„Erfindungsreichtum der Tschechen wird bald Wege finden“ Politologe Schuster über das Alkoholverbot in Tschechien
Das absolute Verkaufsverbot für hochprozentige Alkoholgetränke ist in Tschechien ein großes Thema. Die Regierung sah sich zu dieser präzedenzlosen Entscheidung gezwungen, um auf die wachsende Unruhe in der Öffentlichkeit zu reagieren. Es wurden nämlich täglich neue Fälle von Vergiftungen durch Methanol bekannt. Die mittlerweile mehr als zwanzig Opfer hatten die gepanschten Getränke in den meisten Fällen in Markthallen oder kleinen Imbiss-Ständen, nicht aber in klassischen Geschäften erworben. Auch wenn die Regierung in Aussicht gestellt hat, das strenge Verkaufsverbot bald lockern zu wollen, kann noch keine Entwarnung gegeben werden. Die Polizei konnte bislang noch nicht ausreichend klären, wo das hochgiftige Methanol herkam und wie es in die Getränke mit klassischem Alkohol gelangte. Ebenso unklar ist, ob hinter diesen Fällen Einzeltäter stehen, oder weit verzweigte kriminelle Strukturen.
„Das ist eine Frage, die jetzt natürlich stark diskutiert wird. Es hat sich gezeigt – auch in der Geschichte – dass so radikale Verbote, wie die so genannte Prohibition, nur dann Sinn machen, wenn sie für eine relativ begrenzte Zeit in Kraft sind. Das bedeutet vielleicht für eine Woche, aber nicht länger. Es geht ja darum, mit diesem Schritt den Fluss des illegalen Alkohols zu unterbrechen und der Polizei Zeit zu verschaffen. Sie muss erfahren, wo der Ursprung der ganzen Affäre oder überhaupt des ganzen Marktes mit gepanschtem Alkohol liegt. Und dafür sollte eigentlich eine Woche reichen. Sollte es länger dauern, bestünde die Gefahr, dass bei dem Erfindungsreichtum der Tschechen bald Wege gefunden sein werden, wie man dieses radikale Verbot umgehen kann. Der hochprozentige Alkohol würde dann aus noch diffuseren Quellen herstellen werden und die Gefahr von gesundheitlichen Schäden wäre dann noch größer. Was die Steuerausfälle betrifft: hier wird natürlich argumentiert, dass der Fiskus an jeder hochprozentigen Flasche Alkohol mitverdiene. Auf der anderen Seite zeigt sich aber, dass die finanziellen Ausfälle durch die mafiaartigen Strukturen des illegalen Alkoholmarktes ungefähr 10 Milliarden Kronen pro Jahr ausmachen. Hier halten sich Einnahmeverluste durch das Verbot und durch die illegale Produktion vielleicht sogar die Waage.“
Gab es in Tschechien schon früher Probleme mit gepanschtem Alkohol?In diesem Ausmaß gab es das noch nie. Es gab vereinzelte eher lokale Fälle in den 90er Jahren. Mir sind aber sehr starke Parallelen zu einer anderen Affäre aus der Mitte der 90er Jahren aufgefallen. Damals ging es um Heizöl, das damals von der Steuer befreit war. Einige Geschäftemacher haben dieses steuerfreie Heizöl als klassischen Dieselkraftstoff verkauft und die Differenz in ihrer Tasche verschwinden lassen. Da entstand damals schon eine weit verzweigte mafiaartige Struktur, in deren Umkreis es sogar einige Mordfälle gab. Der Staat hat versucht, diesen Handel auch irgendwie zu unterbinden. Es gelang ihm aber nicht so recht, weil die Strukturen schon damals so ähnlich funktioniert haben wie wohl jetzt in der Alkoholaffäre. Die Urheber sind maximal dezentralisiert, das bedeutet, dass die Hersteller nicht wussten, wer der endgültige Abnehmer dieses illegalen Heizöles – jetzt ist es das Alkohol – waren. Und das wird natürlich auch noch sehr schwer für die Polizei zu unterbinden sein.
Welche politischen Folgen wird die Methanolaffäre haben? Es ist auffallend, dass diesmal die üblichen Schuldzuweisungen zwischen Regierung und Opposition diesmal fehlen.„Damals, ich komme noch mal auf die Heizölaffäre zurück, haben viele argumentiert, dass es eine Lücke im Gesetz gibt, die es ermöglicht Heizöl unter bestimmten Bedingungen als Dieselkraftstoff zu vertreiben. Bei der momentanen Affäre wird es wahrscheinlich ähnlich sein: man wird nach Lücken suchen, um zukünftig solchen Fällen vorzubeugen. Jedoch hat der Staat insofern verschlafen, als er jetzt zwar versucht diesen Kreis zu durchbrechen – er versucht die Endabnehmer zu bestrafen und geht auch gegen diejenigen vor, die diesen Alkohol verteilt haben – schlussendlich weiß er aber immer noch nicht, wer die Produzenten der gepanschten Spirituosen sind. Und das wird wahrscheinlich noch eine lange Zeit so sein. Wenn man es auf das Politische reduzieren möchte, wird es wahrscheinlich wieder um die Debatte gehen, ob der hochprozentige Alkohol jetzt mehr oder weniger besteuert werden soll. Die liberalen Stimmen werden sagen, je mehr man die Alkoholsteuer erhöht, desto größer wird das Interesser dieser mafiaartigen Strukturen, illegalen Alkohol zu verkaufen, um die Steuerdifferenz behalten zu können und den Staat zu bestehlen. Die andere Schule wird sagen, wir sollten die Umsatzsteuer auf Alkohol eher senken, um dieses illegale Geschäft so unattraktiv wie möglich zu machen.“
Gab es damals bei dieser Heizölaffäre Konsequenzen politischer oder juristischer Art?„Politische Konsequenzen gab es schon. Man hat die entsprechenden Gesetze geändert und so versucht, die Steuerlücken zu schließen. Juristische Konsequenzen, gab es eigentlich nicht. Es wurden zwar vier oder fünf Personen, die in das Geschäft mit dem Heizöl involviert waren, vor Gericht gestellt. Sie wurden auch teilweise verurteilt, gingen dann aber in Revision. Man hat aber das Gefühl, dass diese Affäre bis heute nicht richtig geklärt wurde, dass also niemand richtig verantwortlich gemacht wurde. Es gibt also niemanden, von dem man heute sagen könnte, er hat das alles inszeniert und er hat dann dafür auch die entsprechende Strafe erhalten. Das Ganze ist mehr oder weniger im Sand verlaufen. Aber bei der Alkoholaffäre kann das natürlich anders sein. Denn bei der Heizölaffäre ging es nicht um Menschenleben, damals sind bloß ein paar Dieselmotoren kaputt gegangen. Jetzt geht es um Menschenleben und wenn man sich die steigende Zahl der Toten anschaut, dann ist es logisch, dass der Staat nun versucht, die Verantwortlichen so schnell wie möglich ausfindig zu machen und dann natürlich auch vor Gericht zu stellen.“