Die Zisterzienser in Velehrad – eine fast vergessene Geschichte
Ende des 11. Jahrhunderts entsteht in Frankreich der Zisterzienserorden. In der Folge breitet sich die Gemeinschaft auch in weitere Gebiete Europas aus. In Veligrad, dem heutigen Velehrad, entsteht gut 100 Jahre später ein Zisterzienserkloster. Für die heutigen Tschechen ist der Ort allerdings mehr mit Kyrill und Method verbunden, auch weil am 4. und 5. Juli in Velehrad immer eine Wallfahrt in Gedenken an die Slawenapostel stattfindet. Im Folgenden daher mehr über die Zisterzienser, die rund 600 Jahre in Velehrad ihr Domizil hatten.
Das historische Verdienst, dass die Zisterzienser in die Böhmischen Länder kamen, gebührt wohl einem Bischof aus Olomouc / Olmütz: Jindřich Zdík. Er war persönlich bekannt mit einer der bedeutendsten Persönlichkeiten des Ordens – Bernard von Clairvaux. Zdík soll großen Anteil daran gehabt haben, dass die ersten drei Zisterzienserklöster mit adeliger beziehungsweise königlicher Unterstützung in Böhmen entstanden. Zwischen 1143 und 1145 ließen sich aus deutschem Gebiet eingewanderten Zisterziensermönche in Sedlec / Sedletz, Plasy / Plaß und Nepomuk / Pomuk nieder.
Bei ihrer schnellen Expansion in ganz Europa gelangten die Zisterzienser auch nach Mähren. Dort trafen sie sozusagen auf eine bereits voll entwickelte „Klosterlandschaft“. Gabriela Šarochová Nováková ist Mittelalter-Historikerin an der Karlsuniversität in Prag:„Sie teilten sich das Gebiet Mährens gemeinsam mit Benediktinern, Prämonstratensern, Franziskanern und Dominikanern. Die zwei letztgenannten Orden hatten dort eine besonders starke Position. Etwas später kamen noch einige Ritterorden hinzu, darunter auch der besonders für Mähren bedeutende Deutsche Orden und die Templer. Nicht zu vergessen sind die Augustiner-Chorherren, die im 14. Jahrhundert einen wahren Boom in Mähren erlebten.“
Entgegen den Ordensstatuten
Die erste 1204 urkundlich belegte Klostergründung der Zisterzienser in Mähren fand in Veligrad statt. Verbunden war sie mit zwei bedeutenden Persönlichkeiten:„Es handelte sich um den Olmützer Bischof Robert und den Markgraf von Mähren, Vladislav Jindřich, dem Bruder von König Přemysl Otokar I. Die Gründung des Veligrader Konvents war also eine Prestigesache. Das hatte auch schon 60 Jahre zuvor gegolten, als Fürst Vladislav II. aus dem Haus der Přemysliden das westböhmische Kloster Plasy stiftete. Von ihm erhielten die ersten Zisterziensermönche aus dem bayerischen Langheim einen Wirtschaftshof und vier Dörfer. Später wurden Mönche von Plasy zur Klostergründung nach Veligrad gesandt. Diese Standortwahl dürfte damals im noch lebendigen Bewusstsein getroffen worden sein, dass Veligrad ungefähr 300 Jahre zuvor fest mit der großmährischen Kirche verbunden gewesen war. Das musste zumindest der Olmützer Bischof Robert gewusst haben. Es ist bekannt, dass die insgesamt zwölf aus Plasy entsandten Zisterziensermönche gerade in Veligrad ihre erste Station machten und sich dort auch niederließen. In der Nähe der dortigen Johanneskirche begannen sie, ihr neues Kloster zu bauen.“
In einem Punkt wurden damals die Ordensstatuten wohl nicht befolgt. So entstand der neue Konvent nicht an einem von der Zivilisation entfernten Ort. Ansonsten habe man sich dort aber schon nach den einheitlichen Ordensregeln gerichtet, so Šarochová Nováková. Hierzu gehörte, dass ein bereits bestehender und stabilisierter Konvent zwölf Mönche und einen Abt aus seiner Mitte entsendet, um sich anderswo niederzulassen. Diese Aufgabe erfüllten in Veligrad eben die Mönche aus Plasy. Der Historikerin zufolge hatten die Ankömmlinge in der mährischen Zielortschaft nicht die besten Bedingungen für den Start ihrer Mission. Man habe ihnen nur vier Dörfer als Stiftungskapital zukommen lassen. Für den Bau eines neuen Konvents mit allem Drum und Dran sei dies aber sehr wenig gewesen:„Aus den ersten 15 Jahren ist nichts Besonderes über die Arbeit der Mönche belegt, außer dass sie intensiv mit dem Bau des Klosters beschäftigt waren. Ihre Mühe war jedoch von Erfolg gekrönt. Trotz eines gewissen Geldmangels gelang es ihnen zum Beispiel, den Bau der Mariä Himmelfahrtskirche 1228 so weit abzuschließen, dass diese geweiht werden konnte. Die Feier signalisierte bereits eindeutig, welche Bedeutung dem ersten Zisterzienserkonvent in Mähren beigemessen wurde. Zugegen waren König Přemysl Otakar I., die Königin sowie viele ihrer Familienangehörigen und selbstverständlich auch der Olmützer Bischof Robert. Der andere Stifter, Vladislav Jindřich, Bruder des Königs konnte nicht mehr dabei sein, weil er 1222 gestorben war.“
Im Schutz des böhmischen Königs
Die Teilnahme der Königsfamilie hatte jedoch nicht nur symbolischen Charakter:„Přemysl Otakar I. stattete das Kloster mit vielen Privilegien, Immunitäten und Freiheiten aus. Dieser Akt wurde offiziell unter dem Titel ‚Privileg von Velehrad‘ bekannt. Nachfolgend strebten auch weitere mährische Klöster bei ihrer Gründung an, in den Genuss von derlei Vergünstigungen zu kommen. Darüber hinaus befand sich das Kloster Veligrad einschließlich seiner Wirtschaftsgüter schon ab 1207 unter dem persönlichen Schutz von Papst Innozenz III., um den ihn Přemysl I. ersucht hatte. Damit hatte das Kloster eine außerordentlich hohe Stellung.“
Diese Position wollte man noch ausbauen. So sollte Veligrad zum neuen Bestattungsort der mährischen Markgrafen werden. In der Klosterkirche beigesetzt wurden aber letztlich nur Vladislav Jindřich und 18 Jahre nach ihm auf eigenen Wunsch auch der Olmützer Bischof Robert. Der Markgraf starb ohne Nachkommen, weswegen die Verwaltung Mährens zunächst auf König Přemysl I. überging und nachfolgend auf den jeweils zweitgeborenen Sohn des Königshauses.Wie war das weitere Schicksal der Zisterzienserabtei Veligrad? Das Klosterareal, in dem traditionell die Chormönche und die sogenannten Laienbrüder streng voneinander getrennt lebten, wurde in den 1240er Jahren im spätromanischen Baustil vollendet. Gabriela Šarochová Nováková:
„Nach dem etwas zaghaften Anlauf wendete sich das Blatt für den Konvent. In den 1220er Jahren flossen immer mehr Spenden von privaten Gönnern wie auch von der königlichen Familie. Das Klostervermögen beschränkte sich bald nicht mehr nur auf die Besitzungen in der Umgebung. Hinzu kamen zum Beispiel auch Besitztümer in der relativ weit entfernten schlesischen Gegend um Opava und in Südmähren. Von Bedeutung für die Klosterwirtschaft waren zudem je ein Ordenshaus in Znojmo und Brünn. Diese Standorte weisen eindeutig auf die Ausrichtung der mährischen Zisterzienser an die Přemysliden-Dynastie hin, die mit beiden mittelalterlichen Städten historisch verbunden war.“
Plünderung und Feuersbrunst
Der gesamte Tagesablauf der Zinsterzienser stand fest unter der Regel „Ora et labora“. Das ging eine Weile lang gut, aber schon im 14. Jahrhundert geriet Veligrad in schwere wirtschaftliche und finanzielle Probleme:„Damals wurde eine Reihe von klösterlichen Gütern verschiedener Ordensgemeinschaften durch den König beschlagnahmt. Das hing unter anderem mit den turbulenten Ereignissen im Lande zusammen. Der Landesherr brauchte zusätzliche Finanzmittel und führte kurzerhand das Recht der erzwungenen Verpfändung ein. Schlimme Zeiten kamen mit dem Ausbruch der Hussitenkriege. Damals blieb kaum ein Kloster im Lande von den Plünderungen verschont. Die Hussiten gingen dabei nicht nach einem Plan vor. 1421 wurde auch das Stift von Veligrad beschädigt. Der Abt und einige Ordensbrüder kamen bei dem Überfall ums Leben. Niedergebrannt wurde auch die mit viel Mühe gebaute Klosterbibliothek mit Ausnahme eines Teils des Klosterarchivs. Ein Teil der Belegschaft fand Zuflucht in der nahe gelegenen Königsstadt Uherské Hradiště. Nach ihrer Rückkehr in den 1430er Jahren machten sich die Mönche sofort ans Werk, um ihr Domizil wieder instand zu setzen. Die Restaurierung führte allerdings nicht zu einer neuen Blütezeit.“
Veligrad verlor seine führende Stellung im mährischen Ordenswesen. Auch der allgemeine Niedergang des Zisterzienserordens war nicht mehr aufzuhalten. Die Mönche hatten sich immer weiter von ihren Gründungsidealen entfernt. Schwere Momente erlebte Veligrad auch während des Dreißigjährigen Krieges und danach:„1681 zerstörte eine Feuersbrunst große Teile des Klosters und der benachbarten Kirche. Beim Wiederaufbau wurde das Areal radikal umgestaltet, das frühere Aussehen lässt sich kaum noch erahnen. Seit dem 13. Jahrhundert ist es zu dramatischen Ereignisse und verheerenden Kriegen gekommen. Kein Wunder also, dass heute in der Apsis der Basilika nur noch wenige Bauelemente aus der Gründungszeit zu finden sind.“