Energie in Tschechien: Alternative Quellen können Bedarf nicht decken

Im Rahmen seines zweitägigen Besuches in Finnland sprach der tschechische Ministerpräsident Vladimír Spidla bei der Visite im ältesten finnischen Kernkraftwerk Loviisa unter anderem davon, dass Finnland in Zukunft mit größter Wahrscheinlichkeit zu einem Vorbild in punkto Atomenergie für die anderen Staaten der Europäischen Union werden wird. Diese Äußerung war nicht nur eine Höflichkeitsfloskel, sondern hinter ihr verbarg sich auch das unermüdliche Werben um Verständnis für die Situation im eigenen Land, in dem man zukünftig vermehrt auch auf die Atomenergie als Quelle der Energieerzeugung setzen will. Weshalb, dazu Näheres im folgenden Beitrag von Lothar Martin.

Foto: Archiv Radio Prag
Mitte Februar weilte Premier Spidla zu seinem vorerst letzten Besuch in Deutschland. Überall, wo er weilte, erntete er in der Regel Anerkennung und Bewunderung für seine moderne pro-europäische Politik, doch in einem Bereich stieß er während seines Vortrages in der Berliner Friedrich-Ebert-Stiftung nicht auf das erhoffte Verständnis - bei der tschechischen Energiepolitik. Die Mehrzahl seiner Zuhörer unterstützte die deutsche Position des Atomausstiegs und zeigte daher wenig Einsicht bei seinen Ausführungen, als Spidla deutlich zu machen versuchte, dass Tschechien mit den so genannten alternativen Energiequellen nur in der Lage sei, etwa acht Prozent seines Energieverbrauchs abzudecken. Radio Prag hat daher in Fachkreisen nachgefragt, ob dem so ist, und dabei von Ing. Pavel Frajtág vom Institut für Kernforschung im mittelböhmischen Rez zur Antwort erhalten:

"Also, ich muss sagen, dass ich mit Premier Spidla übereinstimme. Denn was die Nutzung von alternativen Energien in Tschechien anbelangt, dafür herrschen hierzulande keine idealen Bedingungen. Es ist unmöglich, davon auszugehen, dass sie die gegenwärtigen Quellen der Elektroenergieerzeugung auch nur annähernd ersetzen könnten. Es geht daher sicher darum, sich klarzumachen, dass man in der Tschechischen Republik in der Tat nur einen Anteil von ca. acht Prozent zur Erzeugung des Strombedarfs aus alternativen Quellen gewinnen kann."

In Tschechien seien, so Frajtág, weder entsprechende Strömungsgeschwindigkeiten der Flüsse oder die erforderlichen Windstärken in nutzbarem Ausmaß vorhanden, um die Energie über Wasser oder Windkraft zu erzeugen. Ähnliches gelte für die Solarenergie, wo ganz einfach schon die Flächen fehlen würden, um die mit zehn Prozent nur wenig effektive Sonnenenergie in Elektroenergie umzuwandeln. Und wie sieht es mit einem Energieexport aus anderen EU-Ländern aus?

"Aus tschechischer Sicht bin ich ganz eindeutig der Meinung, dass wir unabhängig bleiben und die benötigte Energie selbst erzeugen bzw. den eventuellen Überschuss bei der Energiegewinnung an das Ausland verkaufen sollten. Es ist sicher richtig, dass es in gewissen Situationen billiger wäre, den Strom zu kaufen, aber ich sage, wir können uns nicht darauf verlassen. Zudem ist die Zukunft gegenwärtig nicht überschaubar. Niemand weiß bisher, wie die Energiesituation in 20, 30 Jahren aussehen wird. Deshalb wiederhole ich: Bleiben wir unabhängig, schaffen und nutzen wir unabhängige Energiequellen."