„Europa sollte auf einen Wahlsieg Trumps vorbereitet sein“ – Staatspräsident Pavel im Rundfunkinterview
In Deutschland oder Österreich wird der tschechische Präsident Petr Pavel positiv wahrgenommen. Vor einem Jahr wurde er ins Amt gewählt. Der Tschechische Rundfunk hat daher mit Pavel am Montag ein Exklusivinterview geführt. In diesem kritisiert das Staatsoberhaupt zum Beispiel die politische Kultur in Tschechien und erläutert sein Plädoyer für die Einführung des Euro.
Vor einem Jahr wurde Petr Pavel zum tschechischen Präsident gewählt. Im ersten Jahr seiner Amtszeit habe er sich mit dem Stand der Dinge vertraut gemacht, jetzt wolle er an etwas arbeiten, was man profan als „Vision“ bezeichnen könnte. Dies sagte Pavel am Montag in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.
In dem gut 50-minütigen Interview in seinem Amtssitz auf der Prager Burg bilanzierte Pavel seine bisherige Tätigkeit. Und da dem tschechischen Staatsoberhaupt in der Außenpolitik traditionell eine stärkere Rolle zukommt als zum Beispiel dem Bundespräsidenten in Deutschland, bezog er zu diesen Fragen deutlich Stellung. Unter anderem betonte er, dass Europa vorbereitet sein müsse, sollte Donald Trump im November zum zweiten Mal Präsident der USA werden…
„Es ist legitim, in Europa damit zu rechnen, dass Donald Trump in den Präsidentschaftswahlen gewinnt, dann mit Wladimir Putin verhandelt und mit ihm ein Abkommen abschließt. Solch ein Abkommen könnte zum Nachteil der Ukraine und Europas ausfallen. Und genau darauf müssen wir vorbereitet sein. Da geht es nicht darum, die transatlantischen Bindungen und die USA als Verbündeten anzuzweifeln. Aber wir müssen uns eingestehen, dass Trump viele Dinge anders sieht und dies Folgen haben kann“, so Pavel.
In seinem ersten Jahr hat der tschechische Präsident dezidiert die Ukraine im Kampf gegen Russland unterstützt. Als früherer Nato-General dürfte Petr Pavel die m
ilitärische Lage gut einschätzen können. Wie er betont, stünden der Ukraine im Vergleich weniger Soldaten zur Verfügung als Russland. Deswegen würden die Verbündeten Kiew mittlerweile empfehlen, die Offensive hintenanzustellen und die Abwehr zu verstärken:
„Dafür braucht die Ukraine nicht nur reine Verteidigungswaffen, sondern auch Waffen, mit denen sie die Versorgungslinien der russischen Armee unterbrechen kann. Das sind zum Beispiel Artilleriegeschütze, Lenkflugkörper für größere Entfernungen oder auch F-16-Kampfflugzeuge. Nur so kann die Ukraine ihr Gebiet zusammenhalten und ausreichend viele russische Versorgungslinien durchschneiden, damit eine mögliche Frühjahrsoffensive des Kremls keinen Erfolg hat.“
Dadurch ließen sich die Kräfte in dem Krieg wieder ausgleichen, sodass die Zeit für Verhandlungen anbrechen könnte, so Pavel weiter.
Der aktuelle tschechische Präsident genießt im Übrigen ein relativ hohes Vertrauen in der hiesigen Bevölkerung. Ende November lag die Zustimmung bei 52 Prozent, diese Werte hatte sein Vorgänger Miloš Zeman in seinen letzten Jahren nicht mehr erreicht. Petr Pavel, der vor seiner Wahl nie eine politische Funktion innehatte, macht sich aber allgemein Gedanken über die politische Kultur im Land:
„Wenn die Menschen sehen, dass die Politiker sich gegenseitig nur beleidigen und sich nicht um eine Einigung bemühen bei Problemen, die den Bürgern auf den Nägeln brennen, dann fragen sie sich doch: ‚Wofür brauchen wir diese Regierung, diese Opposition, diesen Präsidenten?‘ Das schmälert die Chance, überhaupt etwas in der Politik zu erreichen.“
Im Interview für den Tschechischen Rundfunk bot sich Pavel an, die politische Debatte zwischen Regierung und Opposition künftig zu moderieren. Als nächste Gelegenheit nannte er die Suche nach geeigneten Maßnahmen, um die tschechische Konjunktur wieder in Schwung zu bringen.
Außerdem erläuterte der Staatspräsident am Montag, warum er in seiner Neujahrsansprache für eine Einführung des Euro plädiert hat, obwohl laut Umfragen zwei Drittel der tschechischen Bürger dagegen sind…
„Vor allem habe ich das gesagt, weil wir nicht nur die zweite Geige spielen sollten. Ich bin überzeugt davon, dass die Tschechische Republik durchaus mitentscheiden kann. Unsere Wirtschaft ist stark exportorientiert und dadurch mit der Eurozone verknüpft, ob uns das nun gefällt oder nicht. Deswegen ist es besser, innerhalb der Eurozone mit am Tisch zu sitzen und mitzuentscheiden, als passiv die Entscheidungen entgegenzunehmen, die hinter geschlossenen Türen getroffen werden, obwohl sie für uns grundlegend sind“, so der tschechische Präsident.