Europa, wie weiter? Verfassungsjuristinnen Limbach und Wagnerová im Goetheinstitut

Jutta Limbach

Das Goethe-Institut Prag hatte zu einer Podiumsdiskussion geladen – es ging um Integration und Souveränität in Europa. Die Gäste waren zwei prominente und kompetente Damen, die an den höchsten Verfassungsorganen ihrer jeweiligen Länder gewirkt haben: Eliška Wagnerová, ehemalige stellvertretende Vorsitzende am Verfassungsgericht der Tschechischen Republik, und Jutta Limbach, ehemalige Präsidentin des deutschen Bundesverfassungsgerichts.

Jutta Limbach
Im Goethe-Institut Prag sollte Europa einmal nicht durch die politische Ebene Brille sondern durch eine juristische betrachtet werden. Die beiden Gäste, wurden zunächst nach ihrer persönlichen Meinung zu Europa und zu einer weiteren Integration Europas, zum Beispiel in Form eines Staatenbundes, befragt. Jutta Limbach:

„Ich gehöre nicht zu denjenigen, die gegenwärtig für die Vereinigten Staaten von Europa plädieren. Ich glaube, dass das weder kurz- noch mittelfristig überhaupt eine realistische Perspektive ist. Man darf die Analogie zu den Vereinigten Staaten von Amerika nicht übertreiben, weil die Vielfalt der Nationen und Traditionen in Europa eine viel größere, komplexere und vielschichtigere ist als in den Vereinigten Staaten.“

Eliška Wagnerová machte ihre positive Haltung zu zukünftigen vereinigten europäischen Staaten deutlich:

„Als Bürgerin hoffe ich doch sehr, dass es einmal zur Entstehung der Vereinigten Staaten von Europa kommt. Für die Tschechische Republik wäre es ein Segen, wenn es einmal dazu käme. Ich weiß aber wirklich nicht, ob ich das noch erleben werde, hoffe aber, dass es in der Zukunft dazu kommt.“

Als Verfassungsrichterin äußerte sie aber deutliche Bedenken:

Foto: Barbora Němcová,  Radio Prague International
„Es gibt wirklich Gebiete, auch in der Rechtsprechung, in denen kulturelle Unterschiede in den einzelnen Staaten existieren. Wenn wir zum Beispiel die Strafverfahren nehmen, gibt es kulturelle und verfassungstechnische Unterschiede. Unser Verfassungsstandard und Rechtsschutz ist zum Beispiel mit Spanien nicht vergleichbar. Die Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit im Rahmen von Untersuchungshaft oder Anhörungen in Spanien ist viel höher, als es das Gesetzbuch in Tschechien ermöglicht. Das sind sehr wichtige Angelegenheiten, die direkt mit der Freiheit des Menschen zusammenhängen. Und wenn sich Europa wirklich vereinigen will, dann müsste es solche grundlegenden Dinge erst einmal gemeinschaftlich lösen.“

Foto: Europäische Kommission
Obwohl Jutta Limbach den bisher beschrittenen Weg der europäischen Einigung als richtig betrachtet und keine Vereinigten Staaten von Europa anstrebt, sieht sie aber die Notwendigkeit, zumindest in wirtschaftlichen Bereichen enger zusammen zu arbeiten:

„Ich finde den Weg, den wir beschritten haben, dass wir eine supranational organisierte, zwischenstaatliche Gemeinschaft ins Leben gerufen haben, ganz großartig. Ich finde nur, es müsste uns gelingen, für dieses besondere Gebilde, wenigstens hinsichtlich der Wirtschaftsfragen und der Währung so etwas wie eine Wirtschaftsregierung, eine gemeinsame politische Verantwortung zu bilden.“

Eliška Wagnerová
Diese Anspielung zielte auf die bisherige Weigerung der Tschechischen Republik und Großbritannien, am europäischen Fiskalpakt teilzunehmen. Die wirtschaftlichen Probleme sind es dann auch, die Eliška Wagnerová zu einem eher negativen Ausblick auf eine weitere europäische Integration verleiten:

„Jetzt im Moment ist wirklich keine günstige Zeit, die Integration weiter voranzutreiben. Wir kämpfen mit großen wirtschaftlichen Problemen und reden ja derzeit sogar über einen Austritt Griechenlands aus der Währungsunion. Das ist wirklich kein günstiges Klima.“