EU-Lärmkarten sichtbare Maßnahme zur Lärmreduktion

"Die Stille ist ein Geräusch" lautet der Titel eines Buches von Julie Zeh und, so könnte man hinzu¬fügen, für viele Menschen ein unerträgliches. In unserer hoch technisierten Welt sind wir an einen Geräuschpegel gewöhnt, ohne den wir uns beinahe ängstigen. Andererseits fühlen wir uns vom Lärm, insbesondere vom Verkehrslärm, belästigt. Mit so genannten Lärmkarten, die nun von allen EU-Mitgliedsländern erstellt werden sollen, will die EU das Problem nicht mehr ungehört verpuffen lassen und konkrete Maßnahmen setzen. Doch wie kann man dem allgegenwärtigen und ungreifbaren Lärm zu Leibe rücken und was genau ist er eigentlich? Sandra Dudek hat die Ohren gespitzt:

Was sich wie der Beginn eines Hörspiels anhört, ist in Wahrheit schlicht und einfach Lärm. Viel Lärm um nichts, genau genommen, denn wer schenkt schon den Geräuschen, die man tagtäglich auf der Strecke zwischen Wohnungs- und Haustür verursacht, so viel Aufmerksamkeit? Außer vielleicht die Nachbarin von gegenüber? Lärm ist also, wie vieles andere auch, zum Teil Definitionssache - und manchmal eine Frage der Einstellung. Denn im Prinzip bezeichnen wir jedes Geräusch, das uns unangenehm ist oder durch das wir uns belästigt fühlen, als Lärm. Und da dies nicht zuletzt von unserer Toleranzgrenze und unseren Stimmungen abhängt, gebe es keinen allgemein gültigen Wert für Lärm, meint Tomas Hellmuth, Leiter des Nationalen Referenzlabors für Lärmmessung:

"Man kann sagen, dass zehn Prozent der Bevölkerung auf Lärm extrem empfindlich sind und sie sich durch fast alles gestört fühlen und zehn Prozent ist der Lärm völlig egal und sie ertragen ihn und können auch bei Lärm schlafen. Die Grenze, wenn der Lärm zur Belästigung wird, ist individuell. Der Unterschied zwischen den Leuten kann 10 bis fünfzehn Dezibel betragen, was ein riesiger Unterschied ist."

Wenn wir uns mit jemandem unterhalten, dann meist in einer Lautstärke von rund 60 Dezibel, ein vorbeifahrender PKW übertönt das Gespräch mit 75 Dezibel, die 90 Dezibel eines Lastwagens müssen wir schon ordentlich überschreien. In Zahlen ausgedrückt erscheinen die Differenzen zwischen den Dezibelangaben zwar gering, die Unterschiede sind jedoch unüberhörbar, und zwar aufgrund der Berechnungsmethode, die Tomas Hellmuth an einem Beispiel erklärt:

"Dezibel sind eine logarithmische Einheit, das heißt, dass eine Verdoppelung der akustischen Energie einen Anstieg des Pegels um nur drei Dezibel bedeutet. Wenn auf der Autobahn 5.000 LKWs pro Stunde fahren, dann müssen, wenn der Geräuschpegel um drei Dezibel höher liegt, 10.000 LKWs fahren."

Illustrationsfoto: Jana Šustová,  Radio Prague International
In erster Linie ist es der Verkehrslärm, von dem sich die Menschen am meisten belästigt fühlen. In etwa 60 Prozent der Bevölkerung sind ihm ausgesetzt, auf Dauer kann er sich negativ auf die Gesundheit auswirken und beispielsweise zu Stress und massiven Schlafstörungen führen. Neben dem ohnehin großen Verkehrsaufkommen sorgen in Städten wie Prag die jahrhundertealten Kopfsteinpflaster, die es auch auf stark befahrenen Straßen gibt, noch einmal für eine Erhöhung des Lärmpegels.

Wenn dann auch noch eine Straßenbahn über die Weichen einer Kreuzung rattert und die Ampel lautstark das Grünsignal verkündet, ist ein Gespräch in normaler Lautstärke so gut wie unmöglich und man muss gezwungenermaßen dem Verkehrskonzert lauschen:

Der Lärm gilt europaweit als eines der größten Probleme und es ist in den letzten Jahrzehnten auch nicht gelungen, ihn zu reduzieren. Zwar konnten gerade im Bereich der Automobilindustrie technische Erfolge erzielt und Kraftfahrzeuge leiser gemacht werden, andererseits ist gleichzeitig ihre Anzahl gestiegen. Insgesamt wurde also der technische Fortschritt durch ein höheres Verkehrsaufkommen ausgeglichen.

Im Gegensatz zu beispielsweise Emissionen, die gefiltert werden können, oder verschmutztem Wasser, das wieder gereinigt werden kann, ist der Lärm zwar allgegenwärtig, aber nicht greifbar. Um einen konkreten Aktionsplan ausarbeiten zu können, muss zuerst festgestellt werden, wo das Lärmaufkommen wie groß ist. Daher hat die EU nun alle Mitgliedsländer aufgefordert, binnen eines Jahres für alle Städte mit mehr als 250.000 Einwohnern, Hauptverkehrsstraßen, Eisenbahnen und Flughäfen so genannte Lärmkarten zu erstellen. In vielen Städten gibt es derartige Karten bereits. Auch in Prag kann man sich im Internet in bunten Farben ansehen, was man sonst auf der Straße hört. Die Adresse dazu lautet www.wmap.cz/atlaszp.

Erst wenn der Lärm gesamteuropäisch erfasst ist, können Vergleiche und Rückschlüsse gezogen und zusätzlich konkrete Maßnahmen getroffen werden. Die Lärmkarten geben nämlich nicht nur den Lärmpegel der jeweiligen Städte an, sondern auch, wie viele Leute diesem Lärm ausgesetzt sind. Natürlich aber gebe es auch schon heute eine Reihe von Maßnahmen gegen den Lärm, so Tomas Hellmuth, Leiter des Nationalen Referenzlabors für Lärmmessung:

Foto: Archiv Radio Prag
"Die ersten und nützlichsten Maßnahmen sind die urbanen und Verkehrslösungen, d.h., dass man keine Wohnhäuser in die Nähe von Hauptstraßen baut, dass der Verkehr umgeleitet wird, dass man die Anzahl der LKWs in die Wohngebiete und Städte reduziert usw. Dann gibt es technische Maßnahmen und Vorrichtungen, wie die Menschen vor dem Lärm geschützt werden können, wie beispielsweise Lärmschutzwände und Wälle. Auch sollten neue Häuser so ausgerichtet sein, dass das Schlafzimmer nicht zur Straße liegt, es gibt Maßnahmen für Fassaden, Lärmschutzfenster und andere technische Maßnahmen."

Wenn dann also die Wohnungstür ins Schloss fällt, bleibt der Lärm draußen. Dann kann man sich an der ungestörten Ruhe zu Hause erfreuen, den Heizlüfter aufdrehen, bei laufendem Dunstabzug etwas Gutes zum Essen kochen, dabei Radiomusik hören und auch gleich den Geschirrspüler einschalten, damit das erledigt ist.

Laut einer Messung des ARD-Ratgeber Bauen & Wohnen ergibt die Gesamtheit dieser Geräusche einen Lärmpegel von knapp 75 Dezibel, also genau so viel wie eine normal befahrene Hauptverkehrsstraße.





Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:



www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union

www.euroskop.cz

www.evropska-unie.cz/eng/

www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online

www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt