Feierlichkeiten zum 60. Jahrstag des Kriegsendes: Demarkationszonen 2005 in Prag-Dejvice

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Die ganze Welt gedenkt dieser Tage des größten aller Kriege, und auch in Tschechien gibt es landesweit Veranstaltungen, die an den Zweiten Weltkrieg und an die mit ihm verbundenen Ereignisse erinnern. Auf den Tag genau vor 60 Jahren war Prag einer der wenigen Orte in Europa, in denen noch Kämpfe um die Freiheit ausgefochten werden mussten. Hier herrschte am 8. Mai 1945 noch Krieg. Ein Krieg, der angesichts der hohen Konzentration von Soldaten der deutschen Wehrmacht in unmittelbarer Nähe Prags immer noch eine hohe Gefahr für die Bevölkerung darstellte. Ein Szenario sah sogar ein Blutbad vor und die Verwandlung Prags in ein Trümmerfeld. Glücklicherweise wurde dieser Plan nicht in die Tat umgesetzt. Auch das ist einer der Gründe, warum am 8. Mai 2005 viele Menschen feiern. In Erinnerung an den Krieg wurden am Sonntag allein in der tschechischen Hauptstadt unzählige Aktionen veranstaltet. Eine davon im Prager Stadtteil Dejvice unter dem Titel "Dejvická demarkacní". Gerald Schubert war dabei:

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Schottische Dudelsackbläser, amerikanischer Dixieland-Jazz, Militärblasmusik, heimische Rockbands. Fast für jeden Musikgeschmack war etwas dabei, beim sonntäglichen Straßenfest in Dejvice, einem Teil des sechsten Prager Stadtbezirks. Die musikalische, aber auch die entsprechende kulinarische Vielfalt kommen nicht zuletzt daher, dass hier verschiedene Nationen mit Festzelten vertreten waren: Die USA, Russland, Großbritannien und Frankreich als jene alliierten Mächte, die Europa vor sechzig Jahren vom nationalsozialistischen Terror befreiten, aber auch Polen, wo die ersten Schüsse des Zweiten Weltkriegs fielen, und natürlich die einstige Tschechoslowakei. Dejvická demarkacní wurde das Straßenfest genannt, weil der Bezirk in symbolische Demarkationszonen eingeteilt wurde. Radio Prag hat sich während der Veranstaltung mit Tomás Chalupa unterhalten, dem Bürgermeister von Prag 6:

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"Das ist auf jeden Fall die größte Aktion, die wir je organisiert haben. Aber es ist ja auch der größte Feiertag. 60 Jahre Kriegsende! Für uns bedeutet das auch sechzig Jahre Befreiung - auch wenn wir wissen, dass bald danach wieder eine Zeit kam, die nicht besonders frei war. Jedenfalls aber wollten wir hier eine etwas leichtere Atmosphäre schaffen, im Vergleich zu all den Militärparaden, Schlacht-Rekonstruktionen und so weiter, die es sonst in diesen Tagen gibt. Das Fest sollte einfach auch Unterhaltung für die Menschen sein. Wir haben uns dabei an ähnlichen Feierlichkeiten orientiert, die wir voriges Jahr im Ausland besucht haben. Alles in allem ist das ein Versuch, dem Ganzen eine normale, menschliche Dimension zu verleihen."

Die Straßenfest-Atmosphäre sollte aber dennoch den Anlass der Feierlichkeiten nicht verdecken, sagt Bürgermeister Chalupa. Seinen sechsten Prager Bezirk begreift er als Stadtteil, der auch mit der militärischen Vergangenheit des Landes stark verbunden ist:

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"Prag 6 ist ein Viertel mit 100.000 Einwohnern, und mit einer eigenen Geschichte, die teilweise eine militärische Geschichte ist. Heute befinden sich hier der Generalstab der tschechischen Armee und das Verteidigungsministerium. Allein in Prag 6 finden Sie 157 Gedenktafeln, die an Menschen erinnern, die hier während des Prager Aufstandes von 5. bis 8. Mai 1945 in den Straßen gefallen sind. Es wurden hier auch mehr als 80 Barrikaden errichtet. Dieses Fest ist also auch ein Versuch, uns zu erinnern, ein Versuch, uns unseres eigenen Gedächtnisses bewusst zu werden."

Die Besucherzahl ist übrigens schwer einzuschätzen. Die ganze Veranstaltung dauert mehrere Stunden lang, und es herrscht ein Reges Kommen und Gehen, wie das eben bei Straßenfesten so üblich ist. Die Organisationsgruppe im Rathaus von Prag 6 rechnete aber mit insgesamt etwa 100.000 Besuchern.