Die Wunden der Welt vernähen? "Wiedergutmachungen" von Michael Kos
Auch Steine können gesund sein - in der Fachsprache heißt das: ohne Spalten, Brüche und Risse. Ein Idealzustand - aber auch das ideale Material um eine zerrissene Welt abzubilden? Der Österreicher Michael Kos hat sich in seinen Arbeiten mit den Steinen auseinandergesetzt, die Bildhauer normalerweise achtlos liegen lassen. "Wiedergutmachungen" heißen die Objekte, von denen nun erstmals eine Auswahl in Prag zu sehen ist. Thomas Kirschner war bei der Vernissage dabei.
Unbehauene Findlinge, lebendige Steine mit Rissen, Falten und tiefen Einschnitten. Wie Operationsnarben, so scheint es, hat der österreichische Bildhauer Michael Kos die Wunden des Gesteins mit groben Stichen geschlossen - mal mit Draht, mal mit grellrotem Seil.
"Über eine frühere Arbeit ist die Idee entstanden, Steinblöcke, die sichtbare Narben und Risse haben, fürs Auge zusammenzunähen. Aber das Auge betrügt so gut, dass man diesen Betrug auch mental fortsetzt - das ist das Spiel mit den Vernähungen."
Denn natürlich sind die Stiche nicht wirklich durchgenäht - einzelne Fadenstücke, jeweils mit den Enden in ein Bohrloch gesteckt, ergeben aber die vollkommene Illusion. Die "Wiedergutmachung", so der Titel der Serie, entlarvt sich als frommer Wunsch, als Selbst-Betrug, und das nicht nur im Umgang mit dem Material.
"´Wiedergutmachungen´, das ist natürlich ein Unbegriff. Jede Art von Vorstellung, die auf einen Prozess der Gesundung durch Rückführung und Rückgängigmachung abzielt, ist eine Illusion. Das ist nur das hartnäckige Verweigern der Einsicht, dass etwas nie mehr den gewünschten Zustand wieder finden wird, den es - noch weiter gedacht - vielleicht sogar überhaupt niemals gehabt hat."
Von seinem Atelier im Weinviertel hat es Michael Kos nicht weit bis nach Tschechien. In Prag sind seine Objekte nun aber erstmals zu sehen. Die Kontakte hergestellt hat der Künstlerkollege Ondrej Kohout, Sohn des Schriftstellers Pavel Kohout. Kohout, der bereits seit den 80er Jahren in Wien lebt, sieht in den Arbeiten des Österreichers Gegenstücke zum neuen Trend der Gefälligkeit in der tschechischen Kunst:
"Ich glaube, man sollte konsequent das machen, wovon man überzeugt ist und wobei man eine Qualität mit Entwicklung und Konsequenz sieht. Die Arbeiten von Michael Kos halte ich für konsequent, sie haben Herz und Charakter. Und solche Arbeiten behaupten sich langfristig besser als einfach nur gefällige Sachen."
Eine Auswahl der Werke von Michael Kos ist unter dem Titel "Enforced Line" noch bis zum 4. Mai in der Galerie Gambit in Prag zu sehen.