Empfindliche alte Dame: Original-Urkunde König Václavs I. erstmals ausgestellt

Siegel König Wenzels I. (Foto: Nationales Denkmalamt)

Normalerweise wird sie verschlossen in einer Truhe aufbewahrt: die mehr als 750 Jahre alte Schenkungsurkunde der Bartholomäus-Kapelle auf der Prager Burg. Doch für kurze Zeit wird das wertvolle Original nun der Öffentlichkeit gezeigt – im Rahmen der Ausstellung über die Herren von Rosenberg in der Waldstein-Reitschule unterhalb der Prager Burg. Für Historiker, aber genauso für das interessierte Publikum ist das ein außergewöhnliches Ereignis. Für die Archivare ist es eher ein Alptraum: Zumindest mussten sie „die alte Dame“ erst einmal fit machen für ihren Auftritt. Wie das geschah, welche Bedeutung das Schriftstück hat und welche Geschichte, dazu nun mehr in einer neuen Ausgabe unseres Kapitels aus der tschechischen Geschichte.

Siegel König Wenzels I.  (Foto: Nationales Denkmalamt)
Es war der böhmische König Václav I., der die Schenkungsurkunde ausstellen ließ. Heutzutage wird das Dokument in den Sammlungen des Domkapitels aufbewahrt, diese gehören zu dem umfangreichen Archiv der Prager Burg mit unzähligen Schriftstücken, die von der Geschichte der böhmischen Könige und habsburgischen Kaiser erzählen.

„Nimmt man das Alter, ist es nur die Nummer 26 in den Sammlungen des Domkapitels“, gesteht Martin Halata vom Archiv der Prager Burg.

Die Schenkungsurkunde ist also bei Weitem nicht das älteste Dokument. Die Wahl fiel dennoch auf dieses Stück. Ein Grund ist der Rahmen, in dem es gezeigt wird: bei der Ausstellung über die Herren von Rosenberg.

Waldstein-Reitschule | Foto: Radio Prague International
„Wir wissen, dass über die Schenkung am 22. Juni 1250 verfügt wurde. Meine Historikerkollegen glauben, dass es eine der ersten Nennungen des Namens Woch de Rosenberg in der tschechischen Geschichte ist“, so Halata.

Seit vergangenem Montag und nur noch bis zum kommenden Montag ist die Urkunde in der Waldstein-Reitschule unterhalb der Prager Burg zu sehen.



Wok I. von Rosenberg
Woch de Rosenberg, wie er in der Urkunde genannt wird, ist im Übrigen Wok I. von Rosenberg, Begründer des Adelsgeschlechts der Rosenberger. Angesiedelt in Südböhmen, wurden die Rosenberger zwischen dem Hochmittelalter und der frühen Neuzeit zu einer der mächtigsten Familien am böhmischen Herrscherhof. Wok I. war oberster Marschall des Königreichs Böhmen und Landeshauptmann der Steiermark. Doch was haben die Urkunde und der Herr aus Rosenberg miteinander zu tun? Petr Pavelec ist Autor der Ausstellung über die Rosenberger, in deren Rahmen das Schriftstück gezeigt wird, und leitet die Außenstelle des Nationalarchivs in südböhmischen České Budějovice / Budweis:

Petr Pavelec  (Foto: Nationales Denkmalamt)
„Der König stellte seine Urkunden aus, um seinen Nächsten und seinen Dienern zu helfen. Diese Urkunde hat er zugunsten des Domkapitels der St.-Veitskirche auf der Prager Burg anfertigen lassen. Die Kirche war der Vorläufer des heutigen Veitsdoms. Und Wok von Rosenberg wird dort zum ersten Mal in der Geschichte erwähnt. Für uns gilt das als der Beginn der schriftlichen Aufzeichnungen zu dieser Adelsfamilie. Unter anderem ist die Urkunde wichtig, weil Wok von Rosenberg dort als einer der führenden Adeligen des Landes genannt wird. Er war am Königshof beschäftigt und stieg im Rang noch weiter. Unter Otakar II., dem Nachfolger von Václav I., gelangte Wok von Rosenberg in die höchsten Ämter. Doch schon in der Urkunde wird er unter den führenden Adeligen an erster Stelle in der Reihe der Zeugen genannt. In diesem Sinn also: die älteste schriftliche Nennung und zugleich der Beweis, dass er zur aristokratischen Elite gehörte.“

Václav  (Wenzel) I.
Soweit die historische Dimension des Papiers, das eigentlich kein richtiges Papier ist. Papier besteht aus pflanzlichen Fasern, die Urkunde wurde jedoch aus Pergament gefertigt, also einer leicht bearbeiteten Tierhaut. Was aber geschah mit der Urkunde, nachdem sie herausgegeben wurde? Sie verschwand ganz einfach im Archiv auf der Prager Burg, sagt Marek Suchý, Kurator der Ausstellungen des Domkapitels auf der Prager Burg. Und das beeinflusse auch den heutigen Umgang mit ihr:

„Die Urkunde wurde bereits im Moment des Entstehens zusammengefaltet und wurde in dieser Form wohl in eine Truhe gelegt. Heute besteht die Tendenz, solche Pergamentblätter zu glätten. Das ist meiner Meinung nach aber ein ziemlich starker Eingriff. Ich denke, sie sollten eher in der Form aufbewahrt werden, wie dies über die Jahrhunderte geschehen ist.“



Marek Suchý,  Martin Halata,  Petr Pavelec und die Urkunde König Václavs  (Wenzels) I.  (Foto: ČTK)
Eine richtige spannende Geschichte hat die Urkunde also nicht. Sicher auch ein Grund, warum sie so gut erhalten ist. Spannender ist aber die Pflege, die die „alte Dame“ erhält. Martin Halata, Leiter des Archivs der Prager Burg, schildert die Maßnahmen:

„Die Urkunde wird, wie bereits gesagt wurde, in dem ursprünglichen gefalteten Zustand aufbewahrt, in dem sie sich seit dem 13. Jahrhundert befindet. Sie wird regelmäßig kontrolliert. Wir versuchen das Klima am Ort der Aufbewahrung konstant zu halten, das bedeutet 55 Prozent Luftfeuchtigkeit und eine Temperatur von maximal 20 Grad Celsius. Die Urkunde wurde im vergangenen Jahr mit modernen Konservierungs- und Restaurierungsmethoden erneut an ihren Platz zurückgelegt. Das heißt, das Siegel, das extra angehängt ist, wurde noch einmal eigens in säurefreies Papier verpackt. Aber restauriert haben wir die Urkunde bei dieser Gelegenheit nicht, denn wir folgen dem Trend, Urkunden ihrer natürlichen Entwicklung zu überlassen.“

Urkunde König Václavs  (Wenzels) I.  (Foto: ČTK)
Dass das Schriftstück nun aber an die Ausstellung verliehen wurde, ist eigentlich ein Verstoß gegen die Philosophie der Archivare auf der Prager Burg. Zumal dies heutzutage kaum noch geschieht, anstatt des Originals wird der Öffentlichkeit meist nur eine Kopie zu gezeigt. Doch die Ausstellungsmacher um Petr Pavelec wollten genau diese Urkunde und schufen dafür alle nötigen Voraussetzungen: eine sehr kurze Ausstellungszeit, wenig Beleuchtung, das richtige Klima im Raum sowie die Herstellung eines speziellen Transportbehälters. Und so ließ auch Marek Suchý seine Bedenken fallen:

Rosenberger Wappen  (Foto: Barbora Kmentová)
„Wozu es jetzt für eine kurze Zeit gekommen ist, ist eine große Ausnahme. Wir haben die Urkunde aber auch nur so weit geöffnet, wie es das Pergament erlaubt hat. Das zugehörige Pult, auf dem die Urkunde liegt, wurde von unserer Konservatorin maßgefertigt für das Pergament.“

Der Autor der Ausstellung über die Rosenberger, Petr Pavelec, ist jedenfalls froh - auch wenn am kommenden Montagabend die Urkunde bereits wieder im Archiv verschwinden muss. Und nicht nur das: Die nächste Möglichkeit, ein Blick auf das Original zu werfen, ergebe sich vielleicht erst wieder für die nächste Generation, glaubt Pavelec.

Ausstellung über die Herren von Rosenberg  (Foto: Barbora Kmentová)
Könnte aber bei der Ausstellung in den nächsten Wochen noch einmal ein ähnlich interessantes Original zu sehen sein? Petr Pavelec bejaht, bleibt aber geheimniskrämerisch:

„Wir haben noch einige interessante und wichtige Rosenberger Artefakte sowie Gegenstände, die mit dem Erbe der Rosenberger verknüpft sind, im Auge. Wir wissen jedoch nicht, ob wir sie noch während der Ausstellung als Leihgaben erhalten. Welche Stücke das sind, das behalte ich lieber für mich.“

Die Ausstellung über die Herren von Rosenberg dauert noch bis zum 20. August.

Autor: Till Janzer
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