Europawahlen bringen innenpolitisches Erdbeben

Vladimir Spidla (Foto: CTK)

Nur zwei Mandate für die größte tschechische Partei, die regierenden Sozialdemokraten. Zwei weitere für die ebenfalls regierenden Christdemokraten, weit abgeschlagen und ohne Mandat die liberalen Koalitionspartner von der Freiheitsunion. Die Regierungsparteien ziehen also mit insgesamt nur 4 von 24 tschechischen Abgeordneten ins neue Europaparlament ein. Klare Wahlsieger: Die EU-skeptische Opposition, bestehend aus der Demokratischen Bürgerpartei ODS und den Kommunisten. Zu den Reaktionen am politischen Parkett Tschechiens hören Sie nun Gerald Schubert:

Vladimir Spidla  (Foto: CTK)
Die ohnehin brüchige sozialliberale Regierungskoalition von Premier Vladimír Spidla hat bei den Europawahlen eine schwere Niederlage erlitten. Sowohl die Sozial- als auch die Christdemokraten blieben unter der 10-Prozent-Marke, die Liberalen fast unter der Wahrnehmungsgrenze. Das politische Erdbeben ist so heftig ausgefallen, dass die offiziellen Reaktionen darauf nun fast ausschließlich innenpolitischen Charakter haben. Premier Vladimír Spidla:

Zuzana Roithová  (Foto: CTK)
"Sehr geschadet haben uns die Streitigkeiten innerhalb der Sozialdemokratie und die Tatsache, dass manche Leute nur für ihren eigenen Vorteil gekämpft haben. Ich glaube, viele haben sich die Wahlniederlage sogar gewünscht. Aber all das wird Bestandteil der bevorstehenden politischen Debatten sein", so Spidla, der schon seit längerem nicht nur mit der Opposition, sondern auch mit parteiinternen Gegnern kämpft.

Die Christdemokratische Partei KDU-CSL konnte mit ihren 9,7 Prozent ihr Wählerpotential noch vergleichsweise gut ausschöpfen. Im Hinblick auf das Debakel der Regierung will Spitzenkandidatin Zuzana Roithová jedoch keine voreiligen Konsequenzen ziehen:

"Wenn das Programm erfüllt wird, dann wird die KDU-CSL natürlich in der Regierung verbleiben und das Programm weiterhin mittragen. Es läuft ja gerade die Reform der öffentlichen Finanzen. Diese ist zwar sehr unpopulär, aber nach zwei Perioden von Minderheitsregierungen muss sie einfach gemacht werden. In einer anderen Regierung würden einige dieser Schritte vielleicht sogar noch rasanter ausfallen."

Mirek Topolánek  (links) und Jan Zahradil  (Foto: CTK)
Die mit fast 30 Prozent siegreiche Demokratische Bürgerpartei ODS hat die Europawahl schon im Vorfeld zum Referendum über die Regierung stilisiert. Parteichef Mirek Topolánek betont als Oppositionsführer auch nun den seiner Meinung nach innenpolitischen Charakter des Urnengangs:

"Überall in Europa haben die Wahlen die innenpolitische Situation kopiert. Und daher war es ganz logisch, dass sie auch hier zur Abrechnung mit der Regierung gerieten."

Zufrieden sind auch die Kommunisten - Miloslav Ransdorf  (links) und Vladimir Remek  (Foto: CTK)
Zufrieden sind auch die zweitplatzierten Kommunisten, die 20 Prozent und damit mehr als doppelt so viele Stimmen wie die Sozialdemokraten erringen konnten. Vizeparteichef Václav Exner:

"Für die Regierungskoalition insgesamt ist das ein schlechtes Ergebnis. Es zeigt, dass die Sozialdemokraten in der Regierung keine gute Politik machen."

Fazit: Die Kommunisten stärken ihren Anspruch auf Vorherrschaft im linken Wählerspektrum, die konservative ODS bestätigt ihren stabilen Vorsprung in den Umfragen. Dass der Erfolg beider EU-kritischen Parteien auch einen gesamteuropäischen Trend repräsentiert, das hat in den dramatischen innenpolitischen Diskussionen vorerst noch nicht viel Platz gefunden.