Emil Filla - tschechischer und europäischer Maler

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Die Maler Emil Filla und Jan Zrzavy waren Zeitgenossen. In die Geschichte der modernen tschechischen, aber auch der europäischen Kunst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist allerdings jeder von ihnen auf eine etwas unterschiedliche Art und Weise eingegangen. Umfassende Retrospektiven mit Werken der beiden Künstler finden derzeit in den Galerien "Reitschule der Prager Burg" und "Waldsteins Reitschule" in der Prager Kleinseite statt. Die letztere, die Ausstellung von Jan Zrzavy also, konnten sie kürzlich bereits im Rahmen unserer Sendereihe Spaziergang durch Prag besuchen. Jitka Mladkova lädt Sie zu einem Treffen mit dem Maler Emil Filla ein.

Emil Filla, geboren als Sohn eines Eisenbahners am 4. April 1882 im mährischen Chropyne", wird als einer der wichtigsten Vertreter des tschechischen Kubismus bezeichnet. Es war aber nicht der einzige Kunststil, der in Fillas Werk vertreten ist.

Nach dem Studium an der Akademie der bildenden Künstte in Prag unternahm Filla mehrere Studienreisen, vor allem nach Paris. 1907gründete er mit einigen anderen jungen Künstlern die Gruppe Osma (Die Acht), die sich an der Malerei der Pariser Fauves und an den deutschen Brücke-Künstlern orientiert. Am Anfang seiner künstlerischen Laufbahn hat sich der Maler zunächst dem Expressionismus zugewandt. Neben diesen Einflüssen orientiert sich Emil Filla aber auch an Malern wie Munch und El Greco. Der Einfluss des norwegischen expressionistischen Malers Edward Munch war nach Meinung von Tomas Vlcek, Kurator der Prager Filla-Ausstellung, ausschlaggebend:

"Munch hat der ganzen Malergeneration von Filla die Augen geöffnet. Aus dieser Periode stammen auch seine schönsten Bilder schlechthin, wie 'Die Liebesnacht', ´Das Kind am Wald´ und andere. Man darf aber nicht vergessen, dass Munch nicht nur norwegischer Maler war. Er war ein großer Kolorist, der die Pariser Kunstszene intensiv erlebte und französischen Impressionisten nahe stand. Gerade das konnte Filla in seinem Schaffen fortsetzen. Plötzlich aber macht er halt und schaut sich nach Honore Daumier um. Es ist also eine Art Kampf um die Wahrheit der Form. Direkt an Daumier knüpft dann Fillas Bild ´Schläfer im Zug dritter Klasse´, später zum Beispiel auch ´Der barmherzige Samariter´an. Das Sujet des letzteren Bildes beinhaltet auch schon kubistische Ausdrucksformen."

1911 gründet Emil Filla mit weiteren 14 avantgardistischen Künstlern die Gruppe "Skupina", die bis 1914 das Zentrum der tschechischen Kubisten darstellt. Damals lernt er in Paris George Braque und Pablo Picasso kennen. Schon seit 1913 manifestiert sich deutlich der Kubismus im Werk von Emil Filla. Es beginnt eine bedeutende Etappe seines künstlerischen Werdegangs:

"Filla entdeckt die Kollage als ein Medium, mit dem er sich identifizieren kann. Mittels der Kollage kommt er näher an Gegenstände ran. Diese Rückkehr zu den Gegenständen ist großartig. Filla kann bis in die 20er Jahre seinen kubistischen Weg gehen. Er malt Stillleben und Figuren, wobei die letzteren Anfang der 30er Jahre von großer Bedeutung waren."

Genau, die Figuren stellen nämlich für Filla den Ausgangspunkt für seine Polemik mit dem Kubismus dar, die er bereits unter der Flagge einer neuen Malkunst führt. Er ist darauf bedacht, den elementaren Instinkt in der Malerei zu reflektieren, der in einer Farbenüppigkeit und der absoluten Befreiung der Form Ausdruck findet. Es sei eine einzigartige Schaffensperiode Emil Fillas gewesen, sagt der Kunsthistoriker Tomas Vlcek. Und außerdem:

"Dieses Kapitel der dramatischen Ausdrucksweise hat auf seine Art und Weise den Weg der politischen Ereignisse vorgezeichnet, nämlich das Kommen der totalitären Regime - des faschistischen und des kommunistischen."

Nach einigen Jahren in Amsterdam lebte Emil Filla bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Prag. Hier nimmt er an fast allen gesamtstaatlichen Ausstellungen teil. Im Einklang mit dem dramatischen Zeitgeschehen in Europa der 30er Jahre verbindet sich die künstlerische Aussage des Malers zunehmend auch mit der Akzentuierung humanistischer Themen der Malkunst. Von 1939-45 war Filla in den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald interniert.

Nach dem Krieg wurde er zum Professor an der Prager Hochschule für Kunstgewerbe ernannt und erhielt vom Staat die Möglichkeit, im Schloß Peruc seine Sammlung buddhistischer, tschechischer, schwarzafrikanischer und italienischer Kunst dauerhaft auszustellen. Nach der Machtübernahme durch die Kommunisten in 1948 zog sich Filla zurück. Bis zu seinem Tod 1953 widmete er sich der Landschaftsmalerei.

Über 50 Jahre sind seit dem Tod von Emil Filla vergangen und in der langen Zeit haben sich nur wenige Kunsthistoriker mit seinem Werk umfassend auseinandergesetzt. Bereits zu Fillas Lebzeiten, vor dem Krieg also, machte es einer der größten tschechischen Kunsttheoretiker und Kunsthistoriker Vincenc Kramar. Tomas Vlcek:

"Kramar verfolgte Fillas Entwicklung aus dem Blickwinkel des Kubismus. Dabei hat er die Einschätzung des Malers übermäßig an den Aspekten der kubistischen Poetik orientiert. Kramar bestand darauf, dass gerade der Kubismus Fillas Imaginationskraft sowie die Hand des Malers befreit habe. Es stimmt schon, aber Kramar bezeichnete Filla als einen kubistischen Maler noch in einer Zeit, als der Maler selbst bereits gegen den Kubismus, namentlich gegen seine orthodoxe Poetik, auftrat. Als Vorkämpfer der neuen Bedürfnisse der Kunstauffassung des 20. Jahrhunderts."

Kurz nach dem Krieg, als Filla aus dem Konzentrationslager zurückkam, hat die Prager Künstlervereinigung "Manes" eine Ausstellung seiner Werke veranstaltet. Die jetzige Ausstellung in der Galerie "Reitschule der Prager Burg" ist ein verspätetes Tribut, das diesem tschechischen Künstler gezollt wird. Wenigstens etwas Positives bringt der verspätete Termin mit sich, sagt Tomas Vlcek:

"Ich glaube, der große Zeitabstand und die Unfähigkeit unserer Nationalkultur, sich mit einem derartig außergewöhnlichen Künstler wie Emil Filla zu befassen und auseinanderzusetzen, haben ermöglicht, dass ganz neue Meinungen in Fillas Einschätzung zur Geltung kommen konnten. Und dadurch hat Emil Filla mit dem Zeitabstand eigentlich eine viel bessere Chance zur Präsentation bekommen."

Die Ausstellung "Emil Filla" bleibt bis zum 31. Oktober geöffnet.