Einmischung ist erwünscht: Eva van de Rakt von der Heinrich Böll Stiftung
In unserer Sendereihe "Heute am Mikrophon" stellen wir Ihnen derzeit einige deutsche politische Stiftungen vor, die in Prag aktiv sind. Diesmal ist Eva van de Rakt an der Reihe, die Leiterin des Prager Büros der Heinrich Böll Stiftung, die den deutschen Grünen nahe steht. Gerald Schubert hat mit ihr gesprochen:
"Die Heinrich Böll Stiftung ist ebenfalls eine politische Stiftung mit Hauptsitz in Berlin, und sie steht der deutschen Partei Bündnis 90 / Die Grünen nahe."
Sie haben ebenfalls Außenstellen in ganz Europa bzw. in der ganzen Welt?
"Ja, in der ganzen Welt. Wobei das Prager Büro Anfang der neunziger Jahre als erstes Auslandsbüro der Stiftung gegründet wurde."
Kommen wir nochmals zurück zum Namen. Was hat Heinrich Böll mit Ihrer Stiftung oder mit den deutschen Grünen zu tun?
"Heinrich Böll war ein sehr bekannter Schriftsteller, der sich durch viel politisches Engagement ausgezeichnet hat. Er spielte auch für die Partei Bündnis 90 / Die Grünen eine sehr wichtige Rolle. Beim Leitgedanken der Stiftung, 'Einmischung ist erwünscht', handelt es sich um ein Zitat von Heinrich Böll."
Bleiben wir doch noch beim Grundgedanken der Stiftung, bevor wir konkret nach Prag blicken: In welchen Bereichen mischen Sie sich denn ein, und auf welche Weise?"Die vorrangige Aufgabe der Stiftung ist die politische Bildung im In- und Ausland. Wir arbeiten mit Nichtregierungsorganisationen im Bereich Umwelt, Ökologie, Demokratie, Menschenrechte und Frauenförderung bzw. Geschlechterdemokratie zusammen. Hauptziel ist es, gesellschaftspolitisches Engagement und demokratische Willensbildung zu fördern."
Nehmen wir das erste Ziel, das Sie genannt haben: Politische Bildung. Was konstatieren Sie denn da für die Tschechische Republik, und welche Möglichkeiten haben Sie, dort zu helfen, wo Sie Hilfe für nötig halten?
"Politische Bildung ist natürlich ein sehr allgemeiner Begriff. Wir haben aber bestimmte Themenbereiche, auf die wir uns konzentrieren. Erstens: Umwelt und nachhaltige Entwicklung - seit 2005 mit dem Schwerpunkt Energiepolitik. Unser zweiter Themenschwerpunkt hier im Prager Büro ist Minderheitenpolitik. Da bieten wir Seminare an zur Situation der Sinti und Roma in den 25 EU-Staaten, und wir versuchen, NGOs in diesem Bereich zu vernetzen. Unser dritter Themenschwerpunkt im Moment heißt 'Globalisierung gestalten'. Da arbeiten wir mit dem 'Institut für globale Politik' zusammen und konzentrieren uns in diesem Jahr auf das Thema Entwicklungs- und Handelspolitik. Wir arbeiten also in Form von Seminaren, Workshops und Vernetzungstreffen. Wir organisieren auch Besucherreisen nach Berlin und Brüssel, bei denen tschechische und slowakische NGOs die Möglichkeit bekommen, sich vor Ort auszutauschen, zu vernetzen und zu informieren."
Was haben Sie denn für einen Eindruck davon, auf welchen Boden Ihre Aktivitäten in der Tschechischen Republik fallen? Ist politische "Einmischung aus dem Ausland" überhaupt erwünscht?"Ich habe das Gefühl, dass unsere Arbeit sehr wohl respektiert wird. Die Frage wird mir interessanterweise immer gestellt. Natürlich mischen wir uns ein. Aber dass man der Heinrich Böll Stiftung unterstellen würde, sie mische sich ein, ohne ein Recht darauf zu haben, diese Erfahrung habe ich hier noch nicht gemacht. Im Gegenteil: Unsere Projektpartnerinnen und -partner betonen eigentlich immer, wie wichtig es ist, dass es solche Stiftungen im Land gibt."
Wie ist es für Sie als Leiterin einer Stiftung der deutschen Grünen, die ja Regierungsverantwortung haben, in einem Land zu arbeiten, in dem die Grünen noch nicht mal im Parlament sind? Orten Sie hier noch den Bedarf an einer gewissen Bewusstseinsentwicklung? Wie optimistisch oder pessimistisch sind Sie da, was die Tschechische Republik betrifft?
"Ich denke, die tschechischen Grünen haben eigentlich sehr viel versprechende Prognosen. Sie liegen im Moment bei etwa 3,2 Prozent. Ich glaube, das zeigt schon, dass die tschechischen Grünen sich gut profiliert haben. Umweltthemen werden natürlich oft den Grünen zugeordnet, aber ich meine nicht, dass diese Themen wirklich parteigebunden sind. Wir hatten jetzt zum Beispiel im tschechischen Parlament eine Veranstaltung zur neuen Chemikalienpolitik, und es ist durchaus interessant, mit allen Parteien darüber zu diskutieren. Sie werden in allen Parteien Stimmen dafür und dagegen finden. Was das Umweltbewusstsein der tschechischen Bürgerinnen und Bürger betrifft, so ist hier natürlich noch einiges aufzuholen. Man sieht aber durchaus auch hier Verbesserungen, etwa im Bereich der erneuerbaren Energien. Es ist gut, dass etwa das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energiequellen jetzt vom Abgeordnetenhaus und vom Senat verabschiedet wurde. Ich denke, das zeigt, dass es einen Wandel gibt, eine Bereitschaft, die geeigneten Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Man kann das zum Beispiel auch im Bereich der ökologischen Landwirtschaft sehen. Also: Es gibt durchaus Erfolge, die man anerkennen muss und die sehr zu begrüßen sind. Aber natürlich gibt es auch noch viel Aufklärungsbedarf und den Bedarf für weitere Förderungen."
Ich muss mich noch korrigieren: Im Abgeordnetenhaus gibt es keine Grünen, aber in den Senat wurde ja kürzlich jemand gewählt, der für die Grünen kandidiert hat."Genau, das wollte ich gerade erwähnen: Die tschechischen Grünen sind ja seit November sehr wohl in einer Parlamentskammer vertreten, nämlich im Senat. Selbst wenn Jaromír Stetina ohne Parteizugehörigkeit auf der Liste der Grünen antrat, so denke ich, dass das ein sehr großer Erfolg ist."
Abschließend noch zu Ihnen persönlich: Sie sprechen sehr gut tschechisch. Offensichtlich ist es kein Zufall, dass es Sie ausgerechnet nach Prag verschlagen hat.
"Ich lebe seit acht Jahren in Prag. Mein Mann ist Tscheche. Ich habe mich relativ schnell entschieden, diese Sprache gut zu lernen, denn ich denke, dass eine Sprache immer ein Schlüssel zum Land ist. Ich könnte mir gar nicht vorstellen, die Sprache nicht zu sprechen. Es war natürlich nicht einfach, und ich denke, viele Deutsche hier wissen, dass das Tschechische nicht im Handumdrehen zu lernen ist. Jetzt bin ich recht zufrieden. Ich mache zwar noch Fehler, aber ich gebe mir sehr viel Mühe."