Stift Vyšší Brod: Madonnen, Paradiesgarten und Rokoko-Bibliothek
Derzeit läuft die Landesausstellung von Oberösterreich und Südböhmen, sie wird in vier Gemeinden auf beiden Seiten der Grenze präsentiert. In Südböhmen sind Ausstellungen in Český Krumlov / Krumlov und in Vyšší Brod / Hohenfurth zu sehen. In der Zisterzienserabtei in Vyšší Brod gilt als Höhepunkt ein einzigartiger mittelalterlicher Reliquienschrein – das Zawisch-Kreuz. Vor zwei Wochen haben wir Sie bereits bei einer Führung durch das Kloster über dieses wertvolle Exponat und seine Geschichte informiert.
Laut dem Kurator bietet die Landesausstellung ein doppeltes Erlebnis: Einerseits werden Kunstschätze gezeigt, andererseits lassen sich die gotischen Räumlichkeiten besichtigen. Vor allem der Innenraum der Abteikirche wurde anlässlich der Landesausstellung komplett renoviert, erzählt Jiří Franc:
„Wir stehen hier jetzt direkt im Querschiff. Der Grundriss der Kirche ist ein lateinisches Kreuz. Der ursprüngliche mittelalterliche Charakter ist nur noch teilweise vorhanden. Im 19. Jahrhundert wurde das Kloster Hohenfurth weitgehend im neugotischen Stil umgebaut, und in diesem Stil wurde auch die Kirche restauriert. Man kann die wunderschön gelungene Marmorierung der Säulen sehen, die damals sehr repräsentativ war. Genauso wie die herrlichen Verglasungen, die hier erhalten sind und zum Beispiel die Legende vom heiligen Johannes von Nepomuk zeigen. Es waren hier sehr viele Künstler und Architekten aus Österreich tätig. Auch die Vitragen sind ein Austriakum, da sie aus Innsbruck stammen. Sie wurden vom damaligen Abt Leopold Vačkář bestellt. Er war der Generalabt des Zisterzienserordens und residierte in Hohenfurth, von hier aus leitete er auch alle weiteren Zisterzienserklöster.“
Die Wendeltreppe im gotischen Turm führt zum Rosenberger Oratorium. Dieses wurde speziell für die Ausstellung des Zawisch-Kreuzes umgebaut und neu gestaltet. In diesem Oratorium haben die Mitglieder der Adelsfamilie den Messen beigewohnt, wenn sie Hohenfurth besuchten. Das Zawisch-Kreuz steht mitten im Oratorium in einer Glasvitrine, so kann man es von allen Seiten besichtigen.Anlässlich der Landesausstellung sind einige gotische Räumlichkeiten, die zuvor verschlossen waren, wieder für die Besucher zugänglich. Dazu gehören der Kreuzgang und vor allem der berühmte Kapitelsaal.
„Das gesamte Gewölbe beruht auf einer einzigen Mittelsäule. Dieses dreistrahlige Gewölbe in vier Jochen ist wirklich etwas Einzigartiges, da es in Europa nur noch ein weiteres Beispiel aus dieser Zeit gibt. Der Saal ist einer der ältesten Teile des Klosters, frühgotisch, und ein Beweis dafür, wie unheimlich modern die Zisterzienser als größte Bauherren des Mittelalters waren. In diesem Stil hat dann erst 100 Jahre später Peter Parler in Prag gebaut.“
Im Kreuzgang sind Plastiken ausgestellt, die aus verschwundenen Kirchen stammen. Nach der Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung ab 1945 und nach der Entstehung des Eisernen Vorhangs wurden viele Dörfer im Grenzgebiet geschleift. Ein paar Statuen, die aus Kirchen gerettet wurden, sind im Kreuzgang als Zeugnisse der Zerstörung zu besichtigen. Anlässlich der Landesausstellung wurde zudem der Paradiesgarten des Stiftes zugänglich gemacht. Er sei im Rahmen eines gemeinsamen Projektes der Rotary-Klubs von den beiden Seiten der Grenze in Stand gesetzt worden, erzählt der Kurator:„Die Wege und die Beete sind neu angelegt, auf den Rasenflächen und Wiesen wächst alles, zum Beispiel auch Löwenzahn. Das ist mit Absicht so, da wir nicht einen übertrieben gepflegten Garten haben wollten wie in einem Schloss, denn der Paradiesgarten ist das Abbild der Natur. Die Zisterzienser sind auch deshalb so wichtig gewesen, weil sie den Landschaften Europas sehr viel Spiritualität verliehen haben. Diese Kultivierung und Verchristlichung der Erde Europas gehört zu den großen Verdiensten der Zisterzienser. Die Benediktiner haben durch die regelmäßige Wiederholung der Gebete die Zeit rhythmisiert, und die Zisterzienser haben diese Tradition übernommen, aber sie dadurch reformiert, dass sie die Arbeit einführten. Die Verbundenheit mit der Erde und ihrer Geheimnisse spielt bei den Zisterziensern eine sehr wichtige Rolle. Der Paradiesgarten ist ein Symbol dafür und natürlich auf für das Paradies.“
Aus dem Paradiesgarten geht es wieder zurück ins Kloster, in die neu gestaltete Galerie gotischer Kunst. Die wertvollsten Werke dort werden erstmals nach vielen Jahrzehnten wieder gezeigt. Sie waren zuvor verstreut an anderen Orten. Denn während des Zweiten Weltkriegs lösten die Nazis die Klostergemeinschaft auf und schafften die Kunstgegenstände des Stifts weg. Stattdessen gelangten andere Kunstwerke ins Kloster. Die Bibliothek, die Gemäldegalerie sowie der Kreuzgang waren damals voll von wertvollsten Kulturgütern aus ganz Europa. Als die Amerikaner im Mai 1945 kamen, wurde die Nazi-Sammlung nach München transportiert. Stattdessen kehrten einige ursprüngliche Kunststücke wieder nach Vyšší Brod zurück, darunter auch das Zawisch-Kreuz, das in Österreich gelagert war. Als die Klostergemeinschaft erneut aufgelöst wurde – diesmal vom kommunistischen Regime – gelangten alle Kunstgegenstände in die Prager Nationalgalerie und in andere staatliche Museen. Jiří Franc beschreibt einige der interessantesten Stücke, die nun zu sehen sind:„Zum Beispiel gibt es hier ‚Die Kreuzigung von Hohenfurth’, welches höchstwahrscheinlich eines der Frühwerke des Wittingauer Meisters ist. Er war die erste große Persönlichkeit des schönen Stils in Böhmen, aber auch überhaupt in Mitteleuropa. Die Farbgebung ist sehr expressiv und modern. Natürlich besteht auch eine Sammlung von Madonnenbildern, zum Beispiel die Goldenkronenmadonna und die Hohenfurther Madonna. Man sieht ‚Die Entschlafung Mariens’ nach dem Vorbild des Meisters des Altars aus Kefermarkt. Hier kann man also einfach genießen, Bilder anschauen und im Katalog nachlesen.“ Von der gotischen Galerie geht es weiter in die Gemäldegalerie – die Rosenberger Galerie. Die Führung durch die Abtei endet in der Klosterbibliothek. Der Kurator:
Die Landesausstellung in der Abtei Vyšší Brod ist noch bis zum 3. November zu sehen.