Drogen in unbeaufsichtigten Getränken: Erste Studie zu Drink spiking in Tschechien
In Clubs und Bars in Tschechien hängt oft ein Schild mit der Aufforderung, den eigenen Drink nicht aus den Augen zu lassen. Denn nicht selten kommt es beim Ausgehen vor, dass jemandem etwas unbemerkt in den Drink getan wird, was ein Gefühl von Benommenheit oder eine längere Gedächtnislücke zur Folge hat. Dieses Phänomen wird mit dem englischen Begriff „Drink spiking“ beschrieben. Im schlimmsten Fall werden Opfer dieser Praxis für sexuelle Handlungen gefügig gemacht. Nun gibt es ersten Daten, wie häufig diese Vorfälle in Tschechien sind.
Ob aus dem Bekanntenkreis oder aus den Medien – immer wieder hört man von Fällen von Drink spiking. Im Club oder auch bei einer Party werden unbemerkt KO-Tropfen oder Drogen in den Drink einer Person getan. Mitunter wird in ein alkoholfreies Getränk aber auch Schnaps geschüttet. Verliert die betroffene Person dadurch die Kontrolle über sich, kann sie leicht Opfer eines sexuellen oder gewaltsamen Übergriffs werden.
Bisher gab es keinerlei Daten dazu, in welchem Maße Drink spiking in Tschechien verbreitet ist. Die Organisation Beat Sexism hat dazu am Dienstag nun eine erste Studie vorgestellt. Die Praxis sei hierzulande so eine Art offenes Geheimnis, sagt die leitende Geschäftsführerin, Veronika Šimková:
„Unsere Studie ist bisher rein explorativ, denn sie wurde hauptsächlich in Prag erhoben. Es handelt sich noch nicht um eine verallgemeinernde landesweite Umfrage. Trotzdem lässt sich schon jetzt sagen, dass dieses Phänomen in Tschechien präsent ist.“
Konkret haben mehr als 1000 Menschen den Online-Fragebogen ausgefüllt, der vor allem in den sozialen Netzwerken beworben wurde. Zudem machten Plakate mit einem QR-Code auf die Umfrage aufmerksam. Diese Poster seien in Universitäten und in Nachtclubs in Prag aufgehängt worden, berichtet Šimková:
„Das Ziel war, persönliche Erfahrungen von jungen Erwachsenen zu erheben, also in der Altersgruppe 18 bis 40 Jahre. Hauptsächlich richtete sich das an Studierende und Besucher von Nachtclubs. Denn dies ist nach unserer Hypothese jene Risikogruppe, die am wahrscheinlichsten und am verletzbarsten ist.“
Und damit lag das Team von Beat Sexism offenbar richtig. Die Geschäftsführerin fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen:
„Jeder dritte Befragte berichtet von persönlichen Erlebnissen mit Drink spiking. Das waren 336 Teilnehmer. 91 Prozent davon sind Frauen. Die meisten Erfahrungen mit Drink spiking haben Menschen zwischen 19 und 24 Jahren. Es taucht aber auch in der Altersgruppe 16 bis 18 Jahre auf, nämlich bei 33 Prozent.“
Tatorte seien am häufigsten Bars, Clubs und Kneipen, aber auch Privatpartys, betont Šimková. Und es zeige sich, dass die Praxis ebenso innerhalb von Freundesgruppen auftritt. Fast 65 Prozent der Opfer haben demnach im Fragebogen angegeben, während des Vorfalls in einer größeren Gruppe unterwegs gewesen zu sein.
Die allerwenigsten Fälle würden zur Anzeige kommen, fährt Šimková fort. Deswegen gebe es in Tschechien bisher auch noch keine offiziellen Statistiken. Eine Lösung des Problems müsse daher auf breiter Ebene angelegt sein:
„Es gibt dazu ein tolles Beispiel aus Großbritannien, wo Drink spiking sehr verbreitet ist und auf staatlicher Ebene geregelt wird. Dort ist es nämlich als Straftat definiert. Dies hilft den Opfern, Gerechtigkeit einzufordern. Es gibt Schulungen für das Barpersonal, wie in einer solchen Situation eingegriffen werden kann. Und auch die britische Polizei bekommt spezielle Anleitungen, wie sich in solchen Fällen verhalten werden soll. So etwas fehlt in Tschechien.“
Um dies zu ändern, hat Beat Sexism am Dienstag bei einer öffentlichen Veranstaltung nicht nur die einleitende Studie präsentiert. Gemeinsam mit der Regierungsbeauftragten für Menschenrechte, Klára Šimáčková Laurenčíková, sowie mit Vertretern des Polizeipräsidiums und weiteren Hilfsorganisationen für Opfer sexueller Gewalt wurden zudem mögliche Maßnahmen für eine systematische Aufklärung und Prävention diskutiert.