Eva Koťátková in der Nationalgalerie: Mein Körper ist keine Insel

Eva Koťátková: Moje tělo není ostrov

Eva Koťátková gehört zu jenen tschechischen Künstlerinnen, die sich in den letzten Jahren auch im Ausland durchgesetzt haben. In der Prager Nationalgalerie wurde vor kurzem ihre Ausstellung mit dem Titel „Mein Körper ist keine Insel“ eröffnet.

Eva Koťátková: Moje tělo není ostrov | Foto: Nationalgalerie Prag

Die Ausstellung von Eva Koťátková mit dem Titel „Mein Körper ist keine Insel“ wird im Messepalast gezeigt. Es ist eine Gesamtinstallation in der Form eines großen Körpers, der zu einem Teil wie ein Fisch und zum anderen wie ein Mensch aussieht. Den Besuchern vermittelt die Schau eine Reihe von Geschichten. Diese thematisieren die Frage nach den Grenzen von Empathie und Gewalt, die am Körper und an der Seele im Interesse der gesellschaftlichen Normen verübt wird.

Ihre Premiere erlebte die Ausstellung im Frühjahr im Museum der Gegenwartskunst in Bordeaux. In Prag ist eine Fassung der Schau zu sehen, die an die Räumlichkeiten angepasst wurde. Rado Ištok ist einer der Kuratoren.

„Die Ausstellung ist das Ergebnis der Arbeit von Eva Koťátková nicht nur an diesem Projekt, sondern auch an mehreren weiteren Projekten. Eva interessiert sich schon seit Jahren für die kritische Pädagogik, für unterschiedliche Möglichkeiten der Inklusion. Dabei geht es ihr darum, wie Formen der Unterdrückung in der Gesellschaft überwunden werden können. Zudem beschäftigt sie sich mit den Ansprüchen, die die Gesellschaft an unseren Körper und unsere Persönlichkeit stellt. All das kommt auch in dieser Ausstellung zum Ausdruck.“

Eva Koťátková: Moje tělo není ostrov | Foto: Nationalgalerie Prag

Eva Koťátková merkt an, sie interessiere sich schon lange für die Ursachen der Angst davor, sich von den anderen zu unterscheiden.

„Diese Angst wird im Menschen seit der Kindheit von den Bildungsinstitutionen gefördert. An diesem Prozess beteiligen sich im Laufe des Lebens auch weitere Institutionen. Das Anderssein, das heißt, wenn sich jemand anders als die anderen in der Gesellschaft fühlt, ist kein individuelles Problem einer Einzelperson, sondern es ist ein Problem, das tief in der Gesellschaft verwurzelt ist. Über Imagination und Kreativität kann man sich damit auseinandersetzen.“

Die Installation sei für jeden zugänglich und fordere zum Mitwirken auf, so die Künstlerin. Sie beschreibt ihr Konzept:

„Die Installation bemüht sich mit verschiedenen Mitteln, den Zuschauer anzusprechen. Im Raum ist ein kollektiver Körper platziert, der die Geschichten von Menschen teilt. Dabei wird die Möglichkeit der Interaktion geboten: In den interaktiven Zonen ist es möglich, zu liegen und sich die Geschichten anzuhören oder sich hinzusetzen und die Geschichten zu teilen. Wer Mut und Interesse hat, der kann in einer kollektiven Wandzeitung seine Geschichten der Unterdrückung teilen. Zudem besteht die Möglichkeit, an Programmen teilzunehmen, die in speziellen Zonen angeboten werden.“

Eva Koťátková: Moje tělo není ostrov | Foto: Nationalgalerie Prag

Im Rahmen der Ausstellung werden auch Workshops für die unterschiedlichen Generationen sowie Diskussionen veranstaltet. Die Schau werde sich daher im Laufe der Zeit verwandeln, betont Eva Koťátková. Es handele sich um keine feste Sammlung von Exponaten, sondern um einen lebendigen Körper, so die Künstlerin.

In der Ausstellung gibt es auch einige Orte, an denen man sich verstecken kann. Zudem hat der Besucher die Möglichkeit, sich zu verkleiden. Dafür stehen Kostüme zur Verfügung. Eva Koťátková:

„Die Installation – der kollektive Körper – besteht aus verschiedenen Inseln und Fragmenten, die sich gegenseitig ergänzen. Der Besucher stellt sie zusammen und kreiert seine eigene Vorstellung von einem Körper, dessen Bestandteil er für den Moment geworden ist. Jede dieser Inseln ist mit einer Geschichte verknüpft, die in einer speziell für die Ausstellung verfassten Komposition erklingt. Diese sozusagen ,Tonzentrale‘ der Schau befindet sich im Kopf des Fisches.“

20 reale und auch fiktive Geschichten beschreiben verschiedene Formen von Unterdrückung, Diskriminierung, Kontrolle und sichtbarer sowie unsichtbarer Gewalt.

Eva Koťátková merkt an, der in der Schau installierte kollektive Körper sei etwas zwischen einem Fisch- und einem Menschenkörper.

„Der Körper hat die Möglichkeit, aus den verschiedenen Fragmenten vorübergehend neu zusammengestellt zu werden, um vermutlich besser und funktionsfähiger zu werden.“

Eva Koťátková: Moje tělo není ostrov | Foto: Nationalgalerie Prag

Kurator Rado Ištok sagt, es sei eine große Ehre, das Werk von Eva Koťátková in der Halle des Messepalastes zu präsentieren. Die Halle ist einer der größten Räume der Nationalgalerie.

„Das ist umso wichtiger, weil Eva in diesem Jahr an der documenta teilgenommen hat – der großen Ausstellung der Gegenwartskunst in Kassel. Nach vielen Stationen im Ausland ist also Evas Werk wieder in Prag zu sehen. Die Schau zielt auf die breiteste Öffentlichkeit.“

An einem solch großen Projekt kann die Künstlerin ihren Worten zufolge nicht allein arbeiten.

„Ich brauche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ihre Namen werden in der Ausstellung genannt. Projekte dieser Art erfordern, einen Dialog mit anderen Menschen zu führen und mit ihnen manchmal auch langfristig zusammenzuarbeiten. Es handelt sich dabei um Menschen, die von den Geschichten inspiriert sind, die in der Ausstellung erklingen. Aber nicht nur um sie, sondern wichtig sind auch diejenigen, die die Schau gestalten und sich darum kümmern, wie man durch die Ausstellung gehen soll. Ebenso ist die grafische Gestaltung von Bedeutung, da die Schau mehrschichtig ist. Zudem finden sich hier zahlreiche Kostüme, die ich selbst nicht schneidern kann. Bei einer derartigen Ausstellung ist eine weitreichende Zusammenarbeit nötig.“

Eva Koťátková: Moje tělo není ostrov | Foto: Nationalgalerie Prag

Bei der Besichtigung stoßen die Besucher auf Texte, die im Raum platziert sind. Das seien, so die Künstlerin, Fragmente aus Geschichten, die in der Schau erklingen. Einige der Geschichten werden einmal in der Woche auch in einer Performance belebt. Eva Koťátková empfiehlt, sich völlig frei in der Landschaft der Ausstellung zu bewegen.

„Die Landschaft enthält viele ernsthafte und beunruhigende Geschichten. Die Schau lädt die Menschen ein, sie zu betreten, und bietet ihnen an, Bestandteil dieser Landschaft zu werden. Es wird betont, dass die Meinung und die Stimme jedes Besuchers wichtig sind. Die Ausstellung ermöglicht, nicht nur an den Exponaten vorbeizugehen, wie es üblich ist, sondern vor allem sie auch zu berühren, sich auf Polster zu legen oder zu setzen und sich die Geschichten anzuhören. Eine Gruppe von Besuchern kann sich auch gemeinsam an einen runden Tisch setzen.“

Der Besuch der Schau bietet eine Wanderung durch die Landschaft der Normen und der Unterdrückung, deren Bestandteil wir Menschen sind und die wir im Alltagsleben mit unseren Körpern und unserem Verhalten mitbestimmen. Im Bauch des in Fragmente zerlegten Körpers liegen verschiedene Kartons und Kisten, aus denen Tiere und Menschen zu flüchten versuchen. Das Motiv der Transportkiste ist das Symbol für die Bewegung und den Umzug – ob freiwillig oder erzwungen. Zudem symbolisiert die Kiste den Bedarf, alles in übersichtlichen Kartons zu sortieren, aber auch die Angst vor der Vielfalt. Im Fokus der Installation steht die Sehnsucht nach einem Leben, in dem die gegenseitige Empathie mehr Raum hat und in dem die Menschenkörper genauso wie Tiere einem geringeren normativen Druck und weniger der Gewalt ausgeliefert sind. Die Künstlerin wollte eine Plattform für all diejenigen schaffen, deren Stimmen totgeschwiegen werden und die der Stigmatisierung ausgeliefert sind. Geöffnet ist die Ausstellung auch für all diejenigen, die bereit sind zuzuhören.

Die Ausstellung „Mein Körper ist keine Insel“ ist im Prager Messepalast noch bis 4. Juni 2023 zu sehen. Der Messepalast ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

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