Erneuter Anlauf: Regierung beschließt Strategie zur Integration von Roma

Foto: Filip Jandourek, Archiv des Tschechischen Rundfunks

Etwa 200.000 bis 250.000 Roma leben in Tschechien. Viele von ihnen hausen unter Bedingungen, die eher an Afrika erinnern als an Europa. Die Mauern zur Mehrheitsgesellschaft sind hoch, wenn auch nicht sichtbar. Nun hat die Regierung beschlossen, Brücken hinüber zu bauen – mit einem neuen Konzept zur Integration von Roma.

Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Seit Jahren bereits kritisieren internationale Menschenrechtsorganisationen, dass in Tschechien viel zu wenig für Roma unternommen werde. Immer mehr Angehörige dieser Minderheit rutschen in die Armut, die Pläne früherer Regierungen haben nur wenig geholfen, um dies zu verhindern. Das derzeitige Mitte-Links-Kabinett hat nun am Montag eine neue Strategie bis 2020 verabschiedet. Entworfen wurde sie vom Minister für Menschenrechte und Gleichberechtigung, Jiří Dienstbier:

„Die Integration der Roma-Minderheit ist auch eines der dringendsten sozialen Probleme derzeit. Wenn uns diese Integration nicht gelingt, werden alle darunter leiden, ebenso die Mehrheitsgesellschaft. Die neue Strategie behandelt alle Teilprobleme, die dazu geführt haben, dass die Integration bisher nicht zufriedenstellend geregelt wurde.“

David Beňák  (Foto: Jana Šustová)
Der Vizeminister des Ressorts, David Beňák, erläuterte gegenüber den Medien, dass Roma vor allem mit drei Problemen zu kämpfen hätten:

„Das ist zum einen die Bildung. Uns geht es darum, dass Roma-Kinder in normale Grundschulen und nicht in Sonderschulen kommen sollen und dort dann auch bleiben. Dann handelt es sich selbstverständlich um die Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt; sie existiert tatsächlich, wie eine Reihe von NGOs bestätigt hat. Der dritte Bereich ist das Wohnen, hier wurde bisher am Wenigsten unternommen. Es ist kaum Geld in diesen Bereich geflossen, er wurde von den Politikern häufig einfach nicht beachtet.“

Foto: Andrea Čánová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Mittlerweile leben etwa 80.000 tschechische Roma in ghettoartigen Siedlungen mit heruntergekommenen Häusern, manchmal ohne fließendes Wasser, häufig ohne Heizung. Das ist ein Drittel der Minderheit. Die Zahl dieser Siedlungen ist seit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise gewachsen: von 300 im Jahr 2007 auf mittlerweile 400.

Dort entstehen auch die Probleme vieler Roma. Schon als Kinder biegt ihr Weg dann ab von dem der Mehrheit. Der Nachwuchs geht nämlich meist nicht in den Kindergarten. Dadurch fehlt es an der Vorbereitung für die Schulzeit, und später heißt es Sonderschule anstatt reguläre Grundschule. Die Strategie sieht viele kleine Projekte vor, um dies zu ändern. Das begrüßt zum Beispiel Jana Vargovčíková von Amnesty International:

Jana Vargovčíková  (Foto: Archiv Amnesty International)
„In vielen Roma-Familien ist es nicht üblich, die Kinder in den Kindergarten zu schicken. Häufig ist die Mutter ohnehin zu Hause. Außerdem belastet der Kindergartenbesuch den Geldbeutel, und es bereitet Probleme, die Kinder überhaupt dorthin zu bringen.“

Sozialarbeiter im Terrain sollen künftig in solchen Fällen tätig werden. Aber auch gegen die Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt sind Projekte geplant. Vize-Ministerin Martina Štěpánková:

„Es geht darum, das Sammeln erster Berufserfahrungen zu unterstützen. So könnten unterschiedliche Nichtregierungsorganisationen jungen Roma Praktika anbieten. Denn gerade die Schulabgänger oder Hochschulabsolventen haben das doppelte Problem, dass sie Roma sind und dazu noch ohne Berufserfahrung.“

Zwar stammt die Strategie zur Integration von Roma aus dem Ministerium für Menschenrechte und Gleichberechtigung. Doch müssen noch weitere Ministerien nachziehen – so etwa das Ressort für Bildung. Minister Milan Chovanec hat aber bereits ein neues Schulgesetz konzipiert, das auf stärkere Integration setzt.

Finanziert werden sollen die angedachten Projekte im Übrigen vor allem mit Geldern der EU.