Extremismus als Herausforderung für die Medien. Internationaler Journalistenkongress

Der jüngste brutale Überfall auf einen türkischstämmigen Politiker der Linkspartei in Berlin und die Diskussion über sog. "No go areas" für Farbige während der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland - nur zwei Symptome eines Phänomens, dem Politiker und Öffentlichkeit zunehmend ratlos gegenüber stehen: der zunehmenden Gewaltbereitschaft rechtsgerichteter Jugendlicher. Ihre Vernetzung kennt keine nationalen Grenzen und auch in der tschechisch-deutschen Grenzregion kam es bereits wiederholt zu gemeinsamen Neonazi-Aufmärschen. Wie können sich Medien und Multiplikatoren diesem Problem stellen? - Das war die zentrale Frage eines tschechisch-deutschen Journalistenkongresses, der am Wochenende im nordböhmischen Liberec/Reichenberg stattfand. Silja Schultheis war vor Ort.

"Als Journalisten haben wir eine sehr wichtige Verantwortung in diesem System Demokratie", meint Frank Schach, freier Journalist und Initiator des Kongresses "Extremismus, Nationalismus und Europa":

"Wir haben die Möglichkeit Problematiken zu fokussieren. Und wir können hingucken oder wegsehen. Und hier geht es eben darum hinzugucken, darüber zu schreiben oder die Kamera draufzuhalten. Und zu dokumentieren: das ist jetzt aktuell."

In der Praxis allerdings stellt sich der Umgang mit dem Thema Extremismus heute für viele Medien problematisch dar, beobachtet Schach:

"Es wird sozusagen eher nicht richtig hingeguckt. Entweder aus eigener Unsicherheit oder, was ich feststelle, immer mehr aus Angst, weil - das haben mir mehrere Kollegen erzählt - wenn man darüber berichtet, man selbst bedroht wird."

Gemeinsam nach Strategien gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu suchen, war Hauptziel der Vorträge und Podiumsdiskussionen, zu denen sich am Wochenende im "Bau der Versöhnung" in Liberec Journalisten, Politologen, Psychologen und Pädagogen versammelten. Eine der am heftigsten diskutierten Fragen war dabei die, ob Verbote - Beispiel: Auschwitz-Lüge - hier weiterhelfen können oder aber als "pädagogische Bankrotterklärung" zu werten sind, wie der Journalist Burkhard Schröder meint:

"Wenn ich auf die demokratischen Rechte verzichte, gebe ich den Nazis Recht. Weil die dann sagen: Die Demokratie ist eine schwache Gesellschaft, die muss zu Verboten greifen, weil sie anders nicht dagegen ankommt. Das ist aber nicht so: Ich hab nämlich die besseren Argumente gegen Rassisten."

Anders sah es Andreas Müller, der sich seit Jahren selber aktiv gegen Neonazis engagiert:

"Natürlich: Durch Verbote wird niemand vom Nazi zum Nicht-Nazi, aber es ist ein Teil einer diskursiven Grenzziehung zu sagen: Es gibt ein Tabu nationalsozialistischer, antisemitischer Äußerungen in der demokratischen Öffentlichkeit. Damit wird die Grenze fest gezogen, was legitim ist und was nicht."

Um Medienvertreter zur verstärkten Auseinandersetzung mit dem Thema anzuregen, haben die Veranstalter einen Journalistenpreis ausgeschrieben. Verliehen wird er im September in Bautzen, wenn der zweite Teil der Konferenz stattfindet. Dann werde hoffentlich auch die Hauptzielgruppe - die Journalisten - stärker vertreten sein und der ein oder andere Vortrag durch Diskussion ersetzt werden, äußerte eine Teilnehmerin stellvertretend für viele andere am Ende des Kongresses:

"Ich hatte vielleicht die Erwartung, dass noch ein bisschen mehr auf die Frage eingegangen wird, wie man jetzt als Journalist auf Extremismus reagieren soll. Diese Frage wurde aber nur kurz angeschnitten und da wurde eigentlich nur gesagt, dass man nicht genau weiß, wie man damit umgehen soll: berichte ich jetzt darüber oder schweig ich es tot. Und darüber hätte ich mir noch mehr Diskussion gewünscht."

www.journalistenkongress.de