Ein Mitschüler als Opfer: Mobbing an Schulen in Tschechien
Hänseln, einschüchtern, ausgrenzen: Die gemeldeten Fälle von Mobbing an Schulen in Tschechien nehmen zu. Während Online-Attacken immer häufiger werden, gehen die Fälle körperlicher Attacken nicht zurück.
An 57 Prozent der tschechischen Grundschulen wurden in den vergangenen drei Jahren Fälle von Mobbing untersucht. An den weiterführenden Schulen lag der Anteil sogar noch höher.
Die Jungs hätten sie zunächst verspottet, weil sie klug sei, dann weil sie fettleibig sei und später weil sie sich schlecht anziehe. Die Hänseleien hätten sich dann gesteigert…
Das ist einer von mehreren Dutzend Erfahrungsberichten, die dem Tschechischen Rundfunk in den letzten zwei Wochen geschildert wurden, nachdem ein entsprechender Aufruf ausgestrahlt worden war. Alle Fälle haben ein gemeinsames Merkmal: Ein Mensch wird aufgrund seiner Andersartigkeit gedemütigt.
Renata Vordová ist Lektorin beim Projekt „Mobbing minimieren“. Sie empfiehlt, zu Hause oder in der Schule daran zu arbeiten, wie Anderssein wahrgenommen wird. Dies sei die Grundlage von Prävention, sagt sie:
„Es ist in Ordnung und richtig, dass Menschen unterschiedlich sind. Es wäre optimal, wenn die Erwachsenen ihre Kinder in diesem Sinn erziehen würden. Wenn man sich damit beschäftigt, wird dies nicht als Andersartigkeit wahrgenommen.“
Nach Daten der Schulaufsichtsbehörde nimmt die Zahl der gemeldeten Fälle von Mobbing zu. Das müsse jedoch nicht unbedingt bedeuten, dass die Kinder aggressiver seien als früher, sagt der leitende Schulinspektor, Tomáš Zatloukal. Ihm zufolge berichten die Schulen heute häufiger als früher über Mobbing. Vorsichtig sollte man aber auch sein, wenn eine Schule behaupte, dass Übergriffe dieser Art bei ihr nicht vorkämen, warnt Zatloukal:
„In jeder Schule gibt es Erscheinungsformen von Risikoverhalten. Die Annahme, dass es an einer Schule kein Mobbing gebe, ist die Voraussetzung für ein künftiges Problem.“
Die Experten raten davon ab, den Begriff übermäßig zu verwenden. In der Gesellschaft werden fälschlicherweise alle Streitigkeiten zwischen Kindern als Mobbing bezeichnet, selbst wenn es sich um einmalige Vorfälle handele. Vordová beschreibt, was tatsächlich als Mobbing gilt:
„In einem solchen Fall dauert es eine längere Zeit. Es geschieht nie, dass eine Gruppe jemanden auf einmal packt und aus dem Fenster wirft. Mobbing fängt mit Beleidigungen und Beschimpfungen an. Falls sich niemand dagegenstellt, werden die Übergriffe gesteigert.“
In den vergangenen Jahren haben auch die Fälle von Cybermobbing zugenommen. Pavel Schweiner ist Mitarbeiter am Projekt E-Bezpečí, das sich auf die Sicherheit von Kindern im Internet konzentriert. Seinen Aussagen nach ihm ist es sehr schwierig, dieses Vorgehen zu verhindern. Denn die Methoden würden sich ebenso schnell weiterentwickeln wie die Technologien selbst.
„Wir haben festgestellt, dass 80 Prozent der befragten Kinder bereits künstliche Intelligenz irgendwie genutzt haben. Leider ist dies auch auf sehr unangebrachte Weise geschehen.“
Nach Cybermobbing greifen oft Personen, die im persönlichen Kontakt nicht aggressiv sind. Die Online-Demütigung könne aber oft auch von verbalen oder körperlichen Aggressionen begleitet sein, sagt Schulinspektor Tomáš Zatloukal:
„Die Technologien werden bei realen Angriffen missbraucht, wenn diese aufgenommen und die Aufnahmen später im Netz veröffentlicht werden. Diese Art Mobbing ist tückischer, denn der Aggressor ist anonymer.“
Verspottende Fotomontagen, Drohbotschaften, Veröffentlichung intimer Gespräche, aber auch die Arbeit mit künstlicher Intelligenz und Deep-Fake-Systemen: Das sind Methoden, mit denen sich Kinder schon in der Grundschule konfrontiert sehen. Eine der häufigsten Formen von Cybermobbing ist derzeit das Ausgrenzen, wobei das Opfer aus einem Klassenchat ausgeschlossen wird.