Die Technoparty "CzechTech" wird zu einem wichtigen innenpolitischen Thema in Tschechien

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Seit einigen Tagen beherrscht die politische Debatte in Tschechien fast ausschließlich ein einziges Thema: Vorvergangenes Wochenende setzten Spezialeinheiten der tschechischen Polizei einer Technoparty unweit der westböhmischen Stadt Tachov/Tachau ein abruptes Ende. Bei dem Zusammenstoß der Sicherheitskräfte mit Teilnehmern des Treffens gab es mehr als hundert Verletzte, sowohl unter den Techno-Fans, wie auch den Polizisten.

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Zunehmend bekommt die Causa auf Grund des Polizei-Einsatzes auch einen politischen Unterton. Da sowohl Innenminister Frantisek Bublan, wie auch Regierungschef Jiri Paroubek sich hinter die Polizisten stellten, wurden die beiden sozialdemokratischen Politiker sofort zu Zielscheiben der Opposition. Die stärkste Oppositionspartei, die rechtsliberale Demokratische Bürgerpartei ODS schießt aus allen Rohren und versucht mit ihrem Wunsch nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, bis zur Forderung nach einem Rücktritt von Premier Paroubek alle politischen Mittel auszuschöpfen, die sie in dieser Situation einsetzen kann.

Zudem tauchen fast täglich immer neue Details im Zusammenhang mit dem umstrittenen Polizei-Einsatz auf - zuletzt etwa Video-Aufnahmen, auf denen Polizisten brutal auf die Teilnehmer der Technoparty eingeschlagen haben, ohne dass diese sich dagegen gewehrt hätten.

Abgesehen von den konkreten Ereignissen, bzw. den gegenüber dem Polizei-Einsatz kritischen Wortmeldungen führender Politiker, oder Künstler, stellt sich die Frage, ob die öffentliche Aufmerksamkeit, die die Technoparty hervorgerufen hat, geringer ausgefallen wäre, wenn diese nicht im Sommer - also in der "Saure-Gurken-Zeit", sondern etwa im Herbst stattgefunden hätte? Das fragten wir den Politikwissenschaftler Zdenek Zboril von der Prager Karlsuniversität:

"Bestimmt, weil ähnliche Veranstaltungen in der Vergangenheit schon mehrmals stattfanden, und die Medien haben das fast gar nicht zur Kenntnis genommen. Ich denke, der Hauptgrund ist, dass die wachsende Popularität der Regierung Paroubek dazu führt, dass die politischen Gegner jede mögliche Angriffsfläche suchen, um dem Regierungschef zu schaden, weil er sich in seiner ersten Reaktion relativ klar auf die Seite der Polizisten und des Innenministers stellte. Interessant ist die Verhaltensweise der Opposition, vor allem der rechtsliberalen ODS, die den Premier nun scharf kritisiert und sich paradoxerweise auf die Seite der Teilnehmer stellt. Noch vor einem Jahr, haben die gleichen Politiker bei einer ähnlichen Veranstaltung das genaue Gegenteil behauptet, die Unantastbarkeit des Privateigentums in den Vordergrund gestellt und Teilnehmer der Technoparty verurteilt. Heute spricht man von der Renaissance von kommunistischen Polizei-Praktiken."

Spielt in den Stellungnahmen der Opposition der Umstand irgendeine Rolle, dass die ODS voraussichtlich künftig die Regierung stellen wird und schon im nächsten Sommer, also, wenn vermutlich wieder irgendwo in Tschechien eine vergleichbare Veranstaltung abgehalten werden wird, die politische Verantwortung tragen wird? Dazu meint der Politologe Zdenek Zboril:

"Nein, ich denke nicht. Weitaus wichtiger ist, dass sich in den vergangenen Wochen in der Führung der ODS eine Art Panik breit gemacht hat, weil sie spürt, dass sie in letzter Zeit viel zu passiv war und es zuließ, dass sich die Regierung unter ihrem neuen Chef wieder fangen konnte. Paroubek hat es nämlich tatsächlich fertig gebracht seine zerstrittene Partei zu einen, das öffentliche Vertrauen in die Regierung ist ebenfalls angewachsen. Die oppositionelle ODS scheint sich somit davor zu fürchten, dass sie die bislang starke Unterstützung, die sie hatte, bei den kommenden Wahlen verlieren könnte. Zum anderen ist sich bei der ODS niemand dessen bewusst, dass diejenigen, für die die ODS nun Partei ergriffen hat - das heißt die Teilnehmer der Technoparty - bei Wahlen nie für die Partei stimmen würden, wohingegen Paroubek dann auf die Unterstützung der so genannten schweigenden Mehrheit setzen und diese dann für sich gewinnen kann, obwohl er damit ursprünglich vielleicht gar nicht gerechnet hat."

Der Polizei-Einsatz in Tachau hat zu einer breiten Aktivierung verschiedener Bürgeraktivisten geführt. Einige davon, wie etwa der frühere Journalist und heutiger Senator für die Grünen, Jaromir Stetina, sehen in dem Vorgehen der Polizeikräfte gegen die Teilnehmer der Technoparty ein weiteren Fall von politischer Willkür und vergleichen die Ereignisse etwa mit der so genannten Fernsehkrise vor fast fünf Jahren, als an die Spitze des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens mit Jiri Hodac ein Generalintendant bestellt wurde, dem ein zu starkes Naheverhältnis zu den beiden größten Parteien des Landes vorgeworfen wurde. Erst, als die meisten Fernseh-Journalisten wochenlang gegen einen Generalintendanten protestierten und bei der breiten Bevölkerung Unterstützung fanden, musste Hodac dem Druck nachgeben und zurücktreten.

Jiri Paroubek  (Foto: CTK)
Wie damals, fanden auch im Zusammenhang mit dieser Causa in der vergangenen Woche in ganz Tschechien zahlreiche Protestkundgebungen, bzw. Protestmärsche statt. Während vor fünf Jahren die Menschen gegen die endlos scheinende Macht der beiden größten Parteien des Landes auf die Straßen gingen, wurde diesmal oft das Schlagwort bemüht, wonach Tschechien auf dem Weg sei, sich zu einem Polizei-Staat zu entwickeln. Trifft diese Einschätzung zu, bzw. gibt es irgendwelche Anzeichen dafür, dass die Entwicklung tatsächlich in diese Richtung gehen könnte? Was wären die Merkmale eines Polizei-Staates? Hören Sie dazu den Politologen Zdenek Zboril:

"Vor allem die unausreichende Möglichkeit der öffentlichen Kontrolle jeder beliebigen staatlichen oder politischen Institution. Das gibt es aber in Wirklichkeit, wozu auch die Medien beitragen. Ein weiteres wichtiges Merkmal einen Polizeistaates wäre eine verstärkte Kontrolle der Bürger durch die Polizei, bzw. anderer ähnlicher Behörden. Und nicht zuletzt ist hier auch das Fehlen von unabhängigen Gerichten ein weiterer wichtiger Punkt. Wenn man das alles zusammenrechnet, muss man zwangsläufig zum Schluss kommen, dass es in Tschechien keine Anzeichen für die Existenz eines Polizeistaates gibt. Der einzige Bereich, wo ich gegenwärtig gewisse Befürchtungen hätte, wäre wohl der stark zunehmende Einsatz von Abhöranlagen und zwar im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Terror, wobei ich hoffe, dass bei diesen Lauschangriffen immer strikt das vorgeschriebene Prozedere eingehalten wird. Natürlich gibt es auch Fälle, wo teils hochrangige Polizisten in den vergangenen Jahren ihre Kompetenzen überschritten haben und da war dann diese Kritik berechtigt, aber da sollte jeder dieser Fälle einzeln bewertet werden und nicht zu einer Pauschalverurteilung der Polizei führen."

Vaclav Havel  (Foto:CTK)
An der ganzen Debatte rundum die Technoparty ist aber auch noch ein anderer Aspekt interessant, denn in den Konflikt zwischen Regierung und den Teilnehmern der Techno-Party schaltete sich der frühere Präsident Vaclav Havel ein und wurde zu einer Art Vermittler. Havel hatte nach seinem Ausscheiden aus der Politik in den vergangenen zwei Jahren eine gewisse Enthaltsamkeit geübt, wenn es um seine öffentlichen Stellungnahmen zu verschieden Fragen der Zeit ging. Kann nun also dieses relativ starke Engagement des früheren Staatsoberhaupts und einstigen Bürgerrechtlers als eine Rückkehr in das öffentliche Leben interpretiert werdem? Hören Sie dazu abschließend noch einmal den Politikwissenschaftler Zdenek Zboril von der Prager Karlsuniversität:

"Ich denke, dass Havel sich so etwas tatsächlich wünschen würde. Die Gründe, warum er sich in dieser Angelegenheit so engagiert hat, sind sowohl subjektiver, als auch objektiver Natur. Er hat ein Sentiment gegenüber Rockern und anderen parallelen Subkulturen. Der objektive Grund ist, dass Havel bislang nicht den richtigen Ton gefunden hat, wie er mit der tschechischen Öffentlichkeit kommunizieren und somit seine Vorstellungen unters Volk bringen kann. Während Havel im Ausland Aufmerksamkeit hervorruft, war er im Inland praktisch nicht präsent. Es wurde ja im Frühjahr sogar spekuliert, ob sich Havel erstmals in seinem Leben nicht bei einer neu gegründeten liberalen Partei engagieren würde. Er befindet sich also immer noch nach der Suche nach der Rolle, die er künftig spielen könnte. Das Problem ist aber, dass dadurch die Gefahr besteht, dass sich Zersplitterung unter den nicht-linken Parteien noch mehr verstärkt."