Ehemalige Regierungspartei von tschechischer Politszene verschwunden
Menschen kommen und gehen, sagt man oft. Dasselbe gilt aber auch für politische Parteien. Punkt Null Uhr am Neujahrstag 2008 ist wieder einmal eine Partei von der tschechischen Politszene verschwunden. Keine gewöhnliche allerdings. In den 90er Jahren war es eine Regierungspartei. Sie hieß „Demokratische Bürgerallianz“(ODA).
Die liberal-konservative ODA wurde nur einen Monat nach der Samtenen Revolution im November 1989 gegründet und ihre Minister saßen wiederholt in den Regierungen von Václav Klaus und auch in der Interimsregierung von Josef Tošovský. Ihre Wurzeln liegen aber in den 80er Jahren, in den so genannten Wohnungsseminaren der damaligen Dissidenten. Nach der Parlamentswahl 1998 verlor jedoch die ODA ihre Vertretung im Abgeordnetenhaus, und auch in der oberen Kammer des Parlaments, dem Senat, schrumpfte die ODA im Lauf der Zeit auf einige wenige Vertreter zusammen. Im Dezember 2007 war sie nur noch durch einen einzigen Senator vertreten, den heutigen Außenminister Karel Schwarzenberg. Daniel Kroupa, einer der Mitbegründer der Bürgerallianz, zieht Bilanz:
„Die Partei hat ihre Aufgabe erfüllt. Sie wollte die Reformen fördern, und das hat die ODA in der ersten Zeit ihrer Existenz auch getan. Damals spielte sie eine größere Rolle, als wir erwartet hatten. Offen gesagt, die ehemaligen ODA-Mitglieder, die in der heutigen Regierung sitzen, bekleiden höhere Ämter, als es in der Zeit des größten Ruhmes der Partei der Fall war. Leider nicht mehr zurückkehren wird die kreative Atmosphäre von damals.“
Außer Karel Schwarzenberg waren einst auch die heutigen Christdemokraten, Kulturminister Václav Jehlička und Verteidigungsministerin Vlasta Parkánová, sowie der bürgerdemokratische Justizminister Jiří Pospíšil (ODS) Mitglieder der ODA. Nach der Regierungskrise und dem Zerfall der Koalition im Herbst 1997 ging es mit der eine Zeit lang populären Bürgerdemokratischen Allianz eher bergab. Ihr Ende war nach Meinung des weiteren Parteibegründers Ivan Mašek unabwendbar. Er selbst trat 1997 aus der ODA aus:
„Dies war die Zeit, als Menschen die Oberhand in der Partei gewannen, mit denen ich nicht zusammenarbeiten wollte. Ich habe den Niedergang der ODA vorausgesagt. Schon damals habe ich behauptet, dass die ODA unter einer tödlichen Krankheit leide, und auch wenn ihre Agonie noch ein paar Jahre dauern werde, der Tod unausweichlich sei. Meine Prophezeiung ist in Erfüllung gegangen, wenn auch erst zehn Jahre später.“
Das Funktionieren der ODA wurde maßgeblich durch innerparteiliche Streitigkeiten behindert sowie durch ihre millionenschweren Schulden, die sie bis heute nicht ganz zurückgezahlt hat. Am 31. Dezember 2007, dem letzten Tag ihrer Existenz, warnte die ODA auf ihrer Webseite „vor der Vernetzung des organisierten Verbrechens und der so genannten VIP-Mafia mit den politischen Strukturen und Staatsämtern und der Entwicklung des Putinschen Russlands in Richtung eines totalitären Regimes“. Das Testament der ODA an die Welt haben am Silvestertag ganz bestimmt nur sehr -wenige Internetsurfer gelesen.