Erste große Ausstellung zur Vertreibung

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Auch 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist die Vertreibung von Millionen Deutschen aus der Tschechoslowakei immer noch das heikelste Kapitel in den tschechisch-deutschen Beziehungen. Die Diskussion darüber ist vielfach von Emotionen geprägt und aus dem historischen Zusammenhang gerissen. Sich dem Thema Vertreibung in einem breiteren historischen Kontext zu nähern ist Ziel der Ausstellung "Flucht, Vertreibung, Integration", die am Wochenende im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn eröffnet wurde. Ihr Kurator ist Achim Westholt. Silja Schultheis hat sich mit ihm unterhalten.

Vertreibung der Sudetendeutschen
Herr Westhold, die Flucht und Vertreibung von Millionen Deutschen am Ende des Zweiten Weltkriegs gehören zu den heiklen Themen der deutschen Geschichte. Nach jahrelanger Vorbereitung ist am Wochenende die erste große Ausstellung zu diesem Thema in Deutschland eröffnet worden. Wie nähert sie sich diesem schwierigen Kapitel?

"Wir haben dieses Kapitel erarbeitet auf der Grundlage der historischen Forschung. Wir haben ja das Glück, dass wir sowohl im deutsch-polnischen als auch im deutsch-tschechischen Verhältnis eine Reihe an Historikern haben, die sich diesem Problem gewidmet haben, so dass man hier auf einer soliden wissenschaftlichen Forschung aufbauen kann."

Versteht sich die Ausstellung auch als Beitrag zur politischen Diskussion um dieses Thema, die in letzter Zeit in Zusammenhang mit dem geplanten Zentrum gegen Vertreibung erneut an Brisanz gewonnen hat?

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"Sie versteht sich als Beitrag zur Versachlichung der Diskussion, das würde ich in jedem Fall sagen."

Im Vorfeld der Ausstellung hat das Haus der Geschichte beim Institut für Demoskopie in Allensbach eine Studie in Auftrag gegeben: Flucht und Vertreibung aus der Sicht der deutschen, tschechischen und polnischen Bevölkerung...

"Dabei geht es zum einen um Befragungen zu diesem Thema in der Bundesrepublik selbst. Da stellt sich heraus, dass das Thema zwar auf großes Interesse stößt, die Menschen aber gleichzeitig nicht viel darüber wissen. Zum anderen - und das war uns ganz wichtig - finden wir eine ganze Menge heraus über die Einstellung in Polen und der Tschechischen Republik. Beispiel: Zentrum gegen Vertreibungen. Sobald man den Leuten klarmacht, dass es in dem Zentrum nicht nur um deutsche Bevölkerung geht, sondern auch um Vertreibungen in anderen Ländern, finden wir auch in der Tschechischen Republik fast eine Verdreifachung derjenigen, die sagen, dann sei das doch eigentlich eine ganz gute Idee."

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Die Ausstellung wirft auch einen Ausblick auf die aktuelle Situation und insbesondere das Verhältnis zwischen Deutschland und Tschechien bzw. Polen. Zu welchen Ergebnissen kommt die Ausstellung hier?

"Sie versucht vor allem eines deutlich zu machen: Dass abseits der Konflikte, die ja in der Regel medial hochgespielt werden, sehr viel an Kooperationen stattfindet. Es gibt lange nicht so viel Konflikt, wie es erscheint, wenn man nur die dicken Schlagzeilen liest."

Die Ausstellung im Haus der Geschichte in Bonn dauert bis zum 17. April 2006, danach soll sie in Berlin und Leipzig gezeigt werden.

Zur Ausstellung sind zwei Publikationen erschienen: Flucht, Vertreibung, Integration, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hg.), 2005, Kerber Verlag, Bielefeld

Flucht und Vertreibung aus Sicht der deutschen, polnischen und tschechischen Bevölkerung, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hg.), Bonn 2005 (eine Studie des Instituts für Demoskopie, Allensbach im Auftrag des Hauses der Geschichte)