Festivalauftakt „Prager Frühling“: „Mein Vaterland“ auf historischen Instrumenten
An diesem Mittwoch beginnt das 76. internationale Musikfestival „Prager Frühling“. Traditionell wird es mit dem Zyklus sinfonischer Dichtungen „Mein Vaterland“ von Bedřich Smetana eröffnet. Anders als gewohnt wird das Werk diesmal aber auf historischen Musikinstrumenten gespielt.
Ursprünglich sollte das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin das Eröffnungskonzert spielen. Die Corona-Maßnahmen in Deutschland ließen allerdings keine Proben zu, so dass das Orchester Smetanas „Mein Vaterland“ nicht einstudieren konnte und seine Teilnahme absagen musste. Das Orchester Collegium 1704 übernimmt daher das erste Konzert des Festivals. Das gilt als eine mutige Lösung. Denn das Ensemble ist auf die historische Aufführungspraxis alter Musik spezialisiert. Václav Luks leitet das Orchester:
„Das Repertoire des Collegium 1704 besteht hauptsächlich aus der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts, also des Barock und des Klassizismus. Die Musik der Romantik ist uns aber auch nicht ganz fremd. Unser Ziel ist es, Smetanas ‚Mein Vaterland‘ in anderen Farben präsentieren, als die Hörer es gewohnt sind. Wir wollen zeigen, wie Smetanas Musik zu ihrer Entstehungszeit geklungen haben könnte und welchen Orchesterklang sich der Komponist beim Komponieren vorgestellt hatte. Letztendlich stand ihm nichts anderes als Vorstellungskraft und Imagination zur Verfügung, weil er damals schon völlig ertaubt war.“
Der Zyklus sinfonischer Dichtungen von Bedřich Smetana wird nicht das erste Mal auf alten Instrumenten beim „Prager Frühling“ gespielt. Beim Eröffnungskonzert 1996 sorgte das Orchester London Classical Players unter Sir Roger Norrington mit seiner Aufführung für Aufsehen. Laut Václav Luks steht das Collegium 1704 vor einer großen Herausforderung:
„Ich habe mich nie groß mit der Interpretation der Musik des späten 19. Jahrhunderts auf historischen Instrumenten beschäftigt. ‚Mein Vaterland‘ hat mich aber immer hingerissen und beim Zuhören inspiriert. Also habe ich darüber nachgedacht, wie man das Werk interpretieren und auf historischen Instrumenten spielen könnte und wie es damals geklungen hat.“
Laut Luks muss bei der Aufführung der ikonischen Komposition nicht nur der historische Kontext des Entstehungsprozesses berücksichtigt werden, sondern auch die bemerkenswerte Interpretationstradition. Schon beim Anhören der ersten Aufnahme von „Mein Vaterland“ unter der Leitung von Václav Talich aus dem Jahr 1929 kann man feststellen, wie radikal sich die Aufführungspraxis des romantischen Repertoires in den letzten hundert Jahren verändert hat. Er will an die ästhetischen Ideale der Zeit Smetanas erinnern, die für die Musiker und das Publikum von heute inspirierend sein könnten, sagt der Dirigent.
Der Zyklus besteht aus sechs Teilen: Vyšehrad, Die Moldau, Šárka, Aus Böhmens Hain und Flur, Tábor und Blaník. Luks hat seine Favoriten:
„Es ist schwierig, einen Teil hervorzuheben. Ich muss aber sagen, ich bewundere ‚Tábor‘ und ‚Blaník‘ sehr. Diese beiden Abschnitte werden oft als problematisch bezeichnet. Für mich bedeuten sie einen Höhepunkt des gesamten Zyklus. Insbesondere ‚Tábor‘ hat eine entzückende Musik, in der man sehr klare Einflüsse von Richard Wagner hören kann. Smetana hat tatsächlich Musik von Weltrang komponiert. Auch dieses Werk, das so stark mit dem tschechischen Volk identifiziert wird, ist für Menschen aller Nationen verständlich. Und das ist ganz einzigartig.“
Das Eröffnungskonzert des „Prager Frühlings“ kann am Dienstag um 20 Uhr als Direktübertragung im Programm des Fernsehsenders ČT art, beim Tschechischen Rundfunk Vltava und auf der Webseite www.festival.cz verfolgt werden. Dort werden bis 3. Juni auch weitere Festivalkonzerte zu hören und zu sehen sein. Das Festival findet in diesem Jahr überwiegend online statt, nur bei vier Konzerten ist das Publikum in beschränkter Zahl und unter Auflagen zugelassen.