Feldmarschall „Vorwärts“ und das Schloss Raduň

Schloss Raduň

Der Kreis Mährisch-Schlesien lockt vor allem mit seinen Industrie-Denkmälern und Bergen. Aber auch in dieser Region gibt es mehrere Burgen und Schlösser.

Schloss Raduň | Foto: Nationalinstitut für Denkmalpflege,  CC BY-NC-ND 3.0 CZ

Schloss Raduň befindet sich in der gleichnamigen Gemeinde etwa sieben Kilometer südöstlich von der Stadt Opava / Troppau. Urkundlich belegt ist der Ort seit 1320. Damals stand dort eine Festung, die den Rittern von Raduň gehörte. Im 16. Jahrhundert wurde sie in ein Renaissanceschloss umgebaut. Dieses wurde später noch einmal in der Barockzeit umgestaltet. Ihr heutiges Aussehen erhielt die Residenz im 19. Jahrhundert. Das Schloss wird vom staatlichen Denkmalschutzamt verwaltet. Bei der Führung durch die Residenz können sich die Besucher mit dem Leben der Adelsfamilien im 19. Jahrhundert bekannt machen. Die Räumlichkeiten sind mit historischen Möbeln ausgestattet. Der Großteil der Gegenstände gehört jedoch nicht zum ursprünglichen Mobiliar von Raduň. In den letzten Jahren gelang es aber den Verwaltern, einige Stücke der Originalausstattung wieder in Raduň zu zeigen. Dazu gehören vor allem Gemälde. Kastellanin Markéta Kouřilová macht auf eines davon aufmerksam:

Markéta Kouřilová | Foto: Iva Havlíčková,  Tschechischer Rundfunk

„Ich möchte betonen, dass das Bild wirklich wertvoll ist, denn vom Originalmobiliar der Residenz sind nur 16 Gegenstände erhalten geblieben. Und dieses Gemälde gehört dazu. Es ist ein Paradox, dass die Damen, die auf dem Bild zu sehen sind, nie das Schloss besucht haben. Sie haben nicht einmal geahnt, dass es einen Ort namens Raduň gibt. Die Damen auf dem Gemälde sind nämlich Napoleons Verwandte.“

Seit den 1830er Jahren besaß der Kastellanin zufolge die Adelsfamilie Blücher das Schloss. Graf Gebhard Blücher von Wahlstatt erwarb die Residenz 1832 durch Heirat mit Marie Larisch-Mönnich. Blüchers Großvater war der preußische Generalfeldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher, der durch den Sieg über Napoleon bei Waterloo berühmt geworden ist. Das Gemälde, auf dem Napoleons Verwandte abgebildet sind, sollte laut der Kastellanin an den namhaften Vorfahren der Schlossbesitzer erinnern.

Schloss Raduň | Foto: Iva Havlíčková,  Tschechischer Rundfunk

Teil der Originalausstattung der Residenz sind auch vier weitere Gemälde. Über die übrigen Originalgegenstände, die in Raduň wieder gezeigt werden, sagt Markéta Kouřilová:

„Vor allem sind die Objekte in den Repräsentationsräumen zu sehen. 2020 gelang es uns, noch weitere 13 Bestandteile der früheren Ausstattung der Residenz zu kaufen. Diese werden derzeit restauriert und können künftig auch bei den Schlossbesichtigungen bewundert werden.“

Im ersten der Repräsentationsräume macht die Kastellanin auf eine Lithografie aufmerksam:

Foto: Nationalinstitut für Denkmalpflege,  CC BY-NC-ND 3.0 CZ

„Sie stellt die Schlacht bei Kaiserslautern dar. Die zentrale Figur auf dem weißen Pferd ist der Generalfeldmarschall Gebhard Leberecht Blücher. In der Schlacht bei Waterloo gelang es ihm, Napoleons Kutsche zu erbeuten. Die Kutsche stand früher in Raduň. Gegenüber dem Schloss befand sich früher das  Kutschenhaus, und dort wurde auch Napoleons Vehikel geparkt. Es wird erzählt, dass Gebhard Leberecht Blücher sehr temperamentvoll war. Er wurde ,Marschall Vorwärts‘ genannt. Angeblich ritt er immer an der Spitze seiner Soldaten. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass er 74 Jahre alt war, als er an der Schlacht bei Waterloo teilnahm. Der Spitzname des Feldmarschalls ,Vorwärts‘ ist zum Motto der Familie Blücher geworden.“

Auch zwei weitere Gemälde, die gezeigt werden, stammen laut Markéta Kouřilová aus Raduň. Es handelt sich um Porträts von Maria Theresia und von ihrem Mann Franz Stephan von Lothringen.

Foto: Naďa Čvančarová,  Tschechischer Rundfunk

Unter den 13 Gegenständen, die die Schlossverwaltung vor drei Jahren kaufte, um sie wieder ausstellen zu können, ist auch ein Buch über schlesische Sehenswürdigkeiten, erzählt die Kastellanin:

„Das Buch, das auf Deutsch verfasst wurde, beschreibt bedeutende Gebäude, die Landschaft sowie wichtige Ereignisse. Der Band musste nicht restauriert werden. Er wird nur ausnahmsweise gezeigt – beispielsweise während der Nacht der Schlösser und Burgen und bei anderen besonderen Anlässen.“

Bei der Führung geht es weiter in den Speisesaal des Schlosses. Den Raum dominiert ein monumentales Gemälde. Die Kastellanin:

Foto: Iva Havlíčková,  Tschechischer Rundfunk

„Das Werk stammt aus dem Originalmobiliar. Es ist über fünf Meter lang und zwei Meter hoch. Das Bild ist von Rätseln umwoben. Wir kennen weder den Maler, noch wissen wir, bei welcher Gelegenheit die Familie das Gemälde erwarb. Zudem weiß man nicht genau, was es eigentlich darstellt. Es wurde als der ,Feldzug‘ bezeichnet. Aber bei einem genaueren Blick ist zu sehen, dass es nur wenige bewaffnete Männer auf dem Gemälde gibt, es fehlt dort die Artillerie. Wichtig ist vermutlich eine Menschengruppe, die sich in der Ecke des Bildes in der Felsenlandschaft befindet. Dort ist eine pompöse Kutsche mit sechs weißen Pferden zu sehen. Es kann sein, dass diese Menschen gerade vielleicht zu einem Fest reisen – etwa zu einer Krönung oder Verlobung. Aber wir haben eigentlich wirklich keine Ahnung. Es gibt aber noch weitere Besonderheiten. Aus unbekannten Gründen wurde das Gemälde in den 1950er Jahren von hier auf Schloss Velké Losiny gebracht. Meiner Vorgängerin im Kastellansamt gelang es, das Kunstwerk wieder für Raduň zu erwerben. Das Bild wurde anschließend restauriert. Da es lang fast versteckt war, entging es der Aufmerksamkeit der Kunsthistoriker und wird erst derzeit genauer erforscht. Wir hoffen, dass es uns gelingt, mehr Informationen über die Herkunft des Gemäldes zu finden.“

Foto: Iva Havlíčková,  Tschechischer Rundfunk

Die Kastellanin sagt, anfangs habe sie angenommen, dass es sich um das Bild einer fiktiven Landschaft handele.

„Vielleicht hat der Künstler aber auch eine wirkliche Landschaft gemalt. In jedem Fall wissen wir nicht, um was für eine Region es sich handelt. Das Gemälde ist trotzdem herrlich. Der Turm, der dort abgebildet ist, könnte ein Turm sein, in dem die Maut bezahlt wurde, denn ein ganzer Strom von Menschen nähert sich gerade dem Bauwerk. Es gibt auf dem Bild aber auch viele weitere Situationen – wie beispielsweise Menschen, die sich gerade ausruhen.“

Schloss Raduň wurde genauso wie andere Schlösser 1948 verstaatlicht und diente anschließend zu verschiedenen Zwecken. Markéta Kouřilová:

Foto: Nationalinstitut für Denkmalpflege,  CC BY-NC-ND 3.0 CZ

„Im Schloss wurden zuerst eine Schule, dann ein Kindergarten und eine Arztpraxis untergebracht. Es wurden dort auch Gemeindewohnungen errichtet. Kurz und gut diente es als ein Zentrum für kommunale Dienstleistungen der Gemeinde. Als das Schloss Hradec nad Moravicí restauriert wurde, wurde das Mobiliar von dort in Raduň zwischengelagert. Das hiesige Schloss verwandelte sich damals in ein großes Depot. Mit der Zeit gelang es, einige Gegenstände zu erwerben, die aus dem hiesigen Schloss stammten. Die Räumlichkeiten in Raduň wurden mit Leihgaben und den wieder erworbenen Gegenständen ausgestattet und für die Öffentlichkeit geöffnet. Ich denke, dass die Residenz den Besuchern derzeit die Atmosphäre des 19. Jahrhunderts hervorragend vermittelt. Es sieht hier so aus, als ob die Bewohner das Haus gerade für einen Moment verlassen hätten und gleich wieder zurück sein würden.“

Schloss Raduň ist teilweise auch im Advent und während der Weihnachtstage geöffnet. Die Räumlichkeiten sind weihnachtlich geschmückt. Mehr über das Schloss und die Öffnungszeiten erfahren Sie unter https://www.zamek-radun.cz/en.

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Autor: Martina Schneibergová | Quelle: Český rozhlas Ostrava
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