitseifer bekannt. Ihre Klöster gründeten sie in dünn besiedelten Gegenden und beteiligten sich maßgeblich an der Erschließung des Landes und der wirtschaftlichen Entwicklung.

Bete und arbeite

Justýn Berka  (Foto: Vít Pohanka)

Seit je her leben die Zisterzienser nach der Regel des heiligen Benedikt und dem Motto „ora et labora“, also „bete und arbeite“. Diese Tradition werde auch in Hohenfurth gepflegt, sagt sein Prior Justýn Berka. Er hat gegenüber Radio Prag International den Arbeitstag der Mönche beschrieben:

„Wir stehen um viertel nach drei auf und gehen in die Kirche. Dort bleiben wir bei Gebet, Andacht und der heiligen Messe bis etwa acht Uhr. Danach folgen das Studium der Heiligen Schrift und die Arbeit. Wenn es keine Arbeit gibt, studieren wir – Latein, Kirchengeschichte und Psalmenauslegung. Es gibt den Unterricht oder eine Chorprobe. Um zwölf Uhr versammeln wir uns zu weiteren Gebeten. Wir singen Psalmen in der Kirche, und danach essen wir. Anschließend spülen wir Geschirr ab, danach kommt die Siesta. Diese Stunde ist sehr wichtig, weil die Brüder ja früh aufgestanden sind. Um halb drei gibt es weitere Gebete, sie dauern eine Viertelstunde. Dann arbeiten wir bis fünf, es folgen das Lesen geistlicher Literatur, die Vesper, weitere Gebete und die Schlussandacht, also die Komplet. Um halb acht beten wir und singen vor der Madonna von Hohenfurth Salve Regina, damit wird der Tag abgeschlossen. Es beginnt eine strenge Silentio. Niemand darf sprechen, es muss tatsächlich Stille herrschen. So läuft es jeden Tag. Am Sonntag gibt es mehr Gebete, weil man nicht arbeitet.“

Fresko im Kloster Vyšší Brod  (Foto: Vít Pohanka)

Die Arbeit ist unter den Mönchen aufgeteilt:

„Jeder hat seine Aufgabe. Einige Brüder kümmern sich um die Bibliothek, wir erstellen gerade einen Katalog. Andere arbeiten im Garten, wir haben auch ein großes Treibhaus. Zudem züchten wir Bienen für den Honig. Jeder hat etwas.“

Bibliothek  (Foto: Romana Kostohryzová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Im Winter werde viel in der Bibliothek gearbeitet, sagt Berka:

„Dort stehen 70.000 Bände. Früher wurden in den Klöstern im Winter die Bücher und die Handschriften umgeschrieben. Wir knüpfen daran an und überprüfen, in welchen Zustand sich die Bücher befinden und digitalisieren unsere Bibliothek. Wir haben schon alle Urkunden digitalisiert, etwa 2000 Schriften, einschließlich der Gründungsurkunde. Sie sind im Internet unter www.monasterium.net frei zugänglich, so dass Forscher nicht mehr hierher kommen müssen. Wir wollen schrittweise auch die Handschriften digitalisieren, es gibt hier eine große Menge davon.“

Bibliothek mit 70.000 Bänden

Kanal aus dem 13. Jahrhundert  (Foto: Matěj Vodička,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Der Prior nennt aber auch andere Bereiche, in denen die Brüder tätig sind:

„Wir haben ein Kraftwerk mit zwei Turbinen gebaut. Es steht hier hinter uns, am Bach Vltavice. Der Kanal aus dem 13. Jahrhundert war das Erste, das wir nach der Revolution vom Staat zurückbekommen haben. Dann haben wir das Wasserrecht erworben, zwei Turbinen eingesetzt, und nun verkaufen wir Strom. Ein Bruder ist also für das Kraftwerk verantwortlich.“

Justýn Berka ist schon lange bei den Zisterziensern in dem Kloster:

„Ich komme aus Kadaň / Kaaden in Nordböhmen. Dort bin ich aufgewachsen. Gleich nach dem Sturz des Kommunismus bin ich hier in Hohenfurth Mönch geworden. Das war in den 1990er Jahren. Selbstverständlich habe ich im Ausland Theologie und Philosophie studiert. Im Zisterzienserkloster Heiligenkreuz bei Wien habe ich mich auf die Formation vorbereitet und war dort im Noviziat. Derzeit bin ich Prior conventualis, denn wir haben keinen Abt. Dafür müsste es zwölf Brüder in unserer Gemeinschaft geben, wie zwölf Apostel. Ich habe alle Pflichten wie ein Abt, darf aber die Mitra und den Krummstab nicht tragen. Zudem kümmere ich mich um die Formation der Brüder sowie um die materiellen Sachen.“

Justýn Berka  (Foto: Romana Kostohryzová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)

1987 trat Justýn Berka bereits dem Orden bei. Das war noch zu kommunistischen Zeiten und geschah deswegen geheim:

„Es lag bereits in der Luft, dass etwas passieren wird. Wir haben alles geheim gehalten, uns nur ab und zu getroffen. Ich habe mich aber zu dem Schritt von Gott berufen gefühlt. Ich war früher auf einer technischen Schule. Dann habe ich als Brandschutztechniker und Pfleger im Altenheim zum heiligen Thomas in Prag gearbeitet. Die Pfleger dort waren alle geheime Ordensbrüder. Und in dem Heim habe ich auch den Sturz des Kommunismus im Jahr 1989 erlebt.“

SS-Einheiten und sozialistische Grenztruppen

Kirche Mariä Himmelfahrt im Kloster Vyšší Brod  (Foto: Vít Pohanka)

Im Unterschied zur überwiegenden Mehrheit der Stifte in den böhmischen Ländern wurde jenes in Hohenfurth nicht Ende des 18. Jahrhunderts von Kaiser Joseph II. aufgelöst. Wie der Prior mit einem Lächeln erläutert, verdanke man dies der schlechten Wirtschaftsführung seiner Vorgänger. Das Kloster war damals verschuldet. Und wäre es aufgelöst worden, hätte der Staat alle Schulden auf sich nehmen müssen.

Eine bewegte Zeit erlebte das Kloster im 20. Jahrhundert. Nachdem die deutschen Nationalsozialisten die Grenzgebiete und später die ganze Tschechoslowakei besetzt hatten, wurden alle Mönche in Konzentrationslager geschickt. Eine Eliteneinheit der SS zog in das Kloster ein. Die Gebäude wurden als Lagerräume für Kunststücke genutzt, die vor allem jüdischen Familien in ganz Europa geraubt worden waren.

Altar in der Kirche Mariä Himmelfahrt  (Foto: Vít Pohanka)

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte eine Handvoll der überlebenden Mönche zurück und begann damit, das Kloster zu erneuern. Fünf Jahre später folgte aber die nächste Deportation, nun wurden die Brüder in kommunistische Lager verschleppt. Und im Kloster quartierten sich die Grenztruppen der tschechoslowakischen Armee ein. Dass das Areal diese Zeit überdauert hat, ist laut Justýn Berka der wertvollen Madonna von Hohenfurth zu verdanken:

„Die Soldaten wohnten hier überall, es war eine Kaserne. Als wir vor dreißig Jahren hierher zurückkamen, war alles verwüstet. Aber in die Kirche und in die Bibliothek hatten sie nicht hinein gedurft. Dort richtete man nach einiger Zeit ein Museum ein. Ich kann mich daran erinnern, wie ich es 1978 besucht habe. Wir gingen während der Besichtigungsrunde durch die Kirche, und die Besucher fragten: ‚Und wo sind die Mönche?‘ Die Begleiterin antwortete, alle hätten geheiratet. In der Kirche blieb aber alles, wie es früher gewesen war, die Gebetstafeln, die Leuchter… Man hatte das Gefühl, als würden die Brüder jeden Moment zurückkommen. Es war ein Wunder. Die Kirche war sanierungsbedürftig, Regenwasser lief hinein. Erst seit fünf Jahren ist das Dach und das Innere vollständig instand gesetzt. Auch der Hauptaltar wurde restauriert.“

Zehn Mönche

Foto: Vít Pohanka

Heute leben zehn Brüder im Hohenfurther Kloster. Für die Gründung einer Abtei ist das zu wenig, dafür sind – wie erwähnt – zwölf Mönche nötig. Doch die hier Lebenden wollen keinesfalls etwa in ein größeres Stift des Ordens umziehen:

„Die Botschaft unseres Ordens ist, etwas zu erneuern, was von anderen zerstört wurde. Auch im Dreißigjährigen Krieg waren hier nur ein paar Mönche, fast alle sind umgekommen. Und nach dem Zweiten Weltkrieg war die Gemeinschaft ebenfalls dezimiert. Oder die Unsicherheit zur Regierungszeit Josephs II., als in der Umgebung ein Kloster nach dem anderen aufgelöst wurde. Wir glauben, dass es Sinn hat weiterzumachen, weil wir beten und arbeiten. Das ist das Ideal, für das unser Kloster gegründet wurde und zu dem Gott die Mönche mittels der Familie Rosenberg hierher berufen hat. Es hat Sinn und eine überirdische Dimension.“

Hl. Peter  (Foto: Vít Pohanka)

Außerdem verweist der Prior auf eine besondere Verpflichtung der Zisterzienser:

„Allgemein legen alle Ordensbrüder drei Ordensgelübde ab: das der Ehelosigkeit, der Armut und des Gehorsams. Wir Zisterzienser haben noch ein weiteres Gelübde: stabilitas loci. Bei der Profess habe ich gelobt, dass ich an diesem Ort und mit dieser Gemeinschaft für Gottes Ehre und Ruhm arbeiten und hier auch sterben werde. Wegen dieses vierten Gelübdes werde ich an diesem konkreten Ort, in Hohenfurth, weiter Gott und den Brüdern dienen, deswegen hat es Sinn.“


Das Kloster ist das ganze Jahr über für Besucher offen. Man kann dort an Gottesdiensten teilnehmen und die gotische Kirche, den Kreuzgang, den Kapitelsaal, die Barockbibliothek sowie eine Reihe von Kunstgegenständen im Museum der Stiftssammlungen besichtigen. Wegen der Corona-Pandemie ist dies alles derzeit jedoch nicht möglich.

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