Sexuelle Gewalt und Belästigung in der Arztpraxis: Berufskammer will mehr Befugnisse für Strafen

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Wenn einem Arzt in Tschechien zum Beispiel vorgeworfen wird, Patientinnen sexuell missbraucht zu haben, dann kann die Ärztekammer nicht sofort handeln. Sie muss meist das rechtkräftige Urteil eines Gerichts abwarten, und der Beschuldigte kann weiter ordinieren. Das wollen tschechische Parlamentarierinnen und die Ärztekammer aber nun ändern.

Mitte November vergangenen Jahres erging das Urteil: Der Psychiater Jan Cimický erhielt die Höchststrafe von fünf Jahren Haft für sexuelle Gewalt gegen seine Patientinnen. Außerdem wurde ihm für zehn Jahre ein Berufsverbot auferlegt. Der Fall war durch die tschechische Presse gegangen, weil Cimický als Kapazität in seinem Fach galt und der damalige Präsident Miloš Zeman ihn eigentlich mit einem Staatsorden auszeichnen wollte. Doch dann meldeten sich Frauen, die von sexuellen Belästigungen und Vergewaltigung berichteten. Letztlich wurden dem mittlerweile 76-jährigen Arzt insgesamt 39 Fälle sexueller Gewalt nachgewiesen, und das über fast vier Jahrzehnte hinweg.

Schon 1996 hatte ein Vorgesetzter in seiner früheren Arbeitsstelle, der Psychiatrischen Klinik in Prag-Bohnice, Cimický vorgeworfen, Patientinnen sexuell nachzustellen. Zwar entließ ihn die Klinik, doch er behandelte in einer Privatpraxis weiter – und missbrauchte Frauen. Deswegen ist hierzulande die Diskussion aufgekommen, ob die Ärztekammer nicht schon viel früher hätte einschreiten müssen. Taťána Malá ist Abgeordnete der Oppositionspartei Ano:

„Die Medien haben auch über weitere Fälle berichtet, in denen Ärzte selbst nach einem Urteil noch weiter ordiniert haben. Da gab es vor kurzem ebenfalls einen Doktor, der Patienten missbraucht hat, verurteilt wurde, aber normal arbeitete.“

Taťána Malá  | Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

Milan Kubek ist Präsident der Tschechischen Ärztekammer (ČLK). Er betont, dass seine Institution nicht den ordentlichen Gerichten vorgreifen könne...

„Wir haben keine Möglichkeiten zu verhindern, dass so jemand weiter ordiniert, selbst wenn wir wissen, dass er sich wiederholt vergreift. Das geht erst ab einem rechtskräftigen Urteil. Und dies kann sich viele Jahre hinziehen, wenn alle Berufungsinstanzen berücksichtigt werden. Bis dahin haben wir keine Kompetenzen, um den Arzt oder die Ärztin sozusagen vom Dienst zu suspendieren“, so Kubek.

Strafen gegen Ärzte aussprechen kann die Kammer bisher nur in bestimmten Fällen – und zwar bei fachlichen Fehlern ihrer Mitglieder.

Doch Malá und fünf weitere Parlamentarierinnen sowohl der Opposition, als auch der Regierungsparteien haben sich mit Kubek zusammen darauf verständigt, eine Gesetzesnovelle vorzubereiten. Mit dieser soll die Ärztekammer mehr Kompetenzen erhalten. Weiterhin blieben die Ermittlungen bei der Polizei, betont Milan Kunek. Doch bei Vergewaltigungsvorwürfen und auch Fällen von Trunkenheit in der Praxis könne die Kammer die Ärzte vom Dienst suspendieren. Der Sprecher des tschechischen Gesundheitsministeriums, Ondřej Jakob, sagt dazu:

„Es ist sicher ein Thema für eine Diskussion. Tatsache ist aber auch, dass schon jetzt die Kompetenzen der Ärztekammer nicht gerade klein sind. Ihr Ehrenrat, der dem Gesetz nach ihre Disziplinarkommission ist, kann bei einem ernsten Verstoß gegen die Pflichten eines Mitglieds disziplinarische Maßnahmen ergreifen sowie jemanden entweder vorläufig oder endgültig aus der Kammer ausschließen.“

Auch das Fachportal Našezdravotnictví.cz beschäftigte sich mit dem Fall Cimický. In dem Zusammenhang verwies es darauf, dass die Ärztekammer einen Mediziner aus ihren Reihen ausschließen konnte, der Allgemeinarzt war, aber seine Patientinnen auch gynäkologisch untersucht hatte. Kubek weist aber darauf hin, dass ein suspendierter Arzt bisher solche Entscheidungen per vorläufigen Gerichtsbescheid anfechten und wieder in seine Praxis zurückkehren könne. Und genau das wolle man mit der Gesetzesnovelle ausschließen.

Jan Cimický | Foto: René Volfík,  iROZHLAS.cz

Auch der ehemalige Experte für Medizinethik an der Prager Karlsuniversität Marek Vácha glaubt, dass erweiterte Kompetenzen helfen würden:

„Die Tschechische Ärztekammer darf bisher nicht viel. Ihr Ethikkodex beschreibt sehr genau, was ein ethisches Fehlverhalten von Ärzten ist. Sexuelle Straftaten werden dort aber nicht explizit genannt. Falls also die Kompetenzen erweitert würden, trüge das sicher zur Sache bei.“

Zum Fall Cimický sagte Kubek vor einiger Zeit der tschechischen Presse, dass die Kammer nur hätte eingreifen können, wenn bei ihr eine Beschwerde eingegangen wäre. Das sei aber über die Jahrzehnte hinweg nicht geschehen, so der Präsident der Berufsvereinigung.

Autoren: Till Janzer , Veronika Rodriguez | Quelle: Český rozhlas
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