„Eine große Chance für Nachwuchssänger“

Carolin Wielpütz (Foto: Martina Schneibergová)

Seit Sonntag findet in Prag der internationale Gesangswettbewerb Operalia statt. 40 junge Opernsängerinnen und -sänger aus der ganzen Welt sind in die tschechische Hauptstadt gekommen, um sich einer internationalen Jury vorzustellen. Den Wettbewerb hat die Tenorlegende Placido Domingo 1993 ins Leben gerufen, der auch mit dabei ist in Prag. Jurymitglieder sind Vertreter renommierter Opernhäuser. Eine der Jurorinnen ist Carolin Wielpütz, die bei der Oper im Theater Bonn als künstlerische Betriebsleiterin angestellt ist. Nach dem ersten Viertelfinale des Wettbewerbs hat Martina Schneibergová mit Carolin Wielpütz gesprochen.

Carolin Wielpütz  (Foto: Martina Schneibergová)
Frau Wielpütz, worin sehen Sie die größte Bedeutung der Operalia-Sängerwettbewerbe?

„Er ist eine große Chance für junge Nachwuchssängerinnen und -sänger sich vorzustellen und zu beweisen. Gerade im Fall von Operalia ist bestehen Reiz und Vorteil darin, dass die Jury aus vielen sehr bedeutenden Persönlichkeiten der internationalen Opernszene besteht. Außerdem ist Plácido Domingo der Ehrenvorsitzende. Auch er hat dementsprechend ein Ohr darauf und begleitet und betreut die Sängerinnen und Sänger intensiv. Er hört sie sich immer wieder an und berät sie. Das macht diesen Wettbewerb meiner Meinung nach sehr bedeutend.“

Sind Sie zum ersten Mal Mitglied der Jury?

Foto: Archiv Operalia
„Nein, es ist tatsächlich mein drittes Jahr. Ich war vorher in Kasachstan und letztes Jahr in Lissabon.“

Sie haben bereits den ersten Tag hinter sich. Kann man das irgendwie vergleichen?

„Ich denke, in den ersten Runden ist es ein bisschen schwierig zu sagen, welches Jahr besser war, oder ob dieses Jahr die größeren Talente dabei sind. Das kann man im Semi-Finale besser einschätzen. Da reduziert sich die Anzahl der Teilnehmer auf 20. Dennoch ist mein Gefühl gut. Wir haben eine große Auswahl von Sängerinnen und Sängern aus sehr unterschiedlichen Fächern. Bei dem einen oder anderen haben wir sehr positiv aufhören können.“

Foto: Archiv Operalia
Ist es nicht schwierig für eine Jurorin eine Mezzosopranistin mit einem Countertenor zu vergleichen?

„Ja, das ist schon so. Gerade, weil natürlich ein sehr unterschiedliches Repertoire gesungen wird und dabei sehr unterschiedliche Dinge wichtig sind. Man muss immer wieder zurückgehen und sich auf die Person fokussieren. Allein da gibt es ja sehr viele Aspekte, die die Entscheidung beeinflussen. Das ist natürlich einerseits die Stimme, das Stimmpotential, aber auch die Gestaltung, Phrasierung und Dynamik. Wie der Sänger beziehungsweise die Sängerin die Rolle gestaltet ist wichtig, ebenso die Persönlichkeit, die wir auf der Bühne sehen. Denn es geht ja darum, dass wir einen gestaltenden Sänger suchen, keinen Konzertsänger. Auf der Basis ist es dann wichtig, jeden Einzelnen hinsichtlich dieser Kriterien zu beurteilen.“

Haben Sie durch Ihr Theater schon Erfahrungen mit jemandem gemacht, der erfolgreich bei diesem Wettbewerb war?

„Wir hatten tatsächlich drei Sängerinnen und Sänger aus diesem Wettbewerb, die bei uns unter Vertrag genommen wurden. An der einen oder anderen Stelle hatten wir ein bisschen Pech, denn eine Sängerin wurde schwanger und konnte ihre Arbeit bei uns nicht antreten. Ein anderer hat in Los Angeles ein Opern-Studio-Engagement erhalten. Insofern sind wir da immer ganz nah dran, aber die Sängerinnen und Sänger sind auf so einem hohen Niveau, dass schnell die ganz großen Häuser anklopfen. Die haben dann natürlich etwas bessere Chancen, als wir in Bonn. Aber das spricht ja für unseren Wettbewerb.“

Bonner Oper  (Foto: Sir James,  Wikimedia Commons,  Public Domain)
Sie sind künstlerische Betriebsdirektorin. Ist es schwer, neue Sängerinnen und Sänger für das Theater in Bonn zu gewinnen?

„Wir finden schon immer welche. Es ist ja so, dass das Theater Bonn ein Repertoire-Theater ist. Das bedeutet, dass wir hauptsächlich mit Ensemble-Sängern arbeiten. Ein Sänger ist also wirklich das ganze Jahr bei uns unter Vertrag. In der Vergangenheit war das auch bei den ganz großen Interpreten normal. Denn es geht ja darum, die Stimme und ein Repertoire aufzubauen. Die Tendenz geht leider dahin, dass viele Sängerinnen und Sänger keinen Vorteil mehr in dieser Ensemble-Position sehen. Sie gehen am liebsten ganz schnell an die ganz großen Häuser. Ich sehe darin aber eine große Gefahr, denn gerade bei jungen Künstlern kann es passieren, dass sie den Anschluss verlieren oder ihre Stimme zu sehr belasten. Manche singen auch jahrelang nur kleine Rollen an großen Häusern. Bisher waren wir aber immer noch erfolgreich damit, spannende Sängerinnen und Sänger zu finden, die für uns arbeiten wollten.“

Haben Sie Erfahrung mit Sängern aus Tschechien?

„In Bonn noch nicht. Natürlich kennt man aber in der Opernszene den ein oder anderen. In unserem Ensemble hatten wir aber noch niemanden.“

Wie kann man sich diesen Wettbewerb vorstellen? Gibt es etwas Obligatorisches oder ist die Wahl frei?

„Das ist relativ frei. Jeder soll vier Arien mitbringen, die er oder sie meint am besten präsentieren zu können. Üblicherweise ist es so, dass die erste Arie in Runde eins ausgewählt werden darf. Die zweite wird dann von der Jury ausgesucht.“

Gibt es Fälle, in denen sich die Jury nicht einigen kann?

„Nein, eigentlich fast nie. In den meisten Fällen sind wir uns sehr einig, welches Repertoire dann sinnvollerweise noch präsentiert werden sollte. Manchmal gibt es zwischen der einen oder anderen Arie Tendenzen, aber es ist ja so, dass der Sänger, die Sängerin, sich auf jeden Fall weiter präsentiert mit einem bestimmten Stück. Insofern gibt es nie Streit.“

Wurden bereits tschechische Arien präsentiert?

„Nein, bisher noch nicht. Das kann aber noch kommen.“

Plácido Domingo  (Foto: Martina Schneibergová)
Konnten Sie sich hier im Nationaltheater noch eine Oper ansehen, bevor die Saison zu Ende gegangen ist?

„Ich war tatsächlich schon mal hier. ‚La Traviata‘ war das letzte Stück, das ich hier gesehen habe. Jetzt, da das Theater für den Wettbewerb reserviert ist und sich in der Sommerpause befindet, hatte ich nicht die Chance. Wir Jurymitglieder reisen aber natürlich sehr viel, um auch zu sehen, was die Nachbarn machen und wie die Sänger in Produktionen sind.“

Wie ist die Zusammenarbeit mit einem so bekannten Künstler wie Plácido Domingo?

„Sie ist ganz wunderbar. Denn trotz der großen Karriere ist er ein absolut zugänglicher Mensch geblieben. Er ist sehr freundlich, hat viel Geduld und die Nachwuchsförderung hat für ihn eine große Bedeutung. Das ist wirklich sehr schön zu sehen. Auch die Jury, in der ich jetzt seit drei Jahren sitze, besteht schon lange aus sehr vielen gleichen Mitgliedern. Wir sind zu einer Art Familie zusammengewachsen. Er ist auf eine angenehme und kollegiale Weise deren Oberhaupt. Die Jury ist eigenständig, er entscheidet nicht.“


Das Finale des Wettbewerbs findet am Freitag um 18 Uhr im Prager Nationaltheater statt. Es gibt noch Restkarten.