Ein Keks ist besser als kein Keks – die Lebensmittelbank in Prag

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Manche haben davon im Überschuss und andere können davon nur träumen: Lebensmittel. Wenn einer zu viel hat, dann kann er anderen etwas abgeben. Der Vermittler zwischen Produzenten und bedürftigen Konsumenten ist die Lebensmittelbank, eine gemeinnützige Einrichtung, die es erst seit ein paar Jahren auch in Tschechien gibt. Christian Rühmkorf hat sich in Prag umgeschaut, welchen Weg so manche Lebensmittel nehmen.

Die Ferrero-Filiale in Prag. Generaldirektor Vincenco Aiello hat ab und zu ein Problem. Ein Problem, das Kinder nicht kennen. Signor Aiello hat zu viel Schokolade.

„Das sind alles Waren, die wir eigentlich noch verkaufen könnten. Aber wenn ein Kunde seine Bestellung zurückzieht, dann haben wir manchmal mehr Schokolade als wir absetzen können. Overstock nennen wir das. Wenn wir also einen Schokoladen-Overstock haben, dann schicken wir sie an die Lebensmittelbank hier in Prag.“

Die Lebensmittelbank in Prag gibt es noch gar nicht so lange. Zwar gab es bereits in den frühen 90er Jahren den Versuch, ein System von Lebensmittelbanken in Tschechien einzurichten. Das ganze versandete aber bald. Es war schließlich der in Tschechien lebende französische Journalist Fabrice Martin-Plichta, der 2004 erneut auf die Idee kam, überschüssige Lebensmittel an Bedürftige weiterzuleiten.

„Das Wort Lebensmittelbank kannte ich aus Frankreich und der Grundgedanke schien mir so selbstverständlich, dass ich dachte, das gibt es in der Tschechischen Republik auch. Aber das war nicht so. Und deshalb habe ich bei verschiedenen charitativen Organisationen herumgefragt und und mich dann an die Arbeit gemacht.“

Zwei Jahre später, also 2006, eröffnete schließlich Fabrice Martin-Plichta die erste Lebensmittelbank in Prag.

„Sie dient einerseits im Kampf gegen die Verschwendung und Vernichtung von Lebensmitteln. Immer noch werden zu viele Lebensmittel in Tschechien auf die Müllkippe gebracht oder verbrannt. Und auf der anderen Seite hilft die Lebensmittelbank Armen und Menschen, die in Not geraten sind.“

In den USA und in Westeuropa sind Lebensmittelspenden von Firmen eine gängige Sache, erzählt Martin-Plichta. Mittelosteuropa habe da noch sehr viel Entwicklungspotenzial:

„Wir sind noch weit von der Situation in Westeuropa entfernt. In Mittelosteuropa ist Polen am fortgeschrittensten. Da sind schon mehr als 20 Lebensmittelbanken eingerichtet worden. Da hat man aber auch früh begonnen, schon vor 15 Jahren. Außerdem gibt es solche Banken noch in der Slowakei und in Ungarn. Aber diese beiden Länder stehen genauso wie Tschechien noch am Anfang. In allen drei Ländern wurden die Lebensmittelbanken 2006 gegründet.“

In Tschechien gibt es mittlerweile 3 Bank-Filialen. Bis zu 20 Firmen spenden, rund 100 soziale Einrichtungen profitieren von jährlich 300 Tonnen Lebensmitteln. Wenn ein Startkapital vorhanden ist, dann ist die Gründung einer Lebensmittelbank keine komplizierte Angelegenheit. Alles, was es dazu braucht, ist ein Büro, das zwischen den Lebensmittelfirmen und den charitativen Einrichtungen vermittelt. Und natürlich ein Lager:


Illustrationsfoto: ČTK
Eine kleine Lagerhalle am Stadtrand von Prag. Die kleine, etwa 40-jährige Pavlína Linhartová pumpt den Hubwagen hoch und schiebt mühsam eine vollbepackte Palette an ihren Platz. Eine Tonne Kindertraum aus Schokolade.

„Wir befinden uns hier im Lager der Lebensmittelbank. Von hier aus verteilen wir die angelieferten Lebensmittel der Firmen an verschiedene charitative Organisationen für Kinder, behinderte Menschen, Obdachlose usw.“

Heute ist die Lagerhalle nur zu einem Drittel gefüllt. Die Firmen liefern unregelmäßig, erklärt Pavlína Linhartova. Dafür finden wir hier aber die süße Lieferung von Senior Aiello. Kinder würden bei dem Anblick große Augen machen. Aber genau für sie sind die Süßigkeiten bestimmt. Nikolaus steht bald vor der Tür. Ansonsten liefern die Firmen vom Kaffee bis zur Konserven alles, was man in Küchen braucht. Aber wie sieht es aus mit der Haltbarkeit der Waren? Sind sie in der Regel abgelaufen?

„Nein. Die Sachen sind zwar meistens nur noch kurz haltbar, aber abgelaufene Waren dürfen wir gar nicht verteilen. Und wenn Frischware gebracht wird, dann kommen sofort die sozialen Einrichtungen und holen es ab“, berichtet Pavlína Linhartová


Das Kinderheim Känguruh – ebenfalls am Stadtrand von Prag. Hier sind Klein und etwas Größer untergebracht, wenn sie von ihren Eltern verlassen wurden, wenn sie gequält oder sexuell missbraucht wurden. Auch hierhin kommen die Waren aus der Lebensmittelbank. Jana Voldřichová, die Leiterin des Kinderheims Kanguruh:

„Die Lebensmittelbank hilft uns. Oft mit Süßigkeiten, aber auch mit vielen anderen Lebensmitteln, die wir täglich brauchen. Aber gerade jetzt vor Nikolaus und Weihnachten helfen uns besonders die Süßigkeiten. Die Kinder hier haben oft ein Selbstvertrauen voller Narben. In einer normalen Familie würden sie zum Nikolaus auch Süßigkeiten bekommen. Wenn die Kinder jetzt etwas mit in die Schule nehmen können, wofür wir sonst gar kein Geld hätten, dann haben auch sie mal das schöne Gefühl, etwas Besseres dabei zu haben.“

Ein kleines Problem ist manchmal allerdings das kurzfristige Haltbarkeitsdatum, wenn Süssigkeiten und andere Waren kommen.

Meistens läuft die Haltbarkeit ein paar Tage später ab. So kommt es dann, dass die Kinder manchmal an einem Tag fünf Schoko-Kekse bekommen, am nächsten dann nur noch einen und am dritten Tag keinen mehr.“

Das macht aber immerhin zusammen noch sechs Kekse. Und sechs Kekse von der Lebensmittelbank sind allemal besser als gar kein Keks.