Erfüllter Traum: Cellist Tomáš Jamník eröffnet den kleinsten Konzertsaal Prags
Tomáš Jamník ist einer der talentiertesten tschechischen Cellisten. Der 39-Jährige lebt in Berlin und ist Träger mehrerer internationaler Musikpreise sowie unter anderem Begründer der Akademie der Kammermusik und des Ševčík-Instituts. Im vergangenen Jahr eröffnete der Musiker im Prager Stadtzentrum den kleinsten Konzertsaal in der tschechischen Hauptstadt, genannt Konzertfoyer. Martina Schneibergová hat mit Tomáš Jamník nach dem Konzert der Sopranistin Bree Nichols gesprochen, das kurz vor Weihnachten in dem Saal stattfand.
Herr Jamník, wie sind Sie auf die Idee gekommen, den vermutlich kleinsten Konzertsaal in Prag in der Hrzán-Passage einzurichten?
„Es war immer mein Traum, nicht nur einen Konzertsaal, sondern auch einen Probenort mit Fenster zur Straße zu haben. Denn wir Musiker sind ansonsten immer zu Hause, am Konservatorium oder in einem geschlossenen Raum. Meine Überlegung war, dass wir auch viel Zeit mit Proben und Üben verbringen. Warum sollten wir also nicht ermöglichen, dass die anderen diesen Prozess sehen? Ich bekam dann das Angebot der Stiftung Stadler-Trier bekommen (sie ist Eigentümer des Palais Hrzán, Anm. d. Red.) und darf jetzt diesen kleinen Konzertsaal haben, der sich im Stadtzentrum Prags befindet. Er ist eine Minute vom Altstädter Ring entfernt, es ist eine ziemlich gute Lage.“
Die Passage, in der sich der Saal befindet, führt durch ein historisches Gebäude. Wie ist die Geschichte dieser Passage?
„Im Keller kann man sehen, dass es ein sehr altes Gebäude ist, die Fundamente stammen aus dem Mittelalter. Aber die nicht so weit zurückliegende Geschichte des Ortes ist noch interessanter. Die Eltern von Franz Kafka hatten hier ein Geschäft mit Textilien. Der Ort hat also einen Genius loci.“
Wie groß ist der kleine Saal?
„Wie Sie sehen, ist er sehr klein, deswegen nennen wir es ,koncertní předsíň‘ (auf Deutsch etwa Konzertflur, Anm. d. Red.) oder Konzertfoyer, auf Englisch Concert-Hallway. Ich organisiere gern Hauskonzerte. Und in jedem Haus gibt es so ein Foyer oder Hallway. Als Musiker treten wir in Konzerthäusern auf, aber wir brauchen auch einen Vorbereitungsraum. Wir proben und konzertieren bei uns und beraten auch Musiker und Veranstalter, wie man ein Konzert organisieren kann. Es ist ein Treffpunkt für Leute, die klassische Musik lieben. Aber es werden bei uns auch richtige Konzerte veranstaltet für, sagen wir, maximal zehn Leute. Heute hatten wir eine Sopranistin aus den USA hier, Bree Nichols. Wir servieren auch Kaffee und Kuchen, und die Leute treffen sich und reden miteinander.“
Wie informieren Sie über die Konzerte?
„Wir bieten immer ein paar Plätze an – auf dem Facebookprofil unserer Initiative ,Vážný zájem‘. Das ist das Projekt mit Hauskonzerten. Wir organisieren einmal im Monat oder alle zwei Monate ein Konzert. Wenn jemand in Prag ist, kann er sich die Facebookseite anschauen. Dort gibt es alle Informationen.“
Wie viel Zeit verbringen Sie da in Ihrem Konzertfoyer? Denn Sie leben in Berlin, unterrichten aber auch in Tschechien…
„Für mich selbst liegt der Ort, an dem sich das Konzert-Foyer befindet, sehr günstig, weil ich pendele – und zwar zwischen Berlin, wo ich mit meiner Familie lebe, und Prag, wo ich arbeite, sowie auch Brünn, wo ich derzeit unterrichte. Das Foyer ist circa sieben Minuten vom Hauptbahnhof entfernt. Es gibt hier ein Klavier, Notenständer, Drucker, Computer. Es ist auch das Büro für unsere Projekte. Ich habe hier alles, was ich für mein Leben brauche.“
Wer hat den Raum gestaltet?
„Das war schon ein Traum, muss ich sagen: Die Architektin Lenka Míková hat ein Projekt entwickelt, und es ist einfach toll, wie es jetzt aussieht. Zudem sind wir verschiedene Kooperationen eingegangen. Zum Beispiel stammt dieses Licht von der Firma Lasvit. Normalerweise könnten wir uns das nicht leisten, weil es zu teuer ist, aber dank der Kooperation haben wir dieses schöne Licht. Das Konzertfoyer ist ein Treffpunkt für Musikliebhaber. Wenn jemand in Prag ist, kann er gerne auch einfach so vorbeikommen, weil wir oft hier sind, oder derjenige meldet sich vorher. Denn wir treffen gerne Leute, die Ideen haben.“
Wie haben Sie die amerikanische Sopranistin Bree Nichols entdeckt?
„Vor zwei Jahren war ich selbst in den USA für mein Fulbright-Projekt, ein Forschungsprojekt. Natürlich nehmen auch Studenten oder Musiker aus Amerika an Projekten in Europa teil. Bree Nichols war ebenfalls Fulbright-Stipendiatin, sie war sechs Monate hier und sagte danach einfach, sie müsse hier leben. Sie singt sehr gut, und jetzt spricht sie auch fließend Tschechisch. Deswegen dachte ich, es wäre auch schön, dass sie hier Leute trifft. Wir bieten jungen Musikern und Musikerinnen die Möglichkeit, hier aufzutreten.“
Finden die Konzerte hier nur am Vormittag oder auch am Abend statt?
„In unserem Foyer organisieren wir nur Frühstückskonzerte. Die üblichen Konzerte veranstalten wir an anderen Orten. Natürlich konzertieren wir uns auf die traditionellen Sälen, aber ich persönlich finde auch gut, dass wir ab und zu an ganz verrückten Orten spielen. 2016 habe ich mit meinen Kollegen die Initiative ‚Vážný zájem‘ gegründet. Von Anfang an habe ich zusammen mit Ondřej Kobza, der auch Sight-Specific-Events macht, Konzerte veranstaltet. Wir haben beispielsweise schon in einer Werkstatt gespielt, in der Taschen genäht werden, oder hatten ein Konzert im Gebäude der Prager Hauptpost in der Straße Jindřišská. Wir spielen oft auch auf der Straße.“
Erleben Sie es öfter, dass Passanten, die durch die Passage am Konzertfoyer vorbeigehen, hineinschauen?
„Immer wieder, muss ich sagen, weil es von außen wie ein Geschäft aussieht. Die Passanten schauen zuerst, was hier verkauft wird, und erst dann sehen sie die Musiker. Wenn wir ein Konzert haben, öffnen wir auch gern die Tür und sagen: ‚Bitte kommen Sie herein, nehmen Sie Platz!‘ Die Leute sind oft schüchtern, weil sie denken, dass sie viel zahlen müssen, aber zum Beispiel für die Passanten machen wir das immer als kostenloses Erlebnis. Es ist wirklich schön, dieses spontane Publikum zu haben.“