Englisch etabliert sich als Hauptfremdsprache in Tschechien

Für mehrere Generationen der Tschechen galt Russisch ab der 4. Klasse der Grundschule als Pflichtfach. So war es auch an allen Schultypen der mittleren Schulstufe und nicht zuletzt auch mindestens zwei Semester lang an den Hochschulen. Dem hat das Wendejahr 1989 ein Ende gesetzt. Jetzt, 16 Jahre später, soll in den Schulen sozusagen endgültig und flächendeckend auf Englisch umgeschwenkt werden. Mehr dazu erfahren Sie von Jitka Mladkova:

Im tschechischen Schulnetz hat zwar Englisch bereits in den zurückliegenden Jahren festen Fuß gefasst, doch ab dem Jahr 2007 werden nun die Weichen auch offiziell, sprich im Rahmen des so genannten Nationalplans für Fremdsprachenunterricht des tschechischen Schulministeriums, auf Englisch gestellt. Das Dokument wird dieser Tage dem Kabinett vorgelegt, wobei seine Zustimmung nur noch eher als Formsache gilt. Ab der 3. Klasse der Grundschule steht dann Englisch als Pflichtfach auf dem Stundenplan. Zum ersten Mal also auf dem der heutigen Erstklässler. Nach dem Motto "Leicht gesagt, schwer getan" kann sich aber die Umsetzung des neuen Programms als problematisch erweisen. Mehr dazu sagte uns die stellvertretende Leiterin der Prager Grundschule "Na Smetance" Marie Chvalovska:

"Ich kann sagen, dass wir uns schon jetzt auf diese Neuigkeit vorbereiten. Bei uns wird bereits in den ersten Klassen nach dem neuen Schulbildungsprogramm unterrichtet, wo Englisch Pflichtfach ist. Natürlich nach Absprache mit den Eltern. Damit sorgen wir einigermaßen dafür, dass uns qualifizierte Englischlehrer zur Verfügung stehen, um der neuen Aufgabe gerecht zu werden. Diese wird jedoch meiner Meinung nach allen Grundschulen mehr oder weniger zu schaffen machen, denn von Englischlehrern, die sich dem Kinderunterricht auch, wie man so schön sagt, mit dem Herzen widmen wollen, gibt es nicht viele."

Der Beruf als Herzenssache, das möchten wohl alle, demnach aber kommt auch der finanziellen Seite große Bedeutung zu. Und gerade hier hapert es. Frau Chvalovska:

"Pädagogische und philosophische Fakultäten produzieren eine ausreichende Zahl qualifizierter Fremdsprachenlehrer. Da aber der Lehrerberuf in Tschechien nicht so lukrativ ist wie z.B. die Arbeit in verschiedenen Firmen, drängen die Absolventen nicht gerade ins Lehramt. Viele wollen natürlich besser verdienen und gehen dann woandershin als in die Schule, wo die Arbeit sehr anspruchsvoll ist. Das ist allgemein bekannt."

Die Grundschulen stehen offensichtlich vor einer Herausforderung. Einerseits ist da die Pflicht des Englischunterrichts, andererseits fehlt es an Finanzmitteln, um die "Mangelware", nämlich gute Englischlehrer, anzulocken. Ist das nicht ein Teufelskreis?

"In der Tat, das ist ein Teufelskreis! Eigentlich rufen alle schon seit langer Zeit nach Englisch-Unterricht und wollen diesem auch Vorrang vor anderen Sprachen geben. Leider stehen uns keine zusätzlichen Finanzmittel zur Verfügung, um qualifizierte Englisch-Lehrer mit Prämien zu honorieren."

Dass ein Englischlehrer besser als sein Kollege, z.B. ein Geschichtslehrer, bezahlt wird, kommt nicht in Frage. Für alle gelten dieselben Entlohnungsregeln. Nach dem Wendejahr, als sich hierzulande der Bedarf an Arbeitskräften mit guten Fremdsprachenkenntnissen sprunghaft erhöht hatte, verließen viele Lehrer ihre Schule, um eine besser bezahlte Arbeit anzutreten. Ein Überfluss bestand plötzlich bei Russischlehrern und -lehrerinnen. Viele haben sich einfach auf Deutsch oder Englisch "umschulen" lassen - mit allen Konsequenzen, versteht sich. Dazu noch einmal Frau Marie Chvalovska:

"Ich glaube, dass sich die Situation bereits verändert hat. Die meisten Lehrerinnen, z.B. die Russischlehrerinnen, haben sich für Fortbildung entschlossen. Sie haben an einer Hochschule eine neue Fremdsprache studiert, darunter auch Englisch, und gelten heute schon als qualifizierte Lehrkräfte. Die Situation, dass der Lehrer nur ein paar Lektionen den Schülern voraus ist, existiert, denke ich, nicht mehr."