Von Kyrill und Method bis zu Johannes Paul II.: Velehrad im Spiegel der Geschichte
Der 5. Juli ist in Tschechien ein Staatsfeiertag. An diesem Tag wird der beiden Slawenapostel, der heiligen Kyrill und Method gedacht. Der Mittelpunkt der Feierlichkeiten ist jedes Jahr Velehrad.
„Diese Fragen, mit denen sie sich im 9. Jahrhundert auseinandersetzten, beschäftigen uns heute noch sehr – es geht um die Existenz eines Volkes im Rahmen Europas, um das Zusammenfügen von Universalität und Partikularität. Die heiligen Kyrill und Method haben es glänzend gemeistert. Darum werden sie als Brückenbauer zwischen den Kulturen des Ostens und des Westens bezeichnet. Papst Johannes Paul II. erklärte sie darum zu den Schutzheiligen Europas, gemeinsam mit dem heiligen Benedikt.“
Wo sich das Zentrum Großmährens befand, weiß man nicht. Viele archäologische Funde aus Großmähren stammen aus dem nicht weit entfernten Staré Město, das in der großmährischen Zeit Veligrad hieß. Einige Jahrhunderte später wurde in der Nähe des Ortes, an dem das großmährische Veligrad stand, eine Zisterzienserabtei gegründet. Sie wurde Kloster Velehrad benannt. Die großmährische Residenzstadt Veligrad existierte damals bereits nicht mehr. Im Namen des im 13. Jahrhundert gegründeten Klosters blieb aber der großmährische Name erhalten. Jahrhunderte lang ist nun Velehrad symbolisch mit dem Vermächtnis der heiligen Kyrill und Method verbunden, auch wenn die Geschichte des Klosters um einige Jahrhunderte jünger als die Kirchenmission der beiden Slawenapostel ist. Was waren die Beweggründe für die Abteigründung Anfang des 13. Jahrhunderts?
„Zwei königliche Brüder stritten um die Macht. Der ältere von ihnen, Vladislav Jindřich, hatte das Recht auf den Thron. Obwohl er über ein stärkeres Heer als sein Bruder verfügte, beschloss er, auf den Königsthron zu verzichten, um einen Bürgerkrieg zu verhindern. Vladislav Jindřich blieb Markgraf von Mähren und sein jüngerer Bruder Přemysl Ottokar I. wurde König. Nach der Versöhnung der beiden Brüder wurde das Zisterzienserkloster errichtet, sie waren beide Mitbegründer. Es ist ein schönes Beispiel davon, wie die persönlichen Interessen den öffentlichen Interessen untergeordnet wurden. Dies ist ein hochaktueller Gedanke.“Ähnlich wie die Mehrheit der Zisterzienserkirchen wurde auch die Kirche in Velehrad der Mariä Himmelfahrt geweiht. Die ersten Mönche stammten aus dem Zisterzienserkloster in Plasy / Plaß bei Pilsen und waren Petr Hudec zufolge höchstwahrscheinlich deutschsprachig. Die Zisterzienser erbauten im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts in Velehrad ein spätromanisches Kloster mit einer 99 Meter langen Konventskirche.
„Auch wenn die Basilika mehrmals umgebaut wurde, handelt es sich immer noch im Grundriss um einen romanischen Bau. An vielen Stellen sind die romanischen Spuren im Mauerwerk zu sehen. 1421 wurde das Kloster von den Hussiten niedergebrannt und erst 150 Jahre später erneuert. 1681 wurde das Areal durch einen Brand stark beschädigt. Dies alles führte dazu, dass hier heutzutage ein Gebäudekomplex steht, der auf den ersten Blick einen Barockcharakter hat.“ Kaiser Josef II. schloss 1784 das Zisterzienserkloster. Während der Aufklärungsepoche konnte sich das Religionsleben kaum entwickeln. Eine grundlegende Änderung brachte erst die Romantik.
„Es wurde sogar eine Hetzkampagne gestartet: es wurde behauptet, dass die Jesuiten gekommen seien, um den tschechischen Gedanken zu vereiteln. Den Jesuiten gelang es, das Misstrauen zu überwinden. Sie gründeten ein Gymnasium in Velehrad. Hier sowie an anderen Orten, an denen die Jesuiten tätig waren, entstand ein östlicher Zweig des Jesuitenordens. Unter den Studenten, die sich hier auf den Priesterberuf vorbereiteten, war auch der verstorbene Kardinal Tomáš Špidlík. Er war eine international bedeutende Persönlichkeit. Es ist unglaublich, was Kardinal Špidlík alles für die tschechische Kultur geleistet hat. Wir sind sehr froh, dass er in der Basilika bestattet werden konnte.“
Lange vor dem II. vatikanischen Konzil wurde in Velehrad eine Art ökumenischer Dialog geführt – bei den so genannten „unionistischen Kongressen“, bei denen Vertreter verschiedener Kirchen zusammentrafen. So begegneten die Katholiken den Orthodoxen in Velehrad. Petr Hudec:„Es war damals unvorstellbar, dass sich Christen verschiedener Glaubensbekenntnisse ohne Animositäten begegneten konnten. Bei den unionistischen Kongressen konnten die Christen den Glauben der anderen kennen lernen. Die Teilnehmer der Unionskongresse hatten die Möglichkeit, ihren Glauben vorzustellen. Der ökumenische Dialog tauchte erst in den 1960er Jahren beim zweiten Vatikanischen Konzil auf. Der erste Unionskongress fand hier aber bereits 1907 statt. An den Kongressen nahmen vor allem Christen aus slawischen Ländern, aber auch aus deutschsprachigen Ländern teil.“
Die Kontakte zu den Christen im Ausland brachen während des Zweiten Weltkriegs praktisch völlig ab. Während der Nazi-Okkupation waren im Klosterareal Mitglieder der Hitler-Jugend untergebracht. 1948 kamen dann die Kommunisten an die Macht in der Tschechoslowakei.„1950 drangen Mitglieder des kommunistischen Geheimdienstes StB in das Kloster ein. 71 Jesuiten wurden verhaftet und in Internierungslager in Bohosudov und in Želiv transportiert.“
Die Kommunisten hielten die katholische Kirche für gefährlich, weil sie gut organisiert und an internationale Strukturen gebunden war. 1950 unternahm das kommunistische Regime den Versuch, eine nationale Kirche zu errichten, die vom Vatikan unabhängig sein sollte.
„Es sollte eine Tschechische Kirche entstehen. Damit sollten Probleme mit verschiedenen Glaubensbekenntnissen wegfallen. Das vereinigende Element dieser sozialistischen Kirche sollte eben Velehrad sein. Vor der Kirche wurde ein Friedensfest organisiert. Die Redner versuchten die Versammelten davon zu überzeugen, dass alles Positive aus dem Osten kam – Kyrill, Method und der Sozialismus. Zum Glück akzeptierten die Gläubigen diese Demagogie nicht. Das kommunistische Regime reagierte mit einem Boykott der Pilgerfahrten. Trotzdem sind immer wieder Pilger nach Velehrad gekommen. 1968 sah es für Velehrad wieder positiv aus, die entspannte Atmosphäre hielt aber nicht lange an.“ Petr Hudec erinnert an ein Ereignis aus der Zeit der so genannten „Normalisierung“:
Kurz nach der Wende von 1989 wurde in Velehrad der Heilige Vater begrüßt. Papst Johannes Paul II. hat sich für Velehrad als ersten Ort in der Tschechoslowakei entschieden, den er nach dem Fall des Eisernen Vorhangs besuchen wollte. Die Politiker zeigten kaum Verständnis dafür, dass der Papst ein solches Dorf besuchen wollte. Er hat dann auch Prag und Bratislava besucht.
„Aber Velehrad war der Ort, den der Papst schon lange besuchen wollte. Denn eigentlich wollte er schon 1985 kommen. Dies wurde ihm vom kommunistischen Regime aber nicht erlaubt. Der Papst sprach kurz nach seiner Wahl zum Oberhaupt der katholischen Kirche davon, wie sinnlos die Aufteilung Europas in West und Ost ist. Wir haben uns von den Worten des Papstes inspirieren lassen und sehen in Velehrad einen Ort, der eine Brücke zwischen Ost und West, zwischen Christen verschiedener Glaubensbekenntnisse darstellt. Schließlich begrüßen wir hier Pilger aus der ganzen Welt.“