Endstation Brauerei: Bei Kocour in Varnsdorf werden seit 15 Jahren besondere Biere hergestellt
In der Brauerei Kocour in Varnsdorf / Warnsdorf wird seit 15 Jahren Bier gemacht. Das Areal befindet sich unmittelbar an der Grenze zu Deutschland. Woher das Wasser für das Bier kommt, ob aus Tschechien oder aus Sachsen, das weiß auch der Brauereibesitzer nicht. Radio Prag International hat auf ein Mittagessen und ein kühles Blondes vorbeigeschaut.
Sie ist wohl die einzige Brauerei in Tschechien, die einen eigenen Bahnhof hat: die Braurei Kocour in Varnsdorf. Eigentlich herrscht auf der Strecke Durchgangsverkehr zwischen Liberec / Reichenberg und dem sächsischen Seifhennersdorf, einer Route, auf der der Zug mehrmals die Staatsgrenze überquert. Doch aufgrund einer Sperrung heißt es nun: Endstation Brauerei.
Gründer der Braurei Kocour und derjenige, der die Idee zum hauseigenen Bahnhof hatte, ist Josef Šusta. Wir haben uns zum Mittagessen im hauseigenen Lokal verabredet, beginnen das Gespräch am Esstisch, doch dann wird bereits das Gericht der Wahl gebracht.
Beide haben wir uns für den Mährischen Spatzen entschieden, also Schweinefleisch mit Knödeln. Heute gibt es als Beilage Kraut statt Spinat, denn der sei ausgegangen, scherzt Josef Šusta. Der Brauereibetreiber trinkt ein Wasser, er müsse später noch Auto fahren. Da ich mit dem Zug unterwegs bin, bin ich in der komfortablen Lage, eines der Biere probieren zu können. Ich entscheide mich für das „dvanáctka“, also ein Bier mit einer Stammwürze von zwölf Grad – und das schmeckt dann auch ganz gut.
Nach dem Mittagessen setzen wir das Gespräch in einem ruhigeren Teil der Brauerei fort. Also, Herr Šusta, wie war das mit der Eisenbahn?
„Früher befand sich hier eine große Fabrik, in der Rohre hergestellt wurden. Es gab deshalb eine Eisenbahnanbindung. Als der Magistrat der Stadt eines Tages plante, den Haltepunkt Varnsdorf staré nádraží wieder einzurichten, bin ich zum Bürgermeister gegangen. Ich habe ihm gesagt, dass wir auch einen Bahnhof wollen, um an die Welt angebunden zu sein – also an Liberec und an Zittau. Dann kam eines zum anderen. Aber niemand wollte hier eine Station erbauen. Also haben wir uns gesagt, dass wir dies eben selbst bewerkstelligen.“
Und so kam es dann auch. Eingerichtet wurde der Haltepunkt vor zehn Jahren. Und bis heute ist es der einzige private Bahnhof in ganz Tschechien. Dass durch die Streckensperrung der Name der Brauerei nun groß an den Zügen dranstehe, sei schon skurril, meint Josef Šusta – aber vielleicht ja auch keine ganz schlechte Werbung, wende ich ein.
Vom Unternehmen mit bescheidenen Anfängen zum Spezialisten für Speziale
Vor 15 Jahren hat Josef Šusta seine Brauerei gegründet. Die Idee dazu kam ihm in Harrachov / Harrachsdorf. Dort sei er mit seiner Familie im Skiurlaub gewesen, erzählt Šusta…
„Ein gewisser Herr Novosad hat dort seine eigene Brauerei eröffnet. Sie ist nicht sehr groß. Bei unserem Besuch waren wir wirklich begeistert – denn das Bier hat sehr gut geschmeckt.“
Als Šusta in seinem Umfeld erzählte, er wolle in Varnsdorf, diesem entlegenen Zipfel Tschechiens, auch eine Brauerei eröffnen, traf er bei vielen auf Ablehnung.
„Ich komme aus Varnsdorf. Die Menschen, mit denen ich über das Projekt gesprochen habe, wollten mich überreden, mir einen anderen Ort zu suchen. Sie meinten, eine Brauerei bräuchte mindestens 60.000 Menschen in der Umgebung, um genug Kunden zu haben. Aber ich habe nur erwidert, dass ich nun einmal von hier stamme und in Varnsdorf auch meine Brauerei eröffnen möchte.“
Josef Šusta ließ sich seinen Traum nicht ausreden. Die Anfänge seien jedoch durchaus bescheiden gewesen, gesteht er…
„Das ganze Inventar für den Anfang war gebraucht. Unsere ersten sechs Tanks wurden zuvor für Wein genutzt und stammten aus Ungarn.“
Unter anderem holte Šusta Jan Kočka ins Boot. Und von ihm lernte Šusta nicht nur, wie man Bier braut: „Jan Kočka war von Beruf Steward. Er war auf der ganzen Welt unterwegs und hat überall Brauereien besucht. Von seinen Reisen brachte er stets neue Ideen mit. So haben wir zum Beispiel obergäriges Bier gebraut. Tatsächlich waren wir die ersten in Tschechien, die Ale gemacht haben – oder zumindest die ersten, die dafür Verbrauchsteuern bezahlt haben. Heutzutage gibt es Ales nahezu überall, fast jede Brauerei hat es im Angebot.“
Als Spezialisten für Speziale hätte man sich gerade in der Anfangszeit schnell einen Ruf gemacht. Mitunter wurden bis zu 50 Restaurants in Prag beliefert. Mittlerweile bliebe zwar kaum noch die Zeit für experimentierfreudige Kreationen, dennoch würden etwa zu Ostern und zu Weihnachten Sondereditionen gebraut.
Jan Kočka, der fliegende Bierkenner, arbeitet zwar mittlerweile nicht mehr für die Brauerei Kocour, seine Spuren hat er dennoch hinterlassen. Denn sein Nachname, Kočka, also zu Deutsch Katze, führte zur Benennung der Brauerei: Kocour bedeutet nämlich Kater.
Übernachten kann man stilecht im Liegewagen
Der Geheimtipp von einst hat sich in den vergangenen 15 Jahren mächtig weiterentwickelt. Gewachsen ist so auch das Brauereiareal. Vor Kurzem wurde etwa ein neuer Saal für über 200 Personen eröffnet. „Mein Kollege hat einmal gesagt, hier finden Hochzeiten, Taufen, Scheidungen und Trauerfeiern statt“, meint Šusta.
Übernachten können die Feier- oder Trauergäste direkt vor Ort. Zur Verfügung stehen dafür nicht nur einige Hotelzimmer, sondern auch mehrere ausgediente Eisenbahnwaggons. Sie beherbergen all diejenigen, die nach dem Biergenuss nicht mehr abreisen wollen. Und damit hat Šusta scheinbar einen Nerv getroffen…
„Oft kommen Väter mit ihren Kindern. Wir bieten ihnen dann zum Übernachten ein Hotelzimmer an. Aber sie lehnen ab und wollen lieber in einem der Liegewagen schlafen.“
Die Pandemie war auch eine Chance
Josef Šusta führt nun dahin, wo das Bier eigentlich gebraut wird. Er zeigt mir eine kleine Halle, die während der Corona-Pandemie entstanden ist. Hier werden Bierflaschen gewaschen, dann befüllt, mit einem Deckel verschlossen und schließlich mit einem Etikett beklebt. Durch die Lockdowns stieg die Nachfrage nach Flaschenbieren, und dem wollte man bei Kocour dann auch gerecht werden. „Zuerst hat sich Makro gemeldet, dann Globus und Kaufland. Alle Einzelhandelsketten wollten auf einmal unser Bier beziehen“, sagt Šusta.
Und wenngleich die Pandemie für die Brauerei keine leichte Zeit gewesen sei, helfe der Flaschenverkauf nun, das Unternehmen im Winter, wenn der Verbrauch sinke, über die Runden zu bringen, ergänzt er.
In einem weiteren Raum der kleinen Brauerei stehen an silberglänzenden Tanks gerade Jiří Macháč und Michal Vostatek. „Ich arbeite seit 13 Jahren hier, fast von Beginn an“, sagt Macháč. Genau wie er ist auch sein Kollege Vostatek als Quereinsteiger zum Brauer geworden. Vor sechs Jahren fing er bei Kocour damit an. Die Arbeit mache beiden Spaß, sagt Vostatek, denn sie säßen ja direkt an der Quelle, scherzt er.
Ein bei deutschen Urlaubern beliebtes Reiseziel
Noch nicht so lange dabei und auch nicht unmittelbar an der Quelle ist Sylva. Sie arbeitet seit einem Jahr als Kellnerin im Brauereilokal… Sylva kann auch ein paar Worte Deutsch, was für ihre Arbeit unabdingbar sei: „Wir sprechen vor allem Deutsch“, sagt sie.
Sylvas Eindruck bestätigt sich, wenn man mit offenen Ohren durch das Lokal geht. Neben den tschechischen Besuchern scheint die Grenznähe auch Menschen aus dem Nachbarland anzuziehen. So treffe ich etwa auf Eberhard und Marianne. Die beiden erzählen mir von ihrem Besuch. „Wir sind das erste Mal in der Brauerei, aber sonst sehr viel in der Gegend“, sagt Eberhard. Der Tipp zur Brauerei Kocour sei dabei von den Kindern gekommen, die im Grenzgebiet wohnen würden und öfter hierherführen, erzählt das Ehepaar. Eberhard gefällt am Gastraum vor allem die große astronomische Uhr, die zur vollen Stunde schlägt und dann ein Bierglas zum Vorschein bringt.
Auch Jan und seine Familie haben gerade aufgegessen und ausgetrunken. „Das Bier hat geschmeckt und auch das Essen war phantastisch“, erzählt Jan. „Es gab auch Gulasch“, sagt er freudestrahlend. Die Familie war dabei das erste Mal in der Brauerei und ist über eine Internetrecherche darauf aufmerksam geworden. „Wir machen gerade Urlaub in Oybin und sind gezielt für das Mittagessen über die Grenze gefahren“, so Jan.
Tschechisches Bier gebraut mit Wasser aus Deutschland?
Josef Šusta weiß, dass die deutschen Kunden für den Betrieb wichtig sind.
„Unser Gelände liegt unmittelbar an der Grenze. So eine Brauerei hat zumeist Gäste aus einem Umfeld von 15 Kilometern, also all jene Menschen, die leicht mit dem Auto oder mit dem Fahrrad kommen können. In unserem Fall stammt deshalb die eine Hälfte der Besucher aus Deutschland und die andere aus Tschechien.“
Josef Šustas Brauerei führt auch Veranstaltungen mit tschechisch-deutscher Beteiligung durch. Zudem besteht eine enge Kooperation mit der Bergquell-Brauerei Löbau. Dort wird das bekannte Lausitzer Porter gebraut, ein dunkles Bier, das unter anderem mit Kirsch- oder Erdbeer-Geschmack verkauft wird. Gerade in der Anfangsphase konnte man in den Kollegen aus Sachsen einen wichtigen Partner gewinnen, sagt der Unternehmensgründer.
„Die Zusammenarbeit kam über Herrn Dittmar zustande, dem die Brauerei in Löbau gehört. Er hat uns damals beraten, wie man die Fässer richtig wäscht oder wer Anlagen dafür herstellt. Manchmal sind wir auch zu ihm gefahren, um unsere Fässer dort zu reinigen.“
Aus der Bekanntschaft entwickelte sich eine Zusammenarbeit, die bis heute anhält. Denn die Brauerei Kocour bietet das Porter nicht nur im hauseigenen Restaurant an. Sie allein ist auch für den Vertrieb der Brauspezialität aus Sachsen in Tschechien verantwortlich.
Die Nähe der Brauerei zur Grenze hat aber noch eine weitere Besonderheit. Denn er wisse gar nicht, aus welchem Land das Wasser für sein Bier stamme, sagt Josef Šusta:
„Wir bezahlen unser Wasser in Tschechien. Aber ob es vielleicht aus einem Brunnen in Deutschland kommt, weiß ich eigentlich gar nicht. Ich habe noch nie darüber nachgedacht. Das wäre ja verrückt, wenn wir tschechisches Bier mit deutschem Wasser brauen würden…“
Aber wo das Wasser nun herkommt, ist ja vielleicht auch egal. Denn bei der Gründung der Brauerei vor 15 Jahren hätte er als erstes die Qualität des Wassers vor Ort überprüft, sagt Josef Šusta. Und die sei bis heute ganz hervorragend, für das Bierbrauen einfach gut geeignet. Das ist ja dann wohl auch das Wichtigste.
Eine der Veranstaltungen der Brauerei Kocour findet an diesem Samstag statt. Ab 13 Uhr werden beim Faschingsfest auf dem Brauereigelände in Varnsdorf nicht nur Bierverkostungen angeboten, sondern auch traditionelle Schlachtspezialitäten und Live-Musik. Der Eintritt ist frei. Mit einer großen Feier für die Öffentlichkeit soll im Jahresverlauf dann auch das 15-jährige Bestehen der Brauerei begangen werden. Alle Informationen dazu finden sich online unter www.pivovar-kocour.cz/de.