„Fidelio ist aktueller denn je“

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Fidelio ist die einzige Oper von Ludwig van Beethoven. Die Uraufführung fand 1805 am Theater an der Wien statt. In den Böhmischen Ländern wurde Fidelio zum ersten Mal am 24. November 1814 im Prager Ständetheater gespielt – unter der Leitung des damaligen Operndirektors Carl Maria von Weber. Im selben Theatergebäude wird am Samstag eine Neuinszenierung von Beethovens Fidelio ihre Premiere erleben. Ein Gespräch mit der bulgarisch-deutschen Opernregisseurin Vera Nemirova.

Vera Nemirova  (Foto: Martina Schneibergová)
Frau Nemirova, Fidelio gilt als „Freiheitsoper“. In wie weit ist das Werk heute aktuell?

„Die Sehnsucht nach Freiheit hat immer eine Rolle gespielt, insbesondere in totalitären Systemen. Heute ist es umso wichtiger die Frage, was die Freiheit für uns bedeutet. Alle, die frei zu sein glauben, sind eigentlich auch manipulierbar, leben in Zwängen und Ängsten. Manchmal fühlen wir uns unfrei in der Freiheit. Das ist heute noch viel schwieriger zu erzählen und zu interpretieren als vielleicht noch vor 30, 40 Jahren, wo es totalitäre Regime in unseren Ländern gab. Dennoch muss man sich Gedanken darüber machen, wie viele Menschen heute die Freiheit oder ein besseres Leben und eine bessere Ausbildung suchen und vor dem Krieg und vor Terror flüchten. Die Freiheit suchenden Menschen landen in Haft und werden ihrer Freiheit beraubt. Deswegen ist Fidelio ein hochaktuelles Stück, so aktuell wie nie.“

Ist Florestan in Ihrer Regie ein Menschenrechtler, der in Haft sitzt?

„Ja, er sagt: ,Wahrheit wagte ich kühn zu sagen.‘ Er war derjenige, der Pizzaros Verbechen aufgedeckt hat. Er sitzt in Haft nicht nutzlos rum, sondern er sucht weiter nach Wahrheit und versucht, weiter zu arbeiten. Wir haben ihn in einen Aktenkeller eingesperrt, wo die Akten dieser Systeme entsorgt werden. Er sucht nach einem wichtigen Dokument, wo vielleicht etwas über seine Unschuld oder das Unrecht steht, das anderen Menschen geschehen ist. Dies zeigen wir ganz deutlich.“

Nach Freiheit sehnt sich aber nicht nur Florestan, sondern auch Leonore oder vielleicht auch andere Personen in dem Stückt…

„Ja, auch Marzelline, die Tochter des Kerkermeisters, sehnt sich nach Freiheit. Denn sie ist in einem Gefängnis geboren und aufgewachsen. Für sie bedeutet die Liebe zu Fidelio viel, zu dieser verkleideten Frau, die sie nicht als Mann erkennt, sondern in ihr einen Mann zu sehen glaubt. Sie verliebt sich in Fidelio, weil er von außen kommt und sie vielleicht in seine Freiheit mitnehmen kann. Dies erweist sich als Trugschluss, was umso trauriger ist für Marzellines Sehnsucht.“

Gibt es ein wirkliches Happy End? Oder ist es doch nicht so einfach, nach den Jahren in Haft, wieder glücklich zu sein?

„Ich glaube, das kann jeder verstehen. Zwei Jahre Einzelhaft machen einen Menschen, seine Seele kaputt. Und ein Leben im falschen Geschlecht, inkognito, ständig in Angst, entdeckt zu werden, ist für Leonore auch furchtbar. Wenn die beiden einander finden, bräuchten sie einen Therapeuten. Es ist auch utopisch: Es wird beschrieben, dass da ein Wunsch zweier Menschen nach Zusammensein in Erfüllung geht, dass ihnen wieder Gerechtigkeit widerfährt. Darin besteht die Schwierigkeit, wie man diese Spannung von möglicher Utopie und der Unmöglichkeit in der Umsetzung zeigt.“


Daniel Frank  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Rolle des Florestan singen in Prag der schwedische Tenor Daniel Frank oder Erin Caves aus den USA, als Leonore stellen sich die deutschen Sopranistinnen Melanie Diener und Manuela Uhl vor. Die Oper studierte der musikalische Leiter der Staatsoper Prag, Andreas Sebastian Weiser mit dem Orchester und dem Chor der Staatsoper ein. Die Premiere findet am Samstag um 19 Uhr im Ständetheater statt.